Klimaforscher schlagen neue Kategorie vor
Immer mehr „Superstürme“: Muss die Hurrikan-Skala erweitert werden?
In einer neuen Untersuchung zur Stärke von tropischen Wirbelstürmen kommen Klimaforscher zum wenig überraschenden Schluss, dass die Häufigkeit extremer Hurrikane zunimmt. Immer öfter gibt es Stürme, für die wegen der extremen Windgeschwindigkeiten eigentlich eine neue Kategorie nötig wäre.
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Warum Hurrikane immer stärker werden

Die Entstehung von tropischen Wirbelstürmen hat sehr viel mit der Temperatur des Ozeans zu tun. Denn sie beziehen ihre Energie vor allem aus hoher Verdunstung bei hohen Wassertemperaturen, darum treten sie vor allem in Regionen mit Wassertemperaturen über etwa 26 Grad auf.
Aber auch die Temperaturen und Windverhältnisse in großen Höhen – genauer: nahe der Tropopause – sind für ihre Entstehung und ihre Stärke wichtig. Denn bei besonders niedrigen Temperaturen in großer Höhe kann die Wärme aus dem Oberflächenwasser effektiver freigesetzt werden.
Was auf den ersten Blick paradox erscheint: Ist es am Boden besonders warm, führt das unter anderem wegen einer sehr grundlegenden Beziehung zwischen Luftdruck und Temperatur dazu, dass es in größerer Höhe besonders kalt werden kann. So sind in den Tropen Temperaturen von -80 Grad am oberen Rand der Wetterschicht (der Troposphäre) keine Seltenheit. Bei starken Hurrikanen kommen durchaus auch -90°C vor. Denn Stürme und Gewitter können dort wegen der hohen Temperaturen am Boden besonders große Höhen erreichen und die Luft kann sich beim Aufsteigen darum besonders stark abkühlen. In Deutschland liegen die Temperaturen am oberen Rand sehr starker Gewitter meistens nur bei etwa -60 bis maximal -70°C.
Temperaturdifferenzen für Sturmentwicklung entscheidend

Die vor allem auch in den Tropen immer höheren Ozean- und Bodentemperaturen sorgen so nicht nur dafür, dass den Gewittern und Stürmen dort immer mehr Energie zur Verfügung steht. Der Temperaturunterschied zwischen der Erdoberfläche und hohen Luftschichten nimmt auch durch die Abkühlung hoher Luftschichten wegen der Klimaerwärmung zu und damit auch das Potenzial für noch stärkere Stürme.
Neue Kategorie für extreme tropische Wirbelstürme erforderlich?

Es gibt verschiedene Methoden, um die Stärke von tropischen Wirbelstürmen zu bestimmen. Häufig wird die sogenannte Saffir-Simpson-Skala benutzt, die sich nach den maximalen Windgeschwindigkeiten über die Dauer von mindestens einer Minute richtet. Als Hurrikan der Kategorie 1 wird ein Sturm bezeichnet, der Windstärken von 119 km/h überschreitet, ähnlich wie ein Orkan in Deutschland. Die höchste Kategorie 5 wird erreicht, wenn die Windgeschwindigkeiten 252 km/h überschreiten. Schon das ist äußerst zerstörerisch und hinterlässt oft extreme Verwüstungen.
In den vergangenen Jahren gab es jedoch immer öfter Stürme, die noch weit höhere Windgeschwindigkeiten erreichten, wie etwa 2015 Hurrikan Patricia mit maximalen Windgeschwindigkeiten von unglaublichen 345 km/h. In einer neuen Studie ermittelten die US-Klimaforscher Michael Wehner und James Kossin, dass das Risiko für solche extremen Stürme sich in vielen tropischen Regionen wie der Karibik und Südostasien seit 1979 bereits mehr als verdoppelt hat und deshalb eine neuerliche Diskussion darüber geführt werden sollte, ob die Einführung einer sechsten Kategorie sinnvoll wäre.
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Idee nicht ohne Kritik, aber Diskussion auch in Deutschland
An dieser Idee gibt es auch Kritik, derer sich die Studienautoren durchaus bewusst sind und deshalb soziologische Studien zu dem Thema vorschlagen. Denn einerseits sollte vermittelt werden, dass solche „Superstürme“ noch größere Zerstörungskraft als ein Kategorie-5-Hurrikan entfalten können, andererseits sind schon Kategorie-5-Stürme äußerst gefährlich und hinterlassen oft Verwüstungen, die ohnehin kaum noch zu steigern sind.
Außerdem ist die Windgeschwindigkeit neben dem Luftdruck im Zentrum eines Wirbelsturms, seiner Größe, den Sturmfluten und Extremniederschlägen nur einer von mehreren Faktoren, die die Stärke eines tropischen Wirbelsturms ausmachen.
Auch in Deutschland gibt es gelegentlich eine ähnliche Diskussion über die Einführung höherer Beaufort-Werte. 1946 wurde die Beaufort-Skala auf 18 Stufen erweitert, aber 1970 von der WMO wieder zu der zwölfstufigen Skala zurückgekehrt. Damit ist ähnlich wie bei den Kategorie-5-Hurrikanen bei Windstärke 12 Schluss und alles, was darüber liegt, wird einfach als Orkan bezeichnet. Bei sehr hohen Windgeschwindigkeiten manchmal auch mit dem Zusatz „schwer“ oder „extrem“. Zwar sind deutlich höhere Windgeschwindigkeiten selten und treten häufiger nur im Hochgebirge oder auf hoher See auf, doch ob sich das angesichts der globalen Erwärmung nicht ändern könnte bleibt abzuwarten.
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(ukr)