Wieviel Klimawandel steckt in unserem Wetter?

Hitzewellen, Dürre und Waldbrände: Ist das jetzt die Klimakrise?

von Oliver Scheel

Dieser Sommer erwischt uns mit aller Härte. Einmal mehr. 2018 und 2019 plagten uns die Hitze und die Trockenheit, 2021 die Regenfälle. Temperaturen von 40 Grad bis in den hohen Norden, Waldbrände, die anhaltende Trockenheit, die selbst große Flüsse wie den Rhein glatt halbieren, kommen noch hinzu: Der Sommer 2022 steht im Zeichen der Klimakrise, das ist gewiss.

Die Frage: „Ist das jetzt der Klimawandel“ wird nun häufiger gestellt und endet oft in einer emotionalen Debatte. Wir wollen an dieser Stelle dieses Thema möglichst sachlich angehen. Was wissen wir über den Klimawandel, welche Szenarien ermöglichen oder verstärken die Erderwärmung und mit was müssen wir rechnen, wie können wir uns schützen? Und was bedeutet eigentlich Attributionsforschung und kann sie uns beim Erklären helfen? Gehen wir’s an.

Alle News rund um das Thema Klima und Klimakrise

Mit unseren „Klima Update“-Sendungen immer informiert sein

Was macht Attritutionsforschung?

 July 28, 2022, Niardo: The damages due to bad weather with the flooding of the Re torrent, in Niardo Brescia, Italy, 28 July 2022. ANSA / FILIPPO VENEZIA Niardo - ZUMAa110 20220728_zaf_a110_007 Copyright: xFilippoxVeneziax
Fast täglich erreichen uns Bilder von Extremwetter-Ereignissen. Diese sind eindeutig der Erderwärmung zuzuordnen. Hier ein Bild vom 28. Juli aus Niardo, in Italien nach einem Starkregen-Ereignis.

Um es kurz und einfach zu halten: Mit Attributionsstudien lässt sich einordnen, inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel für das Auftreten einzelner Wetterextreme verantwortlich ist. Dazu benutzen die Forschenden Modellsimulationen des Klimas mit und ohne anthropogenen, also menschlichen, Einfluss.

Die Frage „sind wir Menschen schuld?“ lässt sich selten eindeutig beantworten. Doch oft hat der menschengemachte Klimawandel einen deutlichen Einfluss darauf, wie intensiv ein Wetterextrem ausfällt und wie häufig es vorkommt.

Dazu die Attributionsforscherin Friederike Otto vom Imperial College in London: „Attributionsforscher finden heraus, ob und wenn ja wie sehr der menschengemachte Klimawandel die Intensität und Häufigkeit bestimmter Wetterereignisse verändert – jetzt und in der Zukunft. Aber vor allem jetzt, denn der Klimawandel ist hier und ob er in der Zukunft ähnlich wie jetzt ist oder schlimmer wird, hängt davon ab, wie viele Treibhausgase wir in Zukunft emittieren.“

Friederike Otto im wetter.de-Interview: „Klimaschutz darf weh tun, Veränderungen tun immer irgendwem weh. Aber Nichtstun tut sehr vielen Menschen sehr viel mehr weh.“

Hitzewellen werden häufiger, heftiger und dauern länger

 Die Ahrmündung in Sinzig, nahe Remagen am Rhein. Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal zeigt sich an der Ahr ein erstaunlicher Gegensatz. Aufgrund der anhaltenden Hitze und Trockenheit am bislang heißesten Tag des Jahres in Deutschland ist die
Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal zeigt sich dort heute ein ganz anderes Bild. Die Hitze und der fehlende Regen haben den Fluss sehr klein gemacht.

Zunächst mal: Die Erderwärmung ist Fakt, je mehr Treibhausgase wir der Atmosphäre zuführen, umso wärmer wird es bei uns. Und mit der Erderwärmung steigt die Zahl der Wetterextreme. Manche Extremwetter wie die pazifische Hitzewelle 2021 in Kanada wären ohne menschliches Zutun überhaupt nicht möglich gewesen.

Bei Hitze sind die Zusammenhänge recht einfach und offensichtlich. „Hitzewellen sind mittlerweile sehr leicht zu attribuieren – also dem Klimawandel zuzuordnen –, da fast immer ein klares Änderungssignal in den Daten zu finden ist“, sagt Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Uni Leipzig.

„Sowohl terrestrische als auch marine Hitzewellen kommen wegen des Klimawandels wesentlich häufiger vor und sind wesentlich intensiver. Solange die Treibhausgas-Emissionen nicht auf null sind, werden sich Hitzewellen in Zukunft immer weiter verstärken und immer häufiger vorkommen“, erklärt Jakob Zscheischler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig.

Otto nennt den Klimawandel einen „absoluten Game Changer: Das, was früher seltene Ereignisse waren, sind jetzt gewöhnliche Sommer. Das, was ohne Klimawandel unmöglich gewesen wäre, sind jetzt die neuen Extremereignisse.“

Denn: Ein Anstieg der Erdmitteltemperatur um 1 Grad macht Hitzewellen um mehr als 1 Grad wärmer.

Energiewende bringt gute Chancen für neue Jobs in der Technologiebranche

Starkregen: Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen

Starkregenereignisse nehmen ebenfalls zu und auch das lässt sich einfach und logisch mit der erhöhten Temperatur erklären: „Für Starkniederschläge wissen wir auch recht gut, dass sie durch eine Erhöhung der mittleren Temperatur intensiver und häufiger werden, da eine wärmere Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen kann, welches dann bei einem Niederschlagsereignis als Regen fällt“, so Zscheischler

Bestes Beispiel ist natürlich die Ahrflut aus dem Sommer 2021, aber auch die sintflutartigen Regenfälle aus dem Stubaital aus den vergangenen Tagen.

Wissenswert ist, dass nach der „Clausius-Clapeyron-Gleichung“ eine ein Grad höhere Temperatur eine sieben Prozent höhere Wasseraufnahmefähigkeit der Luft mit sich bringt. Wenn es also regnet, kommt in einer wärmeren Atmosphäre mehr Wasser vom Himmel. Bei 2 Grad Erwärmung nimmt die Niederschlagsmenge um 14 Prozentpunkte zu, außerdem steigt mit zunehmender Temperatur die Wahrscheinlichkeit an, wie oft der Starkregen uns ereilt.

Trockenheit und Dürre: Alles hängt mit allem zusammen

 Düsseldorf 20.07.2022 Hausboot Bootshaus Bottke Niedrigwasser Regen fehlt niedriger Wasserstand Rhein bei Volmerswerth Gewässer Rheinpegel Wasserpegel Trockenperiode Trockenheit Wasservorräte Grundwasser Wassermangel Trinkwasser Wasserstand Regenman
Trockenheit überall - auch auf dem Rhein. Hier ein trockengefallener Teil bei Volmerswerth in Düsseldorf.

Beim Thema Trockenheit oder Dürre ist es nicht ganz so einfach. Hier spielen weitere Faktoren außer der Erderwärmung eine durchaus entscheidende Rolle. Zum Beispiel die Wasserentnahme und die Versiegelung.

Dennoch liegt es auf der Hand, dass höhere Temperaturen Trockenheit begünstigen. Denn: „Für Trockenheit spielt auch Verdunstung eine sehr große Rolle. Der atmosphärische Verdunstungsbedarf nimmt mit einer Temperaturerhöhung zu, da wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann“, sagte Sebastian Sippel von der Technischen Hochschule in Zürich.

„Mehr Hitze sorgt für mehr Verdunstung und somit bei gleichbleibendem Niederschlag für trockenere Böden. Selbst mehr Niederschlag in Summe muss nicht weniger Dürre bedeuten, da die Anzahl trockener Tage zunimmt – bei gleichzeitiger Zunahme der Niederschlagsintensität, wenn es mal regnet. Die Gefahr, dass die Sommer zusätzlich sogar regenärmer werden, steigt insbesondere in Ostdeutschland weiter an“, so Haustein von der Uni Leipzig.

Die Energiewende kostet Geld – aber alles andere wird noch teurer

Tatsächlich sind die Niederschlagsmengen regional unterschiedlich. In Europa verzeichnen wir geringere Niederschläge. Laut Daten des Helmholtz-Instituts waren schon vor der extremen Hitzewelle große Teile Deutschlands zu trocken. Auch Spanien gehört zu den Verlierern, da regnet es signifikant weniger. In Deutschland fällt tendenziell im Winter mehr Regen als früher, dafür werden die Sommer trockener.

Und jeder Quadratmeter, den wir versiegeln, verschärft das Problem. Das Wasser fließt dann zu schnell ab, kann vom trockenen Boden nicht aufgenommen werden. Das erhöht die Gefahr für Schäden bei Starkregen. Und fehlender Regen belastet auch unsere Flüsse. Bei Niedrigwasser kommen Lieferketten wiederum an ihre Grenzen, wenn Schiffe nur noch mit wenig Ladung oder gar nicht mehr fahren können. Und wir sollten immer daran denken, dass die Energieversorgung in Deutschland das meiste Wasser benötigt. Kohle- und Atomkraftwerke brauchen Unmengen an Wasser. Hier ist die Diskussion über Laufzeitverlängerung von Kohlekraftwerken und AKW schnell am Ende. Nämlich dann, wenn das Kühlwasser fehlt.

Was ist eigentlich Trockenheit und was ist Dürre?

Und die Brände? Auch hier spielt die Klimakrise mit

21.07.2022, Ungarn, Kiskunhalas: Rauch und Flammen steigen auf aus einem Waldgebiet in der Nähe von Kiskunhalas. Das durch Trockenheit und sengende Hitze ausgelöste Feuer hat eine Fläche von 200 Hektar des Mischwaldes aus Laub- und Nadelbäumen verbra
Hitze begünstigt Waldbrände. Bei einer Kombination mit einer Abnahme des Niederschlags steigt das Waldbrandrisiko.

Die Bedingungen in Europa begünstigen Waldbrände. Das hat auch mit der Zunahme der Temperatur zu tun. Und natürlich mit ausbleibenden Regenfällen ausgerechnet in der wärmsten Zeit des Jahres.

„Feuerwetter besteht im Wesentlichen aus hohen Temperaturen, wenig Niederschlag und Wind. Auch wenn Änderungen in den beiden letzten Komponenten oft gering sind, ist die Waldbrandgefahr allein durch den dramatischen Anstieg extremer Hitze deutlich gestiegen, und zwar fast überall. Im Mittelmeerraum besonders stark, da dort eine Abnahme des Niederschlags hinzukommt“, so die Extremwetterforscherin Otto.

Earth Overshoot Day: Am 28. Juli waren alle Ressourcen für 2022 weg

Was müssen wir also tun?

Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, die Klimakrise ist da und sie richtet jetzt schon große ökologische und wirtschaftliche Schäden an. Deshalb müssen wir so schnell wie möglich raus aus den fossilen Energieträgern und rein in die Erneuerbaren.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Konzepte, wie wir uns schützen können. Vor allem Städte benötigen Konzepte gegen die Hitze, denn Hitze ist ein absolut tödliches Wetterphänomen. Wasseroasen oder das Schwammstadt-Konzept können hier Linderung schaffen.

Lesen Sie auch: So können sich Städte auf Hitzewellen vorbereiten

Die Landwirtschaft muss sich stark verändern. Die Massentierhaltung ist ein Regenwald- und damit auch ein Klimakiller, gleichzeitig geben die Tiere Unmengen an Methan in die Atmosphäre. Die Überdüngung muss aufhören, wir brauchen mehr Flächen für biologischen Anbau und wir brauchen Brachflächen, in denen die Natur sich regenerieren kann. Das kommt auch der Artenvielfalt und der Fruchtbarkeit des Bodens zugute.

Und schließlich können wir Konsumenten sehr viel verändern. Durch bewusstes Leben, Reisen, Essen. Kaufen wir doch nur das, was wir wirklich brauchen. Essen wir doch einfach weniger Fleisch. Und wenn wir nur die Verschwendung von Lebensmitteln weltweit halbieren würden, könnten wir den Earth Overshoot Day um 13 Tage verschieben. Das ist es doch wert.

Maßnahmen, um die Klimaerwärmung zu stoppen

Lese-Tipp: Energiewende: Ohne Wind und Sonne schaffen wir es nicht

Unsere Wettertrends und Themenseiten

Sollten Sie Interesse an weiteren Wetter-, Klima- und Wissenschaftsthemen haben, sind Sie bei wetter.de bestens aufgehoben. Besonders ans Herz legenkönnen wir Ihnen auch den 7-Tage-Wettertrend mit der Wetterprognose für die kommende Woche. Dieser wird täglich aktualisiert. Falls Sie weiter in die Zukunft schauen möchten, ist der 42-Tage-Wettertrend eine Option. Dort schauen wir uns an, was auf uns in den kommenden Wochen zukommt. Vielleicht interessiert Sie eher wie sich das Klima in den vergangenen Monaten verhalten hat und wie die Prognose für das restliche Jahr aussieht. Dafür haben wir unseren Klimatrend für Deutschland.

Damit Sie auch unterwegs kein Wetter mehr verpassen, empfehlen wir unsere wetter.de-App für Apple- und Android-Geräte.

Klima-Rekorde - Ist Deutschland noch zu retten? Die Doku im Online Stream auf RTL+

(osc)