Sturm-Serie legt los

Rekord-Orkan durch Bombogenese und starken Jetstream möglich

von Paul Heger

Erst Orkan Éowyn, dann gleich noch ein Orkan. Die Wetterlage in Europa ist auf Krawall gebürstet und produziert eine Bombogenese. Was ist das, welche Rolle der Jetstream und der Nordatlantik in der Unwetterlage und wie heftig wird es?
Im Video: Durchaus vergleichbar – so trifft Ex-Hurrikan Ophelia 2017 Europa

Bombo… was? Wie eine Bombogenese eine Bomben-Zyklone erzeugt

Sturm an der Küste mit hohen Wellen - Symbolbild.
Über 10 Meter Wellen, Sturmfluten - alles das können Bomben-Zyklonen mit Leichtigkeit erschaffen.

Es ist schon ein ungewöhnlicher Name für ein Wetterphänomen: Die „Bomben-Zyklone“, englisch: „Bomb Cyclone“. Was etwas martialisch kling,t beschreibt tatsächlich ein Tiefdruckgebiet, welches eine ungeheure Kraft besitzt und sich explosionsartig schnell entwickelt. Dieser Prozess wird als „Bombogenese“ bezeichnet.

Mal weg von den Fachbegriffen: Was bedeutet das? Bei einer Bombogenese verstärkt sich ein Tief (Fachbegriff: „Zyklone“) binnen kürzester Zeit zu einem sehr starken Tiefdruckgebiet. Je Breitengrad gibt es unterschiedliche Definitionen. In unseren Breiten gilt in der Regel eine Vertiefung des Luftdrucks um 24 Hektopascal in 24 Stunden.

Eine derartige Intensivierung zu einer „Bomben-Zyklone“ produziert meist heftige Orkantiefs, so wie aktuell den Orkan Éowyn über den Britischen Inseln. In der Nacht zu Donnerstag lag der Kerndruck über dem Nordatlantik bei knapp unter 1000 Hektopascal. 24 Stunden später soll er bei nahe 940 Hektopascal liegen, am Freitagmorgen eventuell sogar knapp unter 940 Hektopascal

Schlimmer als Ex-Ophelia? Orkan Éowyn wütet mit Hurrikan-Stärke!

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Ex-Hurrikan Ophelia war einer der stärksten Stürme, wohl sogar der stärkste jemals in Irland. Wird er durch Éowyn getoppt?

Wie heftig der aktuelle Orkan über den britischen Inseln ist, erkennt man bei einem Blick auf die Zahlen. Wir rechnen mit Spitzenböen um 200 Kilometer pro Stunde, eventuell örtlich sogar mehr. Dazu kommen Mittelwinde – gemittelt über zehn Minuten – von wohl rund 120 Sachen, eventuell an den Küsten örtlich sogar nahe 150 Kilometer pro Stunde.

Diese extremen Windgeschwindigkeiten kann man versuchen, mit Hurrikanen zu vergleichen. Dabei gibt es lediglich das Problem, dass die Amerikaner 1-Minuten-Mittelwinde messen und danach ihre Hurrikane kategorisieren. Diese Winddaten gibt es bei uns nicht. Über den meteorologischen Daumen gepeilt könnten die Mittelwinde von Éowyn aber einem Hurrikan der Kategorie 2 bis 3 entsprechen.

Zum Glück sind Häuser an den europäischen Küsten oft weitaus stabiler gebaut und können damit besser umgeben. Gleichzeitig sind die Niederschlagsmengen um ein vielfaches geringer als bei tropischen Stürmen. Dennoch: 2017 erreicht mit Ophelia ein Ex-Hurrikan die Britischen Inseln mit ähnlicher Gewalt. Damals wurde mit 191 Kilometern pro Stunde die höchste jemals in Irland gemessene Windgeschwindigkeit registriert. Wird Éowyn damit sogar stärker als Ex-Ophelia? Die 10-Minuten-Mittel gingen hoch auf bis zu 111 Kilometer pro Stunde. Das kann Éowyn eventuell toppen – Wahnsinn!

Arctic Outbreak in den USA, Atlantik-Wärme und Jetstream befeuern Orkan-Serie

Ice covers a fountain in Jackson Square after a rare winter snowstorm churned across the U.S. Gulf Coast, in New Orleans, Louisiana, U.S. January 22, 2025.  REUTERS/Shawn Fink
Surreal: New Orleans am Golf von Mexiko ist in Eis erstarrt aufgrund der extremen Kältewelle in den USA.

Welch ein Monster. Woher kommt diese gewaltige Energie? Es ist ein Zusammenspiel aus mehreren Dingen. Dass Tiefs und Stürme über dem Atlantik entstehen ist normal, gerade im Winterhalbjahr. Hier treffen kalte Luftmassen auf die oberflächlich warme und feuchte Atlantikluft, welche in der Kaltluft nach oben schnellt und Tiefs bildet.

Aktuell strömt aber nicht irgendeine Kaltluft in Richtung Europa über den Nordatlantik. Nein, es ist die Kälte eines der heftigsten Arctic Outbreaks, den die USA je erlebt haben – unter -10 Grad am Golf von Mexiko und erhebliche Schneemengen im Norden Floridas. Gleichzeitig ist der Nordatlantik weiterhin extrem warm für die Jahreszeit. Die aktuellen Messwerte liegen sogar nahe der Rekorde aus dem letzten Jahr. Extrem kalt trifft also auf extrem warm und feucht und produzieren einen Extrem-Orkan.

Der wird zu allem Überfluss auch noch von einem erstarkenden Jetstream in Richtung Europa katapultiert. Dieses Starkwindband in der Höhe treibt die Tiefs von West nach Ost über den Atlantik zu uns. Angetrieben wird es von den Temperaturkontrasten auf der Nordhalbkugel. Diese sind nun besonders groß, verstärken den Jetstream und damit on top auch noch einmal den Orkan. Hier überlagern sich die Rotationsgeschwindigkeit des Sturms mit der hohen Zuggeschwindigkeit von West nach Ost.

Orkan-Serie open end?

Ein Sturm nach dem anderen: Montag in Westeuropa, über dem Atlantik schon der nächste mimt Zugrichtung Europa.
Ein Sturm nach dem anderen: Montag in Westeuropa, über dem Atlantik schon der nächste mimt Zugrichtung Europa.

Meteorologisch ist das alles sehr beeindruckend. Gleichzeitig ist die Lage natürlich äußerst gefährlich. Bleibt es bei dem einen Sturm? Nein. Ein solcher Sturm kommt selten allein. Dafür gibt es zwei Szenarien. Entweder schiebt solch ein Sturm sehr milde Luft weit in den Norden und kalte weit in den Süden, was besonders im Süden neue Unwettertiefs auslösen kann. Oder die Luft wird nicht so stark vermischt, womit die Luftmassengegensätze groß bleiben – und damit der ursprüngliche Antrieb für den Sturm.

Im Fall von Éowyn könnte beides nacheinander geschehen. Von Sonntag zu Montag rauscht der nächste Sturm womöglich mit Orkanstärke in Richtung Britische Inseln und Skandinavien. Er wird weniger heftige Winde produzieren, in der Fläche aber größer sein. Die Gesamtenergie könnte damit ähnlich groß sein. Durch die größere Ausdehnung gelangt gleichzeitig die Kaltluft in südlichere Gefilde. Die Iberische Halbinsel und das westliche Mittelmeer könnten dann in den Fokus eines sich darin entwickelnden Sturms geraten.

Der Blick darüber hinaus zeigt: Die grundlegende Wetterlage bleibt gleich. Die USA bekommen wohl immer wieder heftige Polarluftschübe. Der Atlantik wird zwar aufgewühlt und minimal abgekühlt durch solche Stürme, das Energiereservoir ist allerdings riesig. Damit gibt es über dem Nordatlantik eine nachhaltige Orkanserie. Die Frage wird sein: Wie weit rutschen die Orkane nach Europa? Wer demnächst Urlaub auf den Britischen Inseln, in Norwegen oder auf Island plant, sollte auf alle Fälle auf heftiges Wetter vorbereitet sein.

(phe)