Katastrophe über Nacht
Die große Sturmflut in Hamburg 1962: Wie das Versagen der Behörden 340 Menschen das Leben kostete

Vor 62 Jahren – in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar – geriet Hamburg in die schlimmste Flutkatastrophe der Geschichte. Die Sturmflut von 1962 ist auch eine Geschichte des Versagens der Behörden. Man lernte daraus und ein Mann ist bis heute untrennbar mit der Katastophe verbunden.
Wassermassen in Deutschland: Die größten Hochwasserkatastrophen der vergangenen 100 Jahre
Die Ausgangslage: Orkan Vincinette und eine stürmische Westwind-Wetterlage

Seit Dezember 1961 kam die deutsche Küste nicht zur Ruhe. Sturm um Sturm nagte an ihr, der Wind fegte mit 120 Kilometern pro Stunde über das Land. Schließlich gerieten riesige Wassermassen in Bewegung, die unaufhaltsam die Elbe hinauf drückten.
Als gegen 22 Uhr am 16. Februar in Cuxhaven der erste Deich brach, ging es schnell. Bis zu den frühen Morgenstunden hatten die Wassermassen mehr als 50 Deiche durchbrochen und überschwemmten zahlreiche Stadtteile. Am schlimmsten traf es die Elbinsel Wilhelmsburg. Die Fluten rissen alles mit sich. Selbst einige Häuser oder Teile der Deiche wurden mitgerissen. Die Hamburger traf die Katastrophe unvorbereitet im Schlaf. 315 Menschen verloren ihr Leben, allein in Wilhelmsburg 207. Insgesamt starben 340 Menschen bei dem Unwetter an der gesamten deutschen Küste.
Das Versagen der Behörden: Man rechnete einfach nicht mit so einer Katastrophe

Viel zu spät hatten die Behörden das tatsächliche Ausmaß dieses grenzwertigen Wetters erkannt. Nicht der Orkan war das Problem, sondern die Flut und das immer höher steigende Wasser. Als in der Nacht der Pegel auf St. Pauli um 5,70 m über normal stieg, war es zu spät. Wie die Stiftung Historische Museen Hamburg schreibt, war die Deichpflege nach dem 2. Weltkrieg vernachlässigt worden. Die Deiche waren nicht hoch genug, sie waren marode und wurden kaum mehr von Schafen gepflegt. Schafe festigen den Grasbewuchs. An manchen Stellen waren die Deiche bepflanzt oder sogar bebaut. Das bot den Wellen Angriffsmöglichkeiten. Als die Deiche brachen, ergossen sich unfassbare Mengen in die Stadt – ganze Häuser wurden fortgerissen. Insgesamt stand fast ein Fünftel der Stadt unter Wasser. 20.000 Menschen waren obdachlos und etwa 6.000 Gebäude zerstört.
Im besonders betroffenen Wilhelmsburg lebten viele Kriegsflüchtlinge und Ausgebombte in Barracken, die dem Wasser nicht Stand hielten. Zudem war es in diesen Februartagen sehr kalt, die Menschen konnten im kalten Wasser nicht lange überleben und in Wilhelmsburg gab es kaum Hubschrauberlandeplätze für einen solchen Katastrophenfall. Kurzum: Hamburg war überhaupt nicht auf ein solches Wetterereignis vorbereitet. So wie beim Ahrtal-Hochwasser hatte man eine solche Urgewalt der Natur schlichtweg nicht für möglich gehalten.
Die Stunde des Helmut Schmidt

Es gab damals durchaus Warnmeldungen. Feuerwehren, THW und Wasserschutzpolizei waren in Bereitschaft. Es erfolgte aber keine geordnete Evakuierung und die Warnungen in Radio und TV waren unverständlich und unklar. Bremen hatte übrigens reagiert und Unterkünfte für Evakuierte zur Verfügung gestellt. Dort wurden auch NATO-Streitkräfte und Soldaten der Bundeswehr eingesetzt. In Hamburg fielen die Telefone aus, als die Kabelschächte vollliefen. Auch Strom gab es längst nicht mehr überall.
Inmitten der Katastrophe schlug die große Stunde von Innensenator Helmut Schmidt, der Jahre später Kanzler der Deutschen (von 1974 bis 1982) werden sollte. Er machte sich einen Namen als Krisenmanager, als Politiker, der beherzt eingreift. Er habe einfach seiner Heimatstadt helfen wollen, ohne vorher im Grundgesetz über seine Kompetenzen nachgeschaut zu haben, wie er später sagte.
Er bat militärische Befehlshaber aus ganz Europa um Unterstützung. “Ich habe die alle einfach selbst angerufen oder mit Funksprüchen oder Fernschreiben in Bewegung gesetzt. Ich habe gesagt: 'Sie müssen Hubschrauber schicken, Sie müssen Pioniere schicken, die mit Sturmbooten die Menschen von den Dächern runterholen'", so Schmidt 1982 in einem Interview mit dem NDR.
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(osc)