COP29 zu Ende - Riesen Druck schon jetzt für COP30
Wer blockiert, wer geht voran? Das sind die Ergebnisse aus Baku und das bedeuten sie für das Klima
Mit Ach und Krach wurde ein komplettes Scheitern der COP29 im Gas-Land Aserbaidschan verhindert. Es ist ein Kreuz mit diesen Treffen, auf denen die ganz Welt zusammenkommt. Trotz der heraufziehenden Notlage bei unserem Klima gibt es immer noch Länder, die am liebsten so weitermachen würden wie bisher. Insofern ist es schon toll, dass es überhaupt zu einer Abschlusserklärung kam. Was da drin steht, was fehlt und was jetzt kommen muss, das fasst unser Autor Oliver Scheel hier kurz zusammen.
Das Ergebnis und die Folgen

Diese COP konnte gerade noch so ein komplettes Scheitern verhindern. Vor allem Saudi-Arabien wollte die Uhr komplett zurückdrehen, die Gas- und Öl-Staaten, unter ihnen auch Russland, zeigten keinerlei Interesse an echtem Fortschritt bei den Verhandlungen.
Insofern ist es ein Erfolg, dass die Welt sich darauf geeinigt hat, die verwundbaren Staaten auch in Zukunft zu schützen, auch wenn die Zahlungen bei weitem hinter den Erwartungen der Entwicklungsländer zurückblieben. „Zu wenig, zu spät“, sagte Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Institutus für Klimafolgenforschung. „Wir können nicht noch weitere zehn Jahre auf öffentliche Klimafinanzierung warten, bis die Kosten für Verluste und Schäden in die Höhe geschossen sind“, sagte er mit Blick auf Ankündigung, erst bis 2035 jährlich 300 Milliarden Dollar an die ärmeren Nationen zu überweisen.
Und sonst? Was wurde noch beschlossen?
Der zweite große Verhandlungspunkt neben der Finanzierung waren die Kohlenstoffmärkte. Da geht es um den Handel mit Klimazertifikaten, die dabei helfen sollen, dass die Staaten ihre Klimaziele erreichen. „Die Regeln sind jetzt deutlich besser als im vergangenen Jahr auf der COP28 in Dubai, wo die EU die Beschlussvorlagen noch abgelehnt hatte“, analysiert Lambert Schneider vom Öko-Institut in Berlin. „Die Länder müssen nun mehr Informationen bereitstellen, wie sie die Integrität der Zertifikate gewährleisten. Außerdem wurden Schlupflöcher geschlossen, die dazu hätten führen können, dass eine Emissionsminderung gleich zwei Mal auf Klimaziele angerechnet wird.“ Lisa Schneider von der Heinrich-Böll-Stiftung kritisiert aber, dass die Kohlenstoffmärkte auf CO2-Entnahmen ausgeweitet wurden. Dies könne zu gefährlichem und nicht erprobtem Geo-Engineering führen und biete Raum für neue Schlupflöcher, die ja jetzt eigentlich geschlossen wurden.
Großbritannien und Mexiko positive Leuchttürme
Spätestens im Jahr 2025 und damit zehn Jahre nach Paris müssen die Nationen neue Reduktionsziele formulieren. Was bei dieser COP viel zu kurz kam, war eine Antwort auf die Frage, wann wir endlich aufhören wollen, CO2 in die Atmosphäre zu blasen. Denn eins ist klar: So lange wir das tun, wird sich unsere Atmosphäre weiter aufheizen. Immerhin haben Großbritannien und Mexiko mit ambitionierten Papieren vorgelegt. Großbritannien ist im Oktober komplett aus der Kohle ausgestiegen und hat seine Emissionsziele verschärft. Mexiko ist neu auf der Landkarte der ambitionierten Nationen, dort ist mit Claudia Sheinbaum eine Klima-Wissenschaftlerin zur Präsidentin geworden. Das Land hat sich nun erstmals zum Netto-Null-Ziel bekannt.
Was ist mit China und Indien?
Indien hat die Ergebnisse der COP kritisiert, doch das Land spielt selbst eine Schlüsselrolle bei der Erderwärmung, einfach weil es die größte Bevölkerung der Erde hat und selbst große Kohlevorkommen. Der indische Energiehunger ist riesig und das Land sollte den nicht durch immer neue Kohlekraftwerke stillen, sondern durch eine groß angelegte Agenda für Solar- und Windenergie. Dann kann Indien sogar eine Führungsrolle einnehmen. Die Inder haben pro Kopf noch einen sehr niedrigen CO2-Ausstoß, aber die Ambitionen für die Erneuerbaren müssen steigen.
China spielt sowieso schon eine bedeutende Rolle. Sie sind klar die Nummer eins beim Ausbau der Erneuerbaren, sie sind aber auch der weltweit größte Verschmutzer. Aber sie gehen den Weg der Energie-Transformation, bei den USA, dem zweitgrößten Verschmutzer, ist dies nun nicht mehr klar. So könnte China weltweit führend werden bei der Energiewende. Dass das Land sich aber immer noch als Entwicklungsland sieht und kein Geld für die Klimafinanzierung der armen Staaten geben will, gehört dringend verändert.
Brasilien muss liefern
Der Ball rollt nun von Baku nach Belem. Am Rande des Amazonasbeckens wird die COP30 über die Bühne gehen. Brasilien hat den Ort mit Bedacht gewählt. Da soll etwas Großes geschaffen werden. Die Erwartungen sind jetzt schon hoch nachdem die drei letzten Gastgeber Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Aserbaidschan eher mit Verhinderungstaktiken spielten und vor allem keinen Platz für die Zivilgesellschaft ließen. Ob Brasilien den Erwartungen gerecht werden kann, wird sich angesichts der blockierenden Öl-Staaten zeigen, aber es ist gut, dass die COP mal wieder in einem Land stattfindet, das Bock auf ein gutes Ergebnis hat.
Aserbaidschan - der zwiespältige Gastgeber
2022 Sharm-el-Sheik in Ägypten, 2023 Dubai und nun Baku in Aserbaidschan: die vergangenen drei Weltklimakonferenzen fanden in autokratisch regierten Ländern statt, die stark von Öl und Gas abhängig sind. Die Ergebnisse dieser COPs waren bescheiden, die Welt hat wertvolle Zeit im Wettlauf gegen die Erderwärmung verloren.
Bei der COP29 wird darum gerungen, das Ende der fossilen Energien zu formulieren und in den Abschlussbericht zu bringen. Dagegen wehren sich die Öl- Und Gasländer massiv. Sie torpedieren unter Führung des Gastgebers Aserbaidschan ein gutes Ergebnis. 90 Prozent seiner Exporteinnahmen macht Aserbaidschan durch den Verkauf von Öl und Gas. Präsident Aliyev nannte Öl auf der Konferenz sogar ein „Geschenk Gottes“.
Aber wer kauft denn das Öl und Gas? Im Fall Aserbaidschan ist es klar: 75 Prozent der Erlöse kommen aus der EU. Wenn wir also aufhören würden, fossile Energien zu verbrennen, dann wären auch die Öl-Staten gezwungen, ihre Wirtschaft umzustellen. So aber tragen sowohl wir, die wir Öl und Gas kaufen, genauso zur Erderwärmung bei wie die, die das Öl aus der Erde holen.
Dennoch ist die COP29 eine herbe Enttäuschung, da sie jegliche Ambition vermissen lässt, und das vom ersten Tag an. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung nannte sie „eine verschenkte Konferenz.“ „Dies ist die schlimmste COP in letzter Zeit“, brachte es Mohamed Adow von der Denkfabrik Power Shift Africa auf den Punkt. Und das liegt nicht nur am Gastgeber.
Übrigens: Eine neue Analyse von Forschenden der “International Cryosphere Climate Initiative” zeigt, dass die weltweit größten Ölhäfen unter Wasser liegen werden, wenn die Meeresspiegel auch nur einen Meter steigen. Seit 2010 ist die Öl-Förderung von Aserbeidschan rückläufig, Gas aber fließt auf Hochtouren aus dem Land. Die Erdgasproduktion soll zudem weiter steigen. Und Aserbaidschan hat eine strategische Partnerschaft mit der EU, die sich in erster Linie um Erdgas dreht. So legt Aserbaidschan wenig Ehrgeiz an den Tag, was die Energiewende angeht. Womöglich ein teurer Fehler: Denn je mehr die EU sich transformiert, umso weniger Gas wird sie kaufen.
Immerhin wurde 2023 bei Baku der größte Solarpark der kaspischen Region eröffnet und das Land plant Offshore-Windparks im Kaspischen Meer, um grünen Strom und grünen Wasserstoff herzustellen, der dann anstelle des Gases nach Europa fließen könnte.
Abschlusstext "sehr enttäuschend" - COP29 fährt in Baku mit Vollgas vor die Wand

Theoretisch geht die 29. Weltklimakonferenz am Freitag zu Ende. Aber der Entwurf für die Abschlusserklärung ist nicht mehr als ein Offenbarungseid. Es ist ein Text, der überhaupt keine Ambitionen zeigt, das fossile Zeitalter hinter uns zu lassen. Und bei der Klimafinanzierung stehen die kleinen und ärmeren Staaten weiter allein im Regen und schauen zu, wie der Meeresspiegel steigt.
Der EU-Kommissar für Klimaschutz, der Niederländer Wopke Hoekstra, richtete an den aserbaidschanischen Präsidenten der Konferenz deutliche Worte: „Entschuldigen Sie, aber dieser Text ist unausgeglichen, unergiebig und inakzeptabel. Schaut doch mal raus, was außerhalb dieses Raumes mit unserem Klima passiert“, schimpfte er.
In dem Beschlussentwurf fehlen konkrete Summen bei der Finanzierung der Schäden und den Hilfen für die armen Länder. Und beim Ausstieg aus den fossilen Energien bremsen die arabischen Öl-Staaten mit aller Macht. So sagte der irische Umweltminister Eamon Ryan: „Ich will hier nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Aber es gibt den klaren Versuch, den Text vom letzten Jahr mit dem Ausstieg aus den Fossilen zu verwässern. Das muss aufhören, auch im Interesse der arabischen Gruppe. Wir müssen wegkommen vom Bewahren des Status Quo hin zu einem neuen sauberen Energiesystem. Nur das bringt Gerechtigkeit.“ Ryan erinnerte daran, dass zum Beispiel auch Dubai vom steigenden Meeresspiegel betroffen ist.
Die EU steht allerdings auch selbst in der Kritik, weil auch sie keine konkrete Zahl genannt hat, mit der sie die armen Länder unterstützen möchte. Die sind in der Gruppe der G77 gebündelt. Und diese Länder des globalen Südens zahlen derzeit einen hohen Preis für eine Erderwärmung, die sie nicht zu verantworten haben. Daher fordern sie, Baku nicht ohne klare finanzielle Zusage zu verlassen: „Mindestens 500 Milliarden pro Jahr“, fordern die Entwicklungsländer.
Die Weltklimakonferenz in Baku droht ein historischer Flop zu werden

Die Ziele der COP29 scheinen kaum noch erreichbar. Vor allem bei der Klima-Finanzierung, also dem Bezahlen der Schäden und dem Geld, das für die Anpassung an die Erderwärmung nötig ist, halten sich die Industriestaaten mit finanziellen Zusagen höflich zurück.
Und bei den Verhandlungen um eine Abschlusserklärung geht es auch nicht voran. Auf der COP28 in Dubai 2023 wurde das Ende der fossilen Energien erstmals in den Text mit aufgenommen. Doch damit tun sich die Öl-Staaten weiterhin schwer. Gastgeber Aserbaidschan nannte Öl und Gas sogar ein „Geschenk Gottes“. Und Saudi-Arabien hat beim gerade zu Ende gegangenen G20-Gipfel in Rio eine ambitionierte Erklärung verhindert. Das ist keine Überraschung und passt zum neuen Klimaschutz-Ranking, das von den Umweltorganisationen Germanwatch und dem NewClimate Institute in Baku vorgestellt wurde. Von 67 aufgeführten Ländern liegen die Saudis auf Platz 66. Weniger für die Umwelt tut nur der Iran. Die ersten drei Plätze des Rankings blieben auch dieses Jahr leer, weil kein Land wirklich genug tut, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Deutschland wird auf Platz 16 geführt.
Um doch noch ein halbwegs gutes Ergebnis zu erzielen, müssten sich die Industriestaaten in Baku dazu durchringen, Geld für die ärmeren Länder zur Verfügung zu stellen. Ein Problem? Eigentlich nicht: „Das Geld ist im System vorhanden - wir müssen nur aufhören, es für die Subventionierung der Dinge auszugeben, die den Temperaturanstieg verursachen, und anfangen, mehr davon für die Lösungen des Klimawandels auszugeben”, sagte Gareth Redmond-King von der „Energy and Climate Intelligence Unit“.
Tatsächlich sind die Industrienationen in der Pflicht. „Die Industriestaaten präsentieren sich oft als Vorreiter in Sachen Klimaschutz und geben den „Ölstaaten“ die Schuld an den stockenden Fortschritten beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Dabei sind die USA nach wie vor der größte Öl- und Gasproduzent der Welt”, so Line Niedeggen, Referentin bei Climate Activist Defense.
Und unser Verhalten hat schwere Konsequenzen: “Menschen und Gemeinschaften, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, sind am meisten betroffen. Häuser, Land, Schulen, Krankenhäuser und Straßen gehen verloren und werden durch Überschwemmungen und Wirbelstürme beschädigt. Die Menschen verlieren alles“, erklärte Nushrat Rahman Chowdhury aus Bangladesch, die für Christian Aid arbeitet.
Weniger Fleisch: Dänemark will Ackerland in Wald umwandeln

Es ist ja eigentlich alles klar. Wir wissen genau, was wir tun. Neue Gas- und Ölfelder anzustechen wird einigen wenigen Menschen kurzfristig viel Geld bringen und vielen anderen die Bequemlichkeit, sich nicht verändern zu müssen. In der Summe aber werden wir dafür einen hohen Preis bezahlen: Unsere Gesundheit und die des Planeten steht auf dem Spiel.
So ist es auch beim Fleisch. Wir wissen, dass wir entsetzliches Tierleid verhindern und wertvolle Ackerflächen und Wälder schonen können, wenn wir das Fleisch auch mal weglassen. Aber im täglichen Leben ist es dann doch nicht so einfach. „Wir verzehren viel zu viel Fleisch“, sagte Martin Frick, Deutschland-Chef des UN-Welternährungsprogramms. Wir müssen ja gar nicht ganz auf Fleisch verzichten. Frick erinnert an die alte Idee vom Sonntagsbraten. So könne man wieder zu einer vernünftiger Tierhaltung zurückkehren.
Die heutige Fleischproduktion in großem Stil trage erheblich zum Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bei, sagte Frick. Dänemark reagiert darauf und will in den kommenden 20 Jahren zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Wälder und natürliche Lebensräume umwandeln.
Ziel ist es auch, den Einsatz von Düngemitteln zu reduzieren. Die dänische Regierung spricht von der „größten Veränderung der dänischen Landschaft seit mehr als 100 Jahren“.
Derzeit bedecken Wälder rund 14,6 Prozent der Fläche Dänemarks. Entsprechend dem Abkommen sollen 250.000 Hektar hinzukommen. Und die Dänen scheuen auch nicht vor unpopulären Maßnahmen zurück: Im Juni hatte die Regierung angekündigt, Viehzüchter ab 2030 für die Treibhausgase zu besteuern, die von ihren Kühen, Schafen und Schweinen beim Verdauen ausgestoßen werden. Das durch das Nutzvieh freigesetzte Methan gilt als eines der wirkungsvollsten Treibhausgase.
Kinder an die Macht

Die Weltklimakonferenz geht in die 2. und entscheidende Woche. Robert Habeck und Annalena Barbock haben sich auf den Weg nach Aserbaidschan gemacht. Sie fordern von Staaten wie China, aber auch Katar, Saudi-Arabien und dem Iran mehr Engagement. Das Engagement soll vor allen Dingen aus dem Portemonnaie kommen. Denn auf diesem Gipfel soll die sogenannte Klimafinanzierung beschlossen werden.
Wie können die kleinen und ärmeren Länder dieser Welt unterstützt werden, damit sie die Folgen des Klimawandels bezahlen bzw. sich anpassen können? Immerhin wurde in Baku eine Zahl ermittelt: 1,3 Billionen pro Jahr seien dafür nötig. Doch wer bezahlt? Klar, die großen Verursacher wie die USA und die EU. Aber China und die Öl-Staaten verweigern bisher ihre Mitarbeit. Sie nennen sich selbst Schwellen- oder gar Entwicklungsländer und sehen sich nicht in der Pflicht.
Aber China bläst das meiste CO2 in die Welt und die Golf-Staaten haben den höchsten CO2-Ausstoß pro Kopf. Deshalb hat ihnen Habeck jetzt eine Ansage gemacht. Diese Länder seien die „großen Profiteure“ der vergangenen Jahrzehnte gewesen beim Geschäft mit Öl, Kohle und Gas, sagte er in Baku. Sie hätten „astronomische Summen“ verdient, die nun genutzt werden müssten, „um diejenigen, die unter der globalen Erderwärmung leiden, besser zu schützen“.
Welchen Planeten wollen wir also den Kindern hinterlassen? In Baku durfte die Jugend sich dazu präsentieren. Kinder aus allen Teilen der Welt berichteten von den Folgen der Erderwärmung. Es gebe nicht genug zu essen, weil die Ernten ausfielen, erzählten Kinder aus Somalia. In Süd-Sudan sei die Schule 14 Tage wegen einer Hitzewelle ausgefallen. Weil die Kinder dann zuhause waren, konnten die Eltern nicht arbeiten und verdienten kein Geld. Der 15-jährige Francisco Manzanares aus Kolumbien beschwerte sich darüber, dass die Kinder von den Staatenlenkern nicht gehört werden. Ansonsten würden Öl und Gas wahrscheinlich im Boden bleiben...
Wie die Öl-Lobby den Klimagipfel kapert
Viel wird geredet und geschrieben über Sinn und Unsinn der Klimakonferenzen. Und jedes Jahr wieder kommt einer um die Ecke und fragt, ob das denn jetzt nötig sei, dass die da alle hinfliegen? Antwort: Ja, es ist nötig. Denn es ist das einzige Mal, dass ALLE Player zusammenkommen und über das Kima reden. Hohe Politik, Aktivisten, Betroffene, Indigene, NGOs und die Wissenschaft. Und sogar die Öl- und Gas-Lobby.
Das ist das Schlimme an dieser Konferenz. Und das sind auch die, die mit dem Privatjet kommen. Die Aktivisten und Vertreter von Organisationen und Start-ups sicher nicht. In diesem Jahr haben sich 1.773 Lobbyisten der Fossilen Energien in Baku ihre Akkreditierung um den Hals gehängt. Das ist zwar weniger als die 2.400 vom letzten Jahr, aber immer noch Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass diese Konferenz den Weg hinaus aus den fossilen Energien leiten soll. 132 Unternehmen aus dieser Branche sind zugegen.
Und die machen ihre Arbeit gut: Zum einen investieren die Fossilen weiterhin stark in ihr Marketing, um zum Beispiel auf Meta ihr Image zu verbessern. Greenwashing. Zum anderen wird weiterhin mit Fehlinformation über die Energiewende gearbeitet. Sie zerstöre Jobs und sei nur ein Mittel, um die Menschen zu kontrollieren.
Leider sind die Stimmen der Vernunft zu leise und die Lobbyverbände zu mächtig. Und ein Gastgeber – oder sollte man sagen Gas-Geber – wie Aserbaidschan ist sicherlich kein guter Nährboden für eine erfolgreiche COP. Daher hat UN-Klimachef Simon Stiell in einem offenen Brief gefordert, die Konferenzen nicht mehr in Ländern auszutragen, die von Öl und Gas leben und keine Ambitionen hätten, wirklich aus dem Geschäft auszusteigen: Die UN müssten strenge Zulassungskriterien anwenden, um solche Länder als Gastgeber auszuschließen.
Brasilien geht voran - Argentinien fliegt raus - CO2-Emissionen auf Rekordkurs

Die COP29 ist richtig in Fahrt. Am Tag, an dem bekannt wurde, dass die Welt im Jahr 2024 so viele Treibhausgase wie nie ausstoßen wird, gab es aber auch positive Aspekte: Brasilien hat seinen nationalen Klimaplan vorgestellt – und der ist durchaus ambitioniert. Der Ausrichter der COP30 im kommenden Jahr will seine Emissionen bis 2035 um 59 bis 67 Prozent reduzieren. Das erzeugte aber nicht nur positives Echo: „Damit sind wir weit entfernt von dem Erreichen des 1,5-Grad-Ziels. Als Gastgeber der COP30 müssen wir mehr liefern als in diesem Dokument steht“, sagte Claudio Angelo vom ‘Observatorio do Clima’. „Damit steht Brasilien nicht in der vordersten Front der globalen Energiewende. Außerdem plant das Land derzeit die Produktion seiner fossilen Energien um 36 Prozent bis 2035 zu erhöhen. Das wird hier oft ignoriert“, so Shady Khalil von ‘Oil Change International’.
Brasiliens Nachbarland Argentinien ist sogar in einen echten Eklat verwickelt. Die Delegation hat Baku komplett verlassen. Wie der ‘Guardian’ berichtete, hat der ultrarechte Klimaleugner und Präsident Argentiniens, Javier Milei, seine Leute nach Hause beordert. Der Klimawandel sei eine „sozialistische Lüge“ hatte er unlängst gesagt. Argentinien fördert Öl, zerstört seine Wälder für riesige Sojaplantagen und möchte groß in die Lithium-Förderung einsteigen. Da stören Umweltstandards dann wohl doch zu sehr.
Das brachte Albaniens Ministerpräsidenten Edi Rama auf die Palme. Er warf seine Rede über Bord und fluchte stattdessen ins Mikro: „Was um alles in der Welt tun wir bei diesem Treffen, immer und immer und immer wieder, wenn kein gemeinsamer politischer Wille am Horizont ist, den Worten echte Taten folgen zu lassen?“, fragte er. Während die Welt sich jedes Jahr treffe, um die Krise zu bekämpfen, stiegen die klimaschädlichen Emissionen weiter. Er habe beobachtet, wie Staats- und Regierungschefs auf gemütlichen Sofas säßen, während die Reden ihrer Kollegen im Hintergrund auf stumm geschaltet seien, erzählte Rama dem Plenum in Baku.
Großbritannien geht voran und will Emissionen um 81 Prozent senken

Es kommt Bewegung in die COP29: Großbritanniens Premierminister Keir Starmer hat in Baku eine beeindruckende Rede gehalten. Sein Land präsentierte als eines der ersten, mit Sicherheit aber als bisher wichtigstes, die Nationalen Klimabeiträge (NDC). Bis Februar müssen alle Nationen ihre verschärften Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen vorlegen. Großbritannien hat dies nun mit einer sehr mutigen Prognose getan. Bis 2035 sollen die Emissionen statt um 78 nun um 81 Prozent im Vergleich zu 1990 verringert werden.
Starmer betonte, dass der klimafreundliche Umbau der britischen Volkswirtschaft unaufhaltsam sei: "Täuschen Sie sich nicht, der Wettlauf für die Jobs der Zukunft im Bereich saubere Energie, die Wirtschaft der Zukunft läuft schon. Und ich will nicht im Mittelfeld sein. Ich will vorangehen."
„Es gibt keine nationale Sicherheit, es gibt keine wirtschaftliche Sicherheit, es gibt keine globale Sicherheit ohne Klimasicherheit“, sagte er.
Weniger schön war der Redebeitrag von Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev, der sein Zitat wiederholte, dass die Öl- und Gasvorkommen in Aserbaidschan ein „Geschenk Gottes“ seien. Öl und Gas seien natürliche Ressourcen, so wie Gold, Kupfer, Wind oder die Sonne.
Ohnehin hat die Öl- und Gasproduktion der großen Förderunternehmen weltweit einer Analyse von Umweltorganisationen zufolge 2023 einen Höchststand erreicht. Das geht aus der „Global Oil & Gas Exit List“ hervor, die die Organisation Urgewald gemeinsam mit mehr als 30 Partnern jährlich aktualisiert. Demnach förderten die erfassten Unternehmen – die 95 Prozent der weltweiten Öl- und Gasproduktion ausmachen – im vergangenen Jahr 55,5 Milliarden Barrel Öl-Äquivalent. Dies lag den Angaben zufolge über den bisherigen Höchstwerten, die vor der Corona-Pandemie erreicht wurden.
Good COP, bad COP: Was läuft gut, wo hakt es in Baku?

Die 29. Weltklimakonferenz in Baku läuft. Und sie begann gar nicht mal so schlecht.
Was läuft gut: Gleich am ersten Tag einigten sich die Teilnehmerstaaten auf einheitliche UN-Standards für den globalen Handel mit Emissionsgutschriften. Das hilft beim Erreichen der Klimaziele. Fast 200 Nationen stimmten einer Reihe wichtiger Grundregeln zu. COP29-Präsident Muchtar Babajew sprach von einem "Durchbruch". Bei diesem Handel können Staaten und Unternehmen für Klimaschutzprojekte - etwa das Pflanzen von Bäumen, den Schutz von Lebensräumen oder das Ersetzen umweltschädlicher Kohle durch saubere Alternativen - sogenannte Gutschriften erwerben.
Der UN-Klimasekretär Simon Stiell sieht den Kampf gegen den Klimawandel durch den Wahlsieg von Donald Trump in den USA nicht bedroht. "Unser Prozess ist stark. Er ist robust, und er wird fortbestehen", sagte Stiell. "Die globale Zusammenarbeit ist der einzige Weg, wie die Menschheit die globale Erwärmung überleben kann." Die USA würden sich nicht in das Energiesystem der 1950er Jahre zurückwerfen lassen, sagte der US-Klima-Sondergesandte John Podesta. „Auf gar keinen Fall.“ Das ist nicht das Ende unsere Kampfes für einen sauberen, sichereren Planeten. Fakten sind immer noch Fakten. Wissenschaft ist immer noch Wissenschaft. Der Kampf ist größer als eine Wahl, als ein politischer Zyklus in einem Land.
Was läuft nicht gut: Wer in Aserbaidschan demonstriert, läuft Gefahr, im Gefängnis zu landen. Deswegen fand eine Demo im Nachbarland Georgien statt. Im Ranking der Pressefreiheit liegt das Land auf Platz 164 von 180. „Journalisten, die über Umweltthemen berichten, müssen in Aserbaidschan fürchten, inhaftiert und gefoltert zu werden. Und ausgerechnet dieses Land richtet die COP29 aus – eine Konferenz, auf der die Zukunft des globalen Klimas verhandelt wird. Diese Scheinheiligkeit schmerzt Pressevertreterinnen und -vertreter, die in dem Erdölland mit Zugangsbeschränkungen, physischer Gewalt und Verhaftungen rechnen müssen“, schreiben die Reporter ohne Grenzen.
Wie sehr die Zeit drängt, die Klimakrise in den Griff zu bekommen, zeigen die aktuellen Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Die UN warnen vor immer mehr Fluchtbewegungen aus Regionen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind. Wenn nicht dringend dort mehr in Anpassung an den Klimawandel investiert werde, könnten die Menschen dort kaum bleiben. Klimaschocks würden immer häufiger und an immer mehr Orten auftreten und menschen zur flucht treiben. Besonders betroffen: Wie immer die Armen. Am stärksten betroffen vom Klimawandel sind arme Länder wie der Sudan, Äthiopien und Eritrea in Afrika, in Asien Bangladesch, Myanmar, Afghanistan und Pakistan oder in Südamerika Venezuela und Kolumbien.
Das steht auf der Agenda
Der berühmte Paris-Moment ist nun schon neun Jahre her. Damals lag sich die Welt in den Armen, hatte sie sich doch im Parc des Expositions darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu senken. Nun, neun Jahre später, haben Klimaforscher gemessen, dass unser Planet schon 1,55 Grad zu warm ist. Worum geht es diesmal?
Nach 28 Weltklimakonferenzen sind wir, das hat der aktuelle „UN Emissions Gap Report“ gezeigt, auf einem Pfad zu einer 2,6 Grad wärmeren Erde. Und das sogar nur dann, wenn alle Selbstverpflichtungen der Länder eingehalten werden. Etwas besser sieht es bei den Zielen aus: Wenn alle Länder ihre Ziele erreichen, sollte sich die Erde nur um 2,1 Grad erwärmen.
Die Länder müssen bis Februar 2025 Pläne einreichen, wie sie ihre formulierten Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen erreichen wollen. Das sind die sogenannten NDCs (Nationally Determined Contributions, auf deutsch Nationale Klimabeiträge).
„Das ist so im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbart, dass sich die Ziele über die Zeit verstärken müssen“, erklärte Hanna Fekete vom New Climate Institute in Köln. „Bis jetzt sehen wir leider, dass das nicht wirklich passiert ist. Wir wissen auch, dass die EU oder Indien und China wahrscheinlich kein neues Ziel vorlegen.“ Prinzipiell sollen die Länder jetzt nachschärfen.
In erster Linie geht es ums Geld - aus 100 Milliarden wird eine Billion

„Die COP29 findet zu einem entscheidenden Zeitpunkt statt. Bei den Gesprächen in Baku geht es darum, das 2015 in Paris erstmals formulierte NCQG zu beschließen. Es ist dringend notwendig, die Finanzierungslücke zu schließen, die sich über die Jahre vergrößert hat und weiterhin Hunderte von Millionen Menschen in Afrika betrifft.“ Diese Worte stammen von Ali Mohamed, dem Vorsitzenden der afrikanischen Verhandlungsgruppe.
Konkret im Raum steht eine Zahl, die natürlich der dicke Elefant im Raum ist: Eine Billion US-Dollar pro Jahr. Dieses Geld sollen die Industriestaaten als öffentliche Klimafinanzierung für den Globalen Süden bereitstellen, damit dieser seine Anpassungsmaßnahmen und die Bewältigung klimabedingter Verluste zu bezahlen kann.
Um dieses Finanzierungsziel wird in Baku kräftig gerungen. Der Fachterminus lautet ‘New Collective Quantified Goal’ (NCQG). Die Gespräche darüber finden seit drei Jahren statt und erreichen in Baku die entscheidende Phase. Zur Erinnerung: Bisher gilt ein Ziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr, das 2022 überhaupt zum ersten Mal erreicht wurde. Nun geht es also um eine Verzehnfachung!
100 Milliarden Dollar hören sich viel an. Aber: Allein Hurrikan Milton, ein einzelner Sturm in den USA, hat nach ersten Schätzungen Schäden von über 100 Milliarden US-Dollar verursacht.
Und sonst? Was ist vom Gastgeber zu erwarten?
Nach Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten findet die COP zum dritten Mal in Folge in einem autoritären Land statt. Aserbaidschan ist ein Öl- und Gasland. Die Klimapläne des Erdöl- und Erdgasexporteurs werden von der Organisation ‘Climate Action Tracker’ als „kritisch unzureichend“ eingestuft. Aserbaidschan will die Investitionen in Öl und fossiles Gas sogar ausweiten, bis 2035 um voraussichtlich 14 Prozent. Derzeit generiert das Land 90 Prozent seiner Exporteinnahmen aus fossilen Energieträgern. Aber: Es ist immer leicht auf diese Länder mit dem Finger zu zeigen. Zur Wahrheit gehöre auch, so Fekete, dass 75 Prozent der Exporte in die EU gehen.
Mit einem Durchbruch bei der Finanzierung rechnen nur die kühnsten Optimisten. „Für mich wäre es ein Erfolg, wenn wirklich ein paar Länder mit ambitionierten Zielen herauskommen, am besten direkt zu Beginn der COP, und dafür dann direkt eine Basis bilden, dass auch das neue Ziel für Finanzierungen wenigstens zu einem gewissen Grad fortschreiten kann“, so Fekete vom New Climate Institute.
(osc)