El Nino und Klimawandel Hauptfaktoren

Extreme Dürre im Amazonas erreicht im Oktober Allzeit-Rekord

von Laura Kranich

Eine Rekord-Dürre sucht das Amazonasbecken heim – im Oktober sank der Pegel des Rio-Negro auf einen Rekord-Tiefstand. Die Auswirkungen für die Menschen, die Tierwelt und den Regenwald selbst sind verheerend und eine dringende Warnung vor den Folgen der globalen Erwärmung und dem möglichen Zusammenbruch des Amazonas-Regenwaldes.
Alle News rund um das Thema Klima und Klimakrise

Rekord-Tiefstände am Rio Negro sorgen für Probleme

Vergleich von Satellitenbildern des Rio Negro im Oktober 2022 und 2023
Der Rio Negro bei Manaus im Oktober 2022 (links) und 2023 (rechts). Deutlich erkennbar sind rechts große Sandbänke und Flussufer, die trockengefallen sind.

Der Rio Negro, immerhin der sechstgrößte Fluss der Erde (bezogen auf die Abflussmenge), führte im Oktober so wenig Wasser wie noch nie seit dem Beginn der Aufzeichnungen Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Folgen: Stillstand und Ausfall der Stromproduktion an Brasiliens viertgrößtem Wasserkraftwerk am Santo Antonio Staudamm, mit einer installierten Leistung von 3,5 Gigawatt.

Flüsse sind die Autobahnen im Amazonas

In Manaus können Schiffe die Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas mit mehr als zwei Millionen Einwohnern nicht mehr mit Lebensmitteln und anderen Gütern beliefern. Auch viele kleine Ortschaften in der Region sind nur noch schwer zu erreichen, da die Flüsse im dichten Regenwald der wichtigste Transportweg sind.

Fatale Folgen für die Tierwelt

Waldbrände am 11. Oktober im Amazonas-Regenwald
Außer Kontrolle geratene Brände am 11. Oktober 2023 nahe Manaus am Amazonas

Und dann sind da die Bilder von den verendeten Flussdelfinen, die bereits im Oktober um die Welt gingen. Die Dürre lässt den sonst oft wolkenverhangenen Himmel über dem Regenwald aufklaren und die sengende Tropensonne erhitzt die stark zusammengeschrumpften Gewässer auf lebensbedrohliche Temperaturen, was auch die Verdunstung weiter erhöht und der Tierwelt stark zusetzt.

Auch Waldbrände nehmen in der Region ein gefährliches Ausmaß an. Denn wegen der extrem trockenen Wetterbedingungen geraten von den Menschen in der Landwirtschaft zur Brandrodung und Feldverjüngung gelegte Feuer vermehrt außer Kontrolle. Dabei gäbe es ohne den Menschen gar keine Feuer im Amazonas-Regenwald. Selbst in der regulären Trockenzeit von Juni bis September ist es dort eigentlich zu feucht.

El Nino für schwerste Dürren im Amazonas verantwortlich

Ozeantemperatur-Abweichung im Pazifik am 6.11.2023
Aktuelle Ozeantemperatur-Abweichungen im Pazifik - gut zu erkennen die für El Nino typische starke warme Anomalie, die sich vom östlichen Pazifik entlang des Äquators nach Westen erstreckt.

Die Gründe dafür sind zum Teil weit entfernt zu suchen. Ein wesentlicher Faktor für besonders starke Dürren im Amazonasbecken ist das berühmt-berüchtigte El Nino, spanisch für „Das Christkind“, da es häufig um die Weihnachtszeit seinen Höhepunkt erreicht. Ein starkes El Nino hat sich in den letzten Monaten im östlichen tropischen Pazifik entwickelt. Dabei erwärmt sich eine riesige Wasserfläche im äquatorialen Pazifik von Südamerika ausgehend tausende Kilometer nach Westen. Mit Folgen, die weit über dieses Gebiet hinausreichen.

El Nino beeinflusst das Wetter fast im ganzen Pazifikraum und sogar darüber hinaus. Denn die sogenannte Walker-Zirkulation bewegt großräumig Luftmassen von Ost nach West und zurück. Sind die Temperaturen im zentralen oder östlichen tropischen Pazifik durch ein El Nino besonders hoch, steigt dort die Luft stärker auf und es fällt mehr Regen. Währenddessen sinkt sie weiter westlich rund um Australien und die Inselstaaten Südostasiens, aber auch weiter östlich über Brasilien ab – es treten vermehrt Hochdrucklagen mit wenig Niederschlag und viel mehr Sonnenschein als gewöhnlich auf.

Verschiedene Spielarten von El Nino

Ozeantemperatur-Abweichungen im Pazifik im Herbst 2015
Die beobachtete El-Nino-Anomalie der Ozeantemperatur im Herbst 2015

Das letzte größere El-Nino-Ereignis 2015-2016 war ein Rekord-Ereignis und erreichte fast 3°C höhere Ozeantemperaturen, ähnlich wie zuvor das El Nino von 1997-1998. Obwohl das in diesem Jahr begonnene El Nino wohl ein wenig schwächer ausfällt, sind die Wassertemperaturen im Ostpazifik derzeit deutlich höher als 2015. Ein Grund dafür sind verschiedene Spielarten von El Nino: Es gibt El Ninos die eher im zentralen tropischen Pazifik in der Nähe der Datumsgrenze stattfinden, auch zentrales El Nino oder El Nino Modoki (japanisch für „ähnlich aber anders“) genannt. Das El-Nino-Event von 2015-2016 war ein solches.

Lese-Tipp: So kühlt der Amazonas-Regenwald das Klima

Küsten-El-Nino ist am häufigsten - hat größere Auswirkungen in Südamerika

ENSO-Zeitreihe mit La Nina und El Nino seit 1950
Zeitreihe der El Nino Southern Oscillation über mehrere Jahrzehnte bis heute

Normalerweise liegt das Maximum aber deutlich weiter östlich, vor der Küste Südamerikas, mit entsprechend größeren Auswirkungen für Südamerika. So ein Küsten-El-Nino findet in diesem Jahr statt. Bis zu sechs Grad höhere Wassertemperaturen sind schon seit März unmittelbar vor der Küste Ecuadors und Perus zu beobachten – eine sehr große Abweichung vom Normalzustand – mit großen Auswirkungen in Südamerika. Da El Nino üblicherweise erst in den Wintermonaten sein Maximum erreicht, könnte sich die Dürre im Amazonasbecken bis dahin sogar noch weiter verschärfen und auch die Regenzeit beeinflussen.

Lese-Tipp: So können Sie selbst mithelfen, den Regenwald zu retten

Der Einfluss der globalen Erwärmung

Auch die globale Erwärmung hat einen Einfluss auf die Situation im Amazonas. Zwar ist es bis heute völlig unklar, wie sich die globale Erwärmung auf ENSO bzw. El Nino auswirkt. Manche Klimamodelle prognostizieren zunehmende La-Nina-Bedingungen, andere wiederum häufigere und intensivere El Ninos. Einige Klimaforscher wie Mojib Latif sagen, dass die Klimamodelle in diesem Bereich versagen, weil sie kein eindeutiges und ein teilweise widersprüchliches Bild vermitteln. Als wahrscheinlich gilt jedoch, dass durch die globale Erwärmung El-Nino-Ereignisse stärker werden, wie in den vergangenen Jahrzehnten schon beobachtet. Ähnlich könnte es auch für La-Nina-Ereignisse gelten.

Wo die globale Erwärmung eine weitere Rolle bei der Dürre im Amazonasbecken spielt: Die globalen Temperaturen steigen bekanntlich und auch in den Tropen wird es heißer. So nimmt auch dort die Verdunstung zu, was das Wasserangebot verringert und gerade Dürrephasen verschärft – eine Tendenz, die fast überall auf der Welt zu beobachten ist. Hinzu kommt das Problem der Entwaldung, das die Trockenheit ebenfalls verschärft, da der Regenwald selbst seinen eigenen Wasserkreislauf in Gang setzt. Wird er gerodet, verschärft dies ebenfalls Dürreperioden.

Zunehmende Trockenheit kann Amazonas kollabieren lassen

Laut Klimaforschern erreicht der Amazonas möglicherweise bei etwa 20-25% Entwaldung einen Kipp-Punkt, ab welchem die Trockenheit so große Ausmaße annimmt, dass das gesamte Amazonasbecken rapide auszutrocknen droht und den Regenwald fast vollständig und unwiederbringlich absterben lassen könnte. Schon heute gibt er durch die Entwaldung – hauptsächlich Brandrodung – mehr CO2 ab, als er aufnimmt. Dabei ist der häufig als grüne Lunge der Erde bezeichnete Regenwald eigentlich eine wichtige CO2-Senke, die bisher unsere Emissionen zumindest teilweise kompensieren konnte.

Seinen Kipp-Punkt hat der Amazonas womöglich schon fast erreicht und zukünftig stärkere El-Nino-Ereignisse in Kombination mit den Folgen der Erderwärmung gefährden ihn zusätzlich. Brasiliens Präsident Lula scheint die Wende bei der Abholzung des Regenwaldes zu gelingen – im Juli wurde eine um 60 % geringere Abholzung als im Monat des Vorjahres verzeichnet – ob das allein aber genügt ist angesichts der negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung fraglich.

Lese-Tipp: Amazonas-Regenwald verliert an Widerstandskraft

Unsere Wettertrends und Themenseiten

Sollten Sie Interesse an weiteren Wetter-, Klima- und Wissenschaftsthemen haben, sind Sie bei wetter.de bestens aufgehoben. Besonders ans Herz legen können wir Ihnen auch den 7-Tage-Wettertrend mit der Wetterprognose für die kommende Woche. Dieser wird täglich aktualisiert. Falls Sie weiter in die Zukunft schauen möchten, ist der 42-Tage-Wettertrend eine Option. Dort schauen wir uns an, was auf uns in den kommenden Wochen zukommt.

Damit Sie auch unterwegs kein Wetter mehr verpassen, empfehlen wir unsere wetter.de-App für Apple- und Android-Geräte.

Klima-Rekorde - Ist Deutschland noch zu retten? Die Doku im Online Stream auf RTL+

(ukr)