Grafiken zeigen die krasse Erwärmung

Hitzewellen hat es doch immer gegeben: Wirklich? So entwickelt sich die Zahl der Hitzetage

von Oliver Scheel

Am Mittelmeer gehen die Menschen in diesem Sommer durch die Hölle. Seit Wochen Hitze, seit Wochen keine Abkühlung, seit Wochen kaum Regen. Parallel dazu hat sich das Wasser aufgeheizt wie nie, das hat zur Folge, dass es in den Nächten kaum mehr abkühlt. Und dennoch heißt es oft: Das ist doch normal, das hat es doch früher alles schon gegeben. Wirklich? Schauen wir uns die Temperaturentwicklung einmal genauer an. Denn die Zahlen lügen nicht.
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Deutschland: Zahl der Hitzetage hat sich ungefähr verdreifacht

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Anzahl der Hitzetage in Deutschland

Ein Hitzetag bedeutet, dass das Lufttemperatur, die ja in 2 Metern Höhe und im Schatten gemessen wird, auf mindestens 30 Grad klettert. Das haben wir in Deutschland bis in die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts tatsächlich nur sehr selten erreicht. Meist blieb es bei weniger als 5 Hitzetagen im Jahr.

In den sozialen Netzwerken lesen wir oft Sätze wie: „Mein Vater war 1958 schon auf Sardinien bei 45 Grad“ oder „meine Tochter wurde 2017 bei 43 Grad in Deutschland geboren.“ Das mag einer subjektiven Empfindung entsprungen sein oder es ist gezielte Desinformation, aber faktisch ist es einfach falsch.

Die Entwicklung der 40-Grad-Marke

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Die rasante Entwicklung der Hitzetage in Deutschland.

Ein kleiner Ausflug in die Geschichte der 40 Grad, die in Deutschland eine Schallmauer darstellt, die in der heimischen Wettergeschichte erstmals im Jahr 1983 überschritten wurde. Und zwar am 27. Juli 1983 im bayrischen Gärmersdorf mit 40,2 Grad. Danach gab es eine erneut lange Pause, bevor bis zum Sommer 2003 es erneut auf 40,2 Grad brachte. Anschließend schaffte es die extreme Hitze aus den Tiefen der Sahara mit neuen Rekorden immer öfter nach Deutschland – nämlich im Jahr 2015 mit 40,3 Grad und anschließend wieder im Juli 2019. Damals wurde an 25 offiziellen Wetterstationen eine 40 Grad gemessen, dazu auch der bis heute gültige deutsche Rekordwert von 41,2 Grad in Duisburg-Baerl und Tönisvorst, beides in NRW. Im Sommer 2022 kletterte dann die 40-Grad-Marke bis hinauf nach Hamburg. In 40 Jahren hat es die Hitze also vom Schwarzwald bis nach Hamburg geschafft.

Hitzewellen kommen häufiger

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Es liegt alles auf der Hand: Die Temperaturanomalien für Deutschland

Hitzewellen wie im Juli dieses Jahres in Südeuropa und dem Südwesten der USA wären laut einer Studie ohne den von Menschen gemachten Klimawandel so gut wie unmöglich. Das geht aus einem aktuellen Bericht der Initiative „World Weather Attribution“ hervor. Demnach sind extrem hohe Temperaturen über einen längeren Zeitraum keine seltenen Ereignisse mehr, sondern dürften in Südeuropa im Schnitt alle zehn Jahre auftreten.

Dazu die Extremwetterforscherin Dr. Friederike Otto: „Eine Hitzewelle, die ohne Klimawandel ein Jahrhundertereignis gewesen wäre, ist jetzt normaler Sommer.“ Und es dürfte noch schlimmer werden: „Die Welt hat nicht aufgehört, fossile Kraftstoffe zu verbrennen, das Klima wird weiterhin wärmer und Hitzewellen extremer“, so die Wissenschaftlerin.

Hitze noch nicht am Ende - das Meer ist viel zu warm

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Die Wassertemperatur am Mittelmeer: Nie war sie so hoch

Und das aufgeheizte Meer trägt auch sein Übriges zu der Lage bei, denn dadurch bleibt es in den Nächten sehr warm und tagsüber heizt es sich schnell wieder auf. Das Mittelmeer war noch nie so warm wie in diesem Sommer. 28,7 Grad im Schnitt. In einigen Regionen, das zeigt unsere Grafik, war das Meer über 30 Grad warm. Auch im Nordatlantik wurden Temperaturrekorde verzeichnet. Es ist noch unklar, welche Folgen das haben kann. Die gefürchtete Korallenbleiche wird sicherlich zu den Konsequenzen zählen. Außerdem führt die Erwärmung zu einem Rückgang des Sauerstoffgehalts in den Ozeanen. Dies kann für die Lebewesen im Meer tödlich enden.

Rekorde allerorten: Temperaturen, der größte Hagel, die längste Hitzewelle

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Die Entwicklung ist sehr einfach zu sehen: Es wird immer wärmer

Nicht nur bei den Temperaturen purzeln die Rekorde wie vertrocknete Pflaumen vom Baum. Wir steuern in Europa auf nie dagewesene 50 Grad zu. Gemessen in der Luft, nicht am Boden. Die Temperatursprünge haben Ausmaße angenommen, die selbst die kühnsten Prognosen übersteigen. Die Hitzewelle vom Juli 2023 in Griechenland war mit einer Dauer von mehr als zwei Wochen die längste Hitzewelle seit es Messungen in Griechenland gibt.

An gleich mehreren Orten wurden in diesem Monat außergewöhnlich hohe Temperaturen gemessen. In vielen Fällen handelte es sich um Rekorde. Im Death Valley im US-Bundesstaat Kalifornien und im Nordwesten Chinas wurden mehr als 50 Grad Celsius registriert. In China handelte es sich um die höchste je gemessene Temperatur. Auch die spanische Region Katalonien verzeichnete den heißesten Tag seit Beginn der Aufzeichnungen.

Rekord-Hagel: Ein Korn von 19 Zentimetern

Rekorde gibt es auch bei Wetterphänomen wie dem Hagel: Am 19. Juli 2023 wütete bei Carmignano di Brenta nördlich von Padua in Italien ein Hagelunwetter, das es in sich hatte. Hierbei wurde ein Hagelkorn von 16 Zentimetern gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt übrigens ein neuer Europa-Rekord, der allerdings nicht besonders halten sollte.

Bereits fünf Tage später legte eine weitere Unwetterzelle nach. Westlich von Azzano Decimo in der Region Friaul-Julisch Venetien wurde ein 19 Zentimeter großes Hagelkorn dokumentiert. Ab einer Korngröße von 10 Zentimetern spricht man übrigens von Riesenhagel. Warme Luft kann mehr Energie aufnehmen, daher werden Starkregen und Hagel größere Ausmaße annehmen.

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Diese Entwicklungen gibt es in Europa

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Rekorde überall: Die Klimakrise überzieht Europa mit Rekordwerten. Nichts ist mehr wie früher und früher gab es solche Hitzewellen einfach nicht.

Österreich: Die vergangenen Wochen wurden von Sommerhitze über 35 Grad und von heftigen Unwettern dominiert. Wie Marc Olefs von der staatlichen Klima- und Wetteranstalt GeosphereAustria erklärt, haben im Zuge des Klimawandels im Sommer nicht nur die Zahl der Hitzetage, sondern auch die Zahl der Tage mit starkem oder extremem Regen deutlich zugenommen. In höher gelegenen Alpenregionen ist die Hitze ein geringeres Problem. Doch über 2.600 Meter steigt wegen des tauenden Permafrosts für Bergsteiger die Gefahr von Steinschlägen. Als aus diesem Grund im Juni ein Berggipfel in Tirol abbrach, kam glücklicherweise niemand zu Schaden.

Griechenland: Auch in Hellas reiht sich eine Hitzewelle an die nächste und die Temperaturen klettern wiederholt vielerorts täglich auf über 40 Grad. Gänzlich ungewöhnlich ist das für die Griechen nicht. Das Meteorologische Amt erinnert an die Hitze 1958, die sechs Tage dauerte mit Temperaturen von 44,8 Grad. Auch 1973, 1977 und 1987 kam es zu ähnlichen Hitzewellen. Doch die Meteorologen sagen auch, dass die Hitzewellen zunehmend länger andauern, also bis zu zehn anstatt zwei oder drei Tage. Die Hitzewelle 2023 ist dem Amt zufolge die bislang längste.

Italien: Nichts ist mehr wie zuvor

Italien: Italien war in diesem Sommer mit mehreren Hitzewellen konfrontiert, die dem Land teils extrem hohe Temperaturen bescherten. Die Hochdruckgebiete Cerbero und Caronte führten in einigen Gegenden zu Temperaturen weit über 40 Grad – in Rom schwitzten Italiener und Touristen an einem Tag bei 41,8 Grad und auf Sizilien wurden gar über 46 Grad gemessen. Gepaart mit hoher Luftfeuchtigkeit ist dies nicht nur extrem anstrengend, sondern kann auch gefährlich sein. Für Italien ist das Jahr 2023 geprägt von Wetterextremen. Im Frühjahr herrschte Trockenheit, darauf folgten heftige Regenfälle mit Überschwemmungen. Ende Juli entzweit das Wetter das Land: Unwetter und Hagelstürme im Norden und extreme Hitze und Waldbrände im Süden. Angesichts dieser extremen Wetterereignisse sagte Zivilschutz-Minister Nello Musumeci, nichts sei mehr so wie zuvor.

Spanien: Bis Mitte Juli rollten schon drei Hitzewellen durchs Land. Auf Mallorca – als liebste Ferieninsel der Deutschen- gab es gleich mehrere Temperaturrekorde. In acht Gemeinden und Ortschaften der Mittelmeer-Insel war es im Juli so heiß wie noch nie seit Beginn
der Aufzeichnungen, wie der nationale Wetterdienst Aemet mitteilte. Im südspanischen Andalusien liegen die Temperaturen teilweise noch höher. Und im vergangenen Sommer war es auch extrem heiß. 2022 war für Spanien zugleich das verheerendste Waldbrand-Jahr seit Beginn der Erfassungen des Europäischen Waldbrandinformationssystems EFFIS. Nach Messungen des Erdbeobachtungssystems Copernicus wurde voriges Jahr bei 493 größeren Bränden eine Fläche von 306.000 Hektar zerstört – sie ist damit weit größer als das Saarland.

Frankreich: 2022 hatte Frankreich vielerorts Temperaturrekorde und weil Regen ausblieb, war Wasser mitunter knapp. Hinzu kamen teils verheerende Waldbrände, die nur mühsam nach Tagen unter Kontrolle gebracht wurden.

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(osc)