Neue "Qualität" der Klimakrise

Folgenschwer: Nordatlantik und Weltmeere mit Temperaturrekorden

von Paul Heger

Seit dem Frühjahr 2023 sind die Weltmeere so warm wie nie seit Aufzeichnungsbeginn. Auch der Nordatlantik meldet neue Rekorde. Die Meere und Ozeane sind der wichtigste Puffer im Klimasystem und geraten selbst immer mehr aus dem Lot. El Nino und weitere Effekte könnten Wetter-Systeme auf der ganzen Welt wie auch bei uns in Europa und Deutschland ins Wanken bringen.
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Globale Temperaturrekorde durch Klimawandel und El Nino

Global gemittelte Meeresoberflächentemperatur seit 1981 mit Rekordwerten seit März 2023.
Seit März befindet sich die global gemittelte Meeresoberflächentemperatur auf Rekordniveau - und das mit deutlichem Abstand zu den alten Höchstwerten. Der Klimawandel ist dabei, einen neuen, großen Sprung zu machen.

Es ist eine weitere leise, quasi unsichtbare Eskalation des Klimawandels. Seit März dieses Jahres liegt die globale, durchschnittliche Temperatur aller Meeresoberflächen auf Rekordniveau. Seit 1981 werden die Temperaturen in dieser Art global erfasst. Auch aktuell liegen wir extrem weit oberhalb der alten Höchstwerte.

Der Klimawandel allein ist nicht schuld daran aber ein wesentlicher Faktor. Die immer wärmer werdende Atmosphäre gibt einen riesigen Teil ihrer Energie in die Meere ab, welche sich erwärmen. Wasser kann dabei gut vier Mal so viel Energie aufnehmen wie Luft, um sich um 1 Grad zu erwärmen. Damit findet der mittels Temperatur gemessene Klimawandel in den Ozeanen verzögert statt. Gleichzeitig steckt ein Großteil der Klimawandelenergie in den Meeren – rund 90 Prozent!

Genau diese gigantischen Energiemengen schwappen mit dem ENSO-Phänomen (El Nino Southern Oscillation) durch den Pazifik. Es gibt dabei zwei Phasen: In manchen Jahren gibt es vor Südostasien und im Tiefenwasser höhere Temperaturen als normal, in anderen eher auf dem offenen Pazifik, vor Südamerika und eben an der Meeresoberfläche. Letzteres ist beim sich aktuell entwickelnden El Nino der Fall. Dadurch wird plötzlich ein Großteil der im Meer gespeicherten „Klimawandel-Energie“ sichtbar und aus der natürlichen Schwankung der Temperaturen werden neue marine Hitzerekorde. Mit der extremen Höhe der neuen Rekorde, könnte man den derzeiten Zustand als „Klimakrise 2.0“ bezeichnen.

Klimakrise in Zahlen: Nordatlantik-Temperatur pulverisiert alte Rekorde

Der Nordatlantik ist so warm wie noch nie zu dieser Jahreszeit. Seit März sind wir auf Rekordniveau mit deutlichem Abstand zu den alten Höchstwerten. Vor allem vor den Küsten Europas sind de Temperaturen extrem hoch, wie diese Darstellung der Temperaturabweichungen vom 13. Juni 2023 im Vergleich zu einem Mittelwert von 1971 bis 2000 zeigt.
Der Nordatlantik ist so warm wie noch nie zu dieser Jahreszeit. Seit März sind wir auf Rekordniveau mit deutlichem Abstand zu den alten Höchstwerten. Vor allem vor den Küsten Europas sind de Temperaturen extrem hoch, wie diese Darstellung der Temperaturabweichungen vom 13. Juni 2023 im Vergleich zu einem Mittelwert von 1971 bis 2000 zeigt.

Erstaunlich ist, dass auch der Nordatlantik aktuell alte Rekorde förmlich pulverisiert. Auch hier zeigen sich bereits seit März neue Höchstwerte, die ihren Abstand zu den alten Rekorden derzeit sogar noch vergrößern. Auch das kann mit Fernwirkungen von El Nino in Verbindung gebracht werden.

Aber auch eine geringere Luftverschmutzung durch neue Treibstoffvorgaben im Schiffverkehr könnten damit in Verbindung stehen. Ist die Luft sauberer, kommt mehr Sonnenstrahlung direkt bis zum Meer, welches sich stärker erwärmt. Hinzu kommen seit einiger Zeit ungewöhnlich schwache Passatwinde an der Südgrenze des Nordatlantiks. Damit gelangt weniger Saharastaub in die marinen Regionen, was wieder Sonnenstrahlung zur Folge hat. Gleichzeitig wird das Meer nicht mehr so gut umgewälzt und die oberen Wasserschichten erwärmen sich stärker.

Folgen für das Wetter in Deutschland und das Weltklima

Gewitterstimmung, Sonnenuntergang Gardasee, Gewitterstimmung, Wolken, Gewitter, Sonnenuntergang Abendstimmung Gardasee, 18.12.2020, Copyright: xemerx Panthermedia29142230.jpg
Wärmere Meere produzieren feuchtere, schwülere Luft. Das kann zu heftigeren Regengüssen führen. (Symbolbild: Gitterstimmung am Gardasee)

Die deutlich wärmeren Meeresoberflächen geben einen Teil ihrer Energie in der kommenden Zeit wieder an die Atmosphäre ab. El Nino-Jahre sind grundsätzlich global immer warme Jahre. Diesmal drohen neue globale Temperaturrekorde. Vermutlich überschreiten wir in den kommenden Jahren auch das erste Mal die 1,5 Grad-Grenze – also 1,5 Grad Temperaturabweichung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Der wärmere Nordatlantik dürfte sich auch bei uns in Deutschland bemerkbar machen. Wärmeres Wasser verdunstet besser, womit die Luft über dem Wasser feuchter wird. Diese feucht-warme und damit sehr energiereiche Luft kann schon in den kommenden Wochen bei uns für intensivere Gewitter sorgen. Je feuchter die Luft, desto heftigeren Starkregen können wie beispielsweise bekommen.

Ein wärmerer Nordatlantik könnte durch die feuchtere und damit labilere Luft eventuell mehr Tiefs produzieren. Tiefs über dem Atlantik bringen uns eher südwestliche und warme bis heiße Strömungen. Je nach genauer Lage eines solchen Tiefs, würde auch diese Wetterlage heftige Gewitter bringen können. Selbst Hurrikane wie Ophelia im Jahr 2018 könnten durch die höheren Wassertemperaturen noch näher an Europa heranrücken und noch heftiger wüten. Im Herbst und Winter würden Westwinde ungewöhnlich milde Luft bringen.

Gefährliche marine Hitzewellen

Fischsterben durch zu warmes Wasser. Fish mortality through too warm water.
Wird der Lebensraum der Meeresbewohner zu warm, droht ihnen der Tod. Vor allem die schnellen Erwärmungen durch marine Hitzewellen sind sehr gefährlich.

Während bei den Auswirkungen auf das Wetter viele Fragezeichen im Raum stehen, gibt es bei den Auswirkungen auf die Tierwelt ein großes, rotes Ausrufezeichen. Durch diese marinen Hitzewellen kann es für bestimmte Fischarten viel zu warm werden. Ein Massensterben droht.

Auch Seegraswiesen können absterben und ganze Nahrungsketten können zusammenbrechen. Wieder sind Fischpopulationen betroffen. Ähnlich wie Seegraswiesen sind außerhalb der Tropen Tangwälder vom Absterben bedroht. In den letzten Jahrzehnten wurde häufig von der Korallenbleiche berichtet. Auch dieses Erkranken bis Sterben der Korallen liegt zum Teil an zu hohen Wassertemperaturen.

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(phe)