Ist das realistisch oder zu ambitioniert?

Klimaziele konkretisiert: EU will Treibhausgas-Emissionen schon bis 2040 um 90 Prozent verringern

von Oliver Scheel

Die EU-Kommission hat den Mitgliedsstaaten erstmals ein Klimaziel für das Jahr 2040 vorgeschlagen. Sie empfiehlt eine Kürzung des CO2-Ausstoßes in der EU um 90 Prozent im Vergleich zu 1990, wie die Kommission in Straßburg bekanntgab. Bis 2030 sollen 55 Prozent eingespart werden. Kriegen wir das hin? Was denken die Experten?
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Wie die EU bis 2050 klimaneutral werden kann - was leistet CO2-Speicherung?

Klimakrise erzeugt mehr und mehr wirtschaftliche Kosten

„Wir haben gerade den heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen hinter uns, und wir haben mit eigenen Augen gesehen, welche Zerstörungen der Klimawandel leider zunehmend in das Leben der Menschen bringt“, sagte EU-Umweltkommissar Wopke Hoekstra im Parlament. Damit verbunden seien auch zunehmende wirtschaftliche Kosten. Es sei von enormer Bedeutung, fest auf zwei Beinen zu stehen: Das eine sei der Klimaschutz, das andere eine starke und robuste Wirtschaft. Eine verbindliche Rechtsprechung

Als Sektoren, die Treibhausgase einsparen können, nennt die Kommission etwa die Industrie, der Verkehr und die vor allem die Landwirtschaft, die immer wieder geschont und von stärkeren Zielen befreit werde. „Sie wissen, dass wenn man nicht über die Landwirtschaft spricht, das keine Probleme löst“, kommentierte der niederländische Grünen-Politiker Bas Eickhout die EU-Pläne.

Die drei Großen hinken hinterher: Deutschland, Frankreich, Italien

PRODUKTION - 16.01.2024, Sachsen, Chemnitz: Eine Abgasfahne steigt aus dem 302 Meter hohen Schornstein des Heizkraftwerkes Chemnitz. Am Donnerstag wird das Braunkohlekraftwerk nach einer letzten Frühschicht stillgelegt. Dann versiegt auch der Rauch aus Sachsens höchstem Bauwerk. Ersetzt werden die beiden Blöcke, die Ostdeutschlands viertgrößte Stadt mit Wärme und Strom versorgen, durch zwei gasbetriebene Motorenkraftwerke. Die weithin sichtbare Esse soll aber erhalten bleiben. Sie wurde vom Künstler Daniel Buren gestaltet und gilt als Kunstwerk. Das Kraftwerk bläst bisher knapp eine Million Tonnen CO2 im Jahr in die Luft und gilt als größter Emittent des klimaschädlichen Gases in der Region. Für den Energieversorger Eins und Chemnitz beginnt nun ein kohlefreies Zeitalter.      (zu dpa "Chemnitzer Braunkohlekraftwerk wird stillgelegt") Foto: Hendrik Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Braunkohlekraftwerk in Chemnitz steht nicht für die Erneuerbaren.

Offen bleibt, wie viele Emissionen im Jahr 2040 überhaupt noch ausgestoßen werden dürfen und wie viel CO2 durch Senken wie Wälder und Moore sowie durch technische Verfahren aus der Atmosphäre geholt werden soll.

Das Ziel für 2040 ist kein Gesetzesvorschlag, sondern zunächst eine Empfehlung. Eine verbindliche Gesetzesgrundlage soll nach der Europawahl im Juni folgen. „Wenn man sich anguckt, wo die Länder nach aktueller Planung stehen, dann gibt es drei große Länder, die ein sehr großes Defizit haben, nämlich Italien, Frankreich und Deutschland“, sagte Jakob Graichen vom Öko-Institut in Berlin. „Gut stehen derzeit Schweden, Portugal, Griechenland und Spanien da“, so Graichen. Besonders Spanien habe viel bei den Erneuerbaren getan.

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Schaffen wir das? Was denken die Experten?

Delara Burkhardt, Europaabgeordnete der SPD, kritisierte die Ideen der EU-Kommission, wie die Emissionen gesenkt werden sollen: „Es wird auf technologische CO2-Entnahmen spekuliert und auf den Einsatz von Mini-Atomreaktoren.“ Die seien aber teuer und unrentabel und man wisse nicht, ob diese Ideen jemals umsetzbar sein würden.

Einfacher sei es, natürliche CO2-Senken zu erhalten. Denn jede Tonne CO2, die gar nicht entsteht, ist besser als eine, die man wieder aus der Atmosphäre saugen muss. „95 Prozent der europäischen Moore sind ja trockengelegt. Das macht 100 oder mehr Millionen Tonnen CO2 an Emissionen derzeit aus“, sagte Julia Pongratz, Expertin für Landnutzung von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Wir müssen also die Moore wieder , die auch eine nachhaltigere Forstwirtschaft anregt, damit der Wald eine Kohlenstoffsenke bleibt.

Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sagte, es sei ein sehr, sehr ehrgeiziges, aber ein richtiges Ziel. Edenhofer glaubt, dass wir das 55-Prozent-Reduktionsziel bis 2030 erreichen, danach aber nicht mehr so schnell weiterkommen. Es gebe eine Lücke zwischen den Zielen und den Maßnahmen. Auch Edenhofer nennt im RBB Radio die Landwirtschaft als Verursacher, die nicht genügend in die Pflicht genommen werde.

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Lob von Aktivisten: EU legt beim Klimaschutz nach

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Die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer sieht in den neugefassten Klimaschutz-Zielen der EU-Kommission ein wichtiges Zeichen. Im Fernsehsender Phoenix sagte sie: "Bei den Klimazielen geht es ja mehr um Signale, aber zunächst einmal zeigt die EU, sie bleibt dran - und das ist entscheidend." Die Liste der Kontinente, die "gerade loslegen und beweisen können, wie man gerecht, effektiv und demokratisch die Klimakrise bewältigt", sei, so Neubauer, "sehr, sehr kurz". Es sei daher richtig, sich verbindliche Ziele zu setzen, wichtig sei dann aber auch, dass diese eingehalten werden.

Es bestehe die Gefahr, so Neubauer, dass das Klimaschutz-Engagement nach der kommenden Europawahl ausgebremst werde, wenn im Juni mehr rechtsextreme Kräfte ins Parlament gewählt würden.

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(osc)