Besorgniserregende Entwicklung
Marine Rekord-Hitze könnte Unwetter-Katastrophen im Herbst bringen
Das Mittelmeer ist so warm wie nie, der Atlantik ist ebenfalls extrem warm. Das im Wasser gespeicherte Energie-Plus droht im Herbst heftige Unwetter auszulösen, wie schon die Katastrophen des letzten Jahres zeigten. Auch Deutschland könnte im Fokus stehen.
Im Video: Wie schon jetzt heftige Stürme am Mittelmeer wüten
Extremes Energie-Reservoir in den Meeren Europas

Etwas zugespitzt ausgedrückt: Die Meere um uns herum kochen. Der Temperaturen im Nordatlantik stellten seit 2023 immer wieder neue Rekorde auf. Aktuell hat sich der Atlantik von diesem Niveau nur unwesentlich entfernt. Das Mittelmeer verzeichnete ebenfalls schon im vergangenen Jahr einen Allzeit-Rekord und legte vor kurzem sogar nochmal nach.
Die Meere sind riesige Energiespeicher. Anders als Luft, kühlt sich Wasser viel langsamer ab. Das hängt mit der unterschiedlichen Speicherfähigkeit zusammen. Sie ist im Vergleich zu Luft bei Wasser gut vier Mal so hoch. Es braucht damit vier Mal so viel Energie, um Wasser um 1 Grad zu erwärmen. Gleichzeitig speichert Wasser diese Energie deutlich länger und kann sie folglich auch länger abgeben, während Luft schon deutlich kühler ist.
Dampfende Meere „heizen“ Unwettergefahr auf

Im Herbst kommt beides zusammen. Aus Norden stoßen die kühleren, teils schon frühwinterlichen Luftmassen immer weiter nach Süden vor. Das Mittelmeer hat im September im Schnitt der letzten Jahrzehnte noch gut 24 Grad, im Oktober rund 22 Grad. Im letzten Jahr waren es allerdings 2 bis 3 Grad mehr.
Die größeren Kontraste können massive Unwetterlagen auslösen. Das Meer wärmt von unten die Luft und versorgt sie durch eine gleichzeitig größere Verdampfung mit mehr Wasserdampf als üblich. Die Luft in höheren Schichten ist aber kalt. Das macht die Atmosphäre sehr instabil. Gewaltige Gewitter mit Starkregen und Sturmböen können entstehen und sich auch zu Medicanes organisieren – quasi eine Art mediterrane Hurricanes.
Die Katastrophen von 2023 unterstreichen die Sorgen vor dem Herbst 2024

Von der Theorie zur Realität. Die nähere Vergangenheit liefert genügend Beispiele für die Auswirkungen aufgeheizter Meere. Eine der Folgen des warmen Atlantiks mit Unterstützung eingefahrener Wetterlagen waren beispielsweise die zwölf regenreichsten Monate in der erfassten deutschen Wettergeschichte. Auch dass es 2024 temperaturtechnisch wieder auf Rekordkurs ist, liegt maßgeblich mit an der hohen Luftfeuchtigkeit – erzeugt durch die stärker dampfenden Meere. Feuchtere Luft kühlt langsamer aus. Es sind die milden, teils extrem warmen Nächte, weniger die extreme Hochsommerhitze tagsüber, welche das Temperaturmittel nach oben treiben.
Am Mittelmeer gab es in 2023 ein großes medicane-ähnliches Sturmtief, welches von Spanien bis Italien und Nordafrika für Unwetter sorgte. Ein anderes heftiges Unwettertief pulverisierte mit gut 1000 Litern Regen in kurzer Zeit in Griechenland sämtliche Rekorde und sorgte für extreme Überflutungen. Das gleiche Tief kostete wenig später viele Menschen in Libyen das Leben durch Sturzfluten. Und selbst bei uns fachte die warme Ostsee ein Sturmtief mit Rekord-Sturmhochwasser in Schleswig-Holstein an.
Klare Modell-Signale, unklare Entwicklung

Die Ausgangslage bringt ganz klar ein deutlich erhöhtes Unwetterpotential mit sich. Der Blick zurück zeigt, was das konkret bedeuten kann. Der Blick nach vorn ist trotzdem vage. Wir können aktuell noch keine konkreten Sturmtiefs und Unwetter für den Herbst vorhersagen. Wir können aber die experimentellen Langfristmodelle hinsichtlich der durchschnittlichen Witterung befragen.
Die Berechnungen des amerikanischen Wetter- und Klimadienstes NOAA legen nahe, dass im September tatsächlich verhältnismäßig kühle Luft über Westeuropa zum Mittelmeer strömen könnte. Das Resultat ist ein deutliches Niederschlagsplus, vor allem am westlichen und zentralen Mittelmeer. Die Berechnungen des Europäischen Langfristmodells sind sich da noch nicht ganz sicher. In welche Richtung es geht, scheint sich in den nächsten ein bis zwei Wochen zu entscheiden, da eine Weichenstellung der europäischen Wetterlage aussteht. Nur mit „passender“ Wetterlage, die kühle Tiefs gen Süden schickt, wird das Potential des warmen Mittelmeeres auch abgerufen.
Der Blick weiter in den Herbst hinein zeigt bei der NOAA schwindende Signale der übermäßigen Regenproduktion am Mittelmeer. Nur am zentralen Mittelmeer scheint es noch etwas nasser als normal sein zu können. Eine Entwarnung ist das allerdings nicht, erst recht nicht für Deutschland.
Gefahr von heftigen Stürmen und Starkregen in Deutschland
Irgendwo wird es sicherlich extrem. Das Energiepotential wird ausgeschöpft werden – nur wo und wann? Wenn die Wetterlage die Mittelmeerregionen vor Unwettertiefs schützt, ziehen die Tiefs über Nord- und Mitteleuropa hinweg. Je nach Zugbahn können sie dabei die Mittelmeerfeuchtigkeit anzapfen, die dann bei uns abregnet. Das Juni-Hochwasser in Süddeutschland zeigte, wie schnell das gehen kann.
Gleichzeitig dürfen wir den Atlantik nicht vergessen. Der Nordatlantik ist zwar nicht so warm wie das Mittelmeer, die Kaltluft von Norden ist aber umso kälter und damit ist das Potential für regenreiche Stürme und Orkane groß.
Diese Variante der längerfristigen Wetterentwicklung deutet sich in den Berechnungen des europäischen Langfristmodells EFFIS an. Und ab Oktober tendieren auch die Amerikaner in diese Richtung. Das reicht bis tief in den Winter hinein und würde grob den Witterungsverhältnissen des letzten Winters entsprechen. Und was passierte da? Genau, es gab Dauerhochwasser in einigen Regionen Norddeutschlands und Skandinavien wurde von den Orkanen Dagmar und Ingunn heimgesucht, die Rekorde aufstellten und große Schäden verursachten.
(phe)