Korallenbleiche, Fischsterben, Starkregen, Hurrikane

Die Meere sind so warm wie nie: Mit diesen Folgen müssen wir rechnen

von Oliver Scheel

Unsere Meere sind seit einem Jahr auf Rekordkurs, was die Temperaturen betrifft. Hinter der Anomalie stecken das Klimaphänomen El Nino und der menschengemachte Klimawandel. Die Folgen werden wir bald spüren – und sie können drastisch für uns Menschen und die gesamte Natur sein.
Im Video: Kein Winter im Rekordjahr 2023

Die Ausgangslage: Warum werden die Meere immer wärmer?

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Die schleichende Erwärmung der Meere Quelle: Statista.de

Unsere Meere sind der wichtigste Klimapuffer, den wir haben. Sie nehmen rund 90 Prozent der überschüssigen Wärme auf, die wir Menschen durch die CO2-Emissionen in die Welt blasen. Außerdem erwärmen sich Meere sehr viel träger, als die Luft es tut. Temperatursprünge sind daher viel drastischere Ereignisse als bei den Lufttemperaturen.

So viel zu den Grundlagen. Nun werden unsere Meere immer wärmer, wie die Grafik zeigt. Der Trend ist klar: Es geht nur nach oben – mal schneller, mal langsamer. Das hat auch mit El Niño zu tun. Denn bei diesem Phänomen wird Wärme aus den Meerestiefen im Pazifik nach oben gepumpt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn El Niño hat wenig mit der aktuellen Erwärmung des Nordatlantiks zu tun.

„Wenn man sich anguckt, wie die Temperaturentwicklung in den Ozeanen war, kann man sehen, dass die derzeitige Erwärmung weit außerhalb der natürlichen Schwankungen liegt“, sagte Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Ozeane sind ein verdammt guter Indikator für die Klimaerwärmung. Es ist völlig klar, dass sich die Meere erwärmen, wenn sich die Erde weiter erwärmt“, analysierte der Ozeanforscher Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Dazu kommt das paradoxe Phänomen, dass die Schiffsemissionen seit 2020 strengeren Vorschriften unterliegen. Es werden also weniger Schwefelverbindungen in die Luft geblasen, die einen kühlenden Effekt auf das Klima hatten.

Der größte Faktor der Erwärmung ist aber der durch menschengemachte Treibhausgase bedingte Klimawandel. Die Konzentrationen der Haupttreibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas in der Atmosphäre erreichten 2022 laut Weltwetterorganisation Rekordwerte seit Beginn der Messung.

Was kann nun passieren? Hurrikane, Starkregen, Fischsterben

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Die Meeresoberflächentemperatur steigt, die Meere werden immer wärmer. Grafik: n-tv.de, Quelle: NOAA

2024 könnte das heißeste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn werden. Darauf deutet vieles hin. Auch, weil El Niño noch in vollem Gange und ist der Klimawandel weiter voranschreitet. Immerhin scheint sich El Niño im Laufe des Jahres abzuschwächen und seine etwas kühlere Schwester La Niña übernimmt.

Dennoch ist klar, dass unser Wetter mehr Energie bekommt. Denn warmes Wasser kann mehr Energie aufnehmen. Der Atlantik ist in der Lage, kräftigere Stürme und mehr Regen zu produzieren. Und das hat er diesen Winter schon gemacht, denken wir nur an die Sturmserie mit Orkan Dagmar, Sturm Margit und Orkan Ingunn, die vor allem über Norwegen zogen und dort nie dagewesene Windgeschwindigkeiten brachten. Für die anstehende Hurrikan-Saison in Nordamerika sind die Zutaten bereitgelegt für Stürme, die wir noch nicht gesehen haben. Klimaforscher schlagen schon eine neue Hurrikan-Skala vor.

Und die Folgen für Mensch, Tier und Natur?

HANDOUT - 28.02.2024, Australien, Reiherinsel: Gebleichte Korallen stehen bei Heron Island vor Queensland. Im Great Barrier Reef zeigt sich auf neuesten Bildern ein schwere Korallen-Bleiche, die Schäden auf einer Länge von mehr als 1100 km zeigen. Foto: Diana Kleine/Divers for Climate via AAP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++
Die aktuelle schwere Korallen-Bleiche im Great Barrier Reef

Die Folgen sind kaum auszumalen. Und zum Teil erleben wir sie auch schon wie die Stürme. In Italien brachen kürzlich Strände weg, die Niederschläge spülten tonnenweise Sand schlichtweg ins Meer.

Es gibt aber noch viel tiefgreifendere Folgen als ein Strand, der nicht mehr da ist. Die Erwärmung der Ozeane bringt unzählige Nahrungsketten und -netzwerke durcheinander. „Das hat Folgen nicht nur für die Meereslebewesen, sondern auch auf die Fischerei und damit auch die Ernährung der Menschen“, sagt Levermann. Laut WWF gelten rund 800 Millionen Menschen weltweit als abhängig von Fang, Produktion, Verarbeitung und Verkauf von Fisch und Meeresfrüchten, vor allem in den Entwicklungsländern. Hier drohen also neben Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger auch neue Migrationsbewegungen.

Warmes Wasser kann außerdem weniger Sauerstoff aufnehmen, es gibt bereits jetzt große Todeszonen in den Weltmeeren. Sinkt der Sauerstoffgehalt weiter, wird den Meeresbewohnern die Luft zum Atmen knapp.

Und wir können jetzt schon zuschauen, wie sich unsere Korallen verabschieden. Die aktuelle Korallenbleiche am größten Riff der Welt, dem australischen Great Barrier Reef, zeigt einen bleichen Gespensterwald, der sich über 1.100 Kilometer erstreckt. Eine marine Hitzewelle setzt den Korallen zu. Korallen sind eine wesentliche Grundlage für das maritime Leben in den Tropen. Ohne Korallen nimmt die Artenvielfalt in den Meeren rapide ab.

Was, wenn der Golfstrom verschwindet? Atlantik-Kollaps könnte schon sehr nah sein

Und das Wasser steigt

18.11.2019, Italien, Venedig: Touristen stehen auf dem überschwemmten Markusplatz. Der Hochwasserstand hat heute eine neue Spitze erreicht. Venedig ist zum dritten Mal innerhalb einer Woche überflutet worden. Am Sonntag sei das Wasser auf 150 Zentimenter über den normalen Meeresspiegel gestiegen, erklärte Bürgermeister Brugnaro. Foto: Claudio Furlan/LaPresse via ZUMA Press/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Überschwemmungen in Venedig 2019. Wenn der Meeresspiegel weiter steigt, sind viele Millionenmetropolen bedroht.

Ozeanforscher Latif wies darauf hin, dass Starkregen häufiger werden könnte, weil mehr Wasser verdunstet und wärmere Luft mehr Wasserdampf halten kann, der irgendwann als Niederschlag herunterkommt.

Lange Zeit ein Schattendasein führte der unterschiedliche Salzgehalt der Meere. Dieser ist aber ein entscheidender Faktor bei der Meereszirkulation. Wissenschaftler stellten fest, dass durch den vielen Regen und die schmelzenden Gletscher relativ salzarmes Wasser noch süßer wird und ohnehin schon salziges wie das Mittelmeer durch die hohe Verdunstung noch salziger. Die Konsequenzen sind noch unklar. Großes Aufsehen erregte die Studie über einen möglichen Kollaps des Golfstroms, der Europa zurück in die Eiszeit werfen würde.

Und noch was: Warmes Wasser dehnt sich aus. So trägt ein warmes Meer noch mehr zum Anstieg des Meeresspiegels bei als ein kälteres. Ein Drittel bis die Hälfte des jetzt zu verzeichnenden Anstiegs ist auf die Ausdehnung des Meeres durch die hohen Temperaturen zurückzuführen. „Am Anfang des letzten Jahrhunderts hatten wir rund einen Zentimeter pro Jahrzehnt Meeresspiegelanstieg, am Anfang dieses Jahrhunderts rund drei und jetzt schon etwa fünf“, so Forscher Levermann vom PIK.

Die Lösung ist so simpel: Wir müssen aufhören, fossile Energien zu verbrennen. Dann hat unser marines Leben noch eine Chance. Und mit ihm das Überleben der Menschheit.

Steigender Meeresspiegel: Fidschi-Dorf versinkt im Wasser

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(osc)