Spanien, Italien, Deutschland - es trifft uns alle

Unwetter extrem: Die tägliche Ahrflut - wie unser Klima aus den Fugen ist

von Oliver Scheel

Wir wissen es ja alles. Wir müssen aufhören, fossile Energien zu verbrennen, sonst fliegt uns der Planet um die Ohren. Aber wir kommen nicht ins Handeln – warum auch immer. Mittlerweile erwischt es uns fast ständig. Aktuell ist Spanien dran, dort sind mindestens 95 Menschen in Sturzfluten gestorben. Irgendwo auf der Welt spielt sich jeden Tag eine Ahrflut ab – und wir ducken uns und hoffen, dass sie nicht uns trifft. Das wird nicht gut gehen, glaubt unser Autor Oliver Scheel.
Das extreme Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg im Sommer 2024

Jahrhundert-Hochwasser? Wir leben eher in einem Jahrhundert der Hochwasser

Als sich Mitte Juli 2021 die Regenmassen über Westdeutschland aufbauten, die schließlich zur Ahrflut und dem fürchterlichen Hochwasser in NRW führten, hielt das ganze Land den Atem an. Ein solch katastrophales Hochwasser hatte niemand für möglich gehalten. Der Schaden, den Tief Bernd damals anrichtete, betrug allein in Deutschland sagenhafte 33 Milliarden Euro, so die Versicherung Münchner Rück. Seitdem wurde Deutschland immer wieder von Starkregen und Hochwasser getroffen, allein in diesem Jahr gab es mehrere sogenannte „Jahrhundert-Hochwasser“. Zutreffender wäre es, wir würden von einem Jahrhundert der Hochwasser reden als ständig von Jahrhundert-Hochwassern.

Das schreckliche Unwetter im Sommer 2021 mit mindestens 188 Toten in Deutschland liegt nun eine Weile zurück und wir sind wieder im normalen Modus angelangt. Es wurden sogar teilweise die Häuser an gleicher Stelle wieder aufgebaut. Lerneffekt? Kaum. Als in diesem Sommer halb Bayern unter Wasser stand, kam Ministerpräsident Markus Söder in Gummistiefeln daher und verkündete das, was alle Politiker im Katastrophenfall sagen: „Wir lassen niemanden allein“. Gleichzeitig aber wirbt die CSU für Verbrenner und das Stück Fleisch lassen wir uns auf gar keinen Fall verbieten.

Frankreich, Italien, Balkan - Unwetter mit Toten überall

30.10.2024, Spanien, Valencia: Rettungskräfte gehen an aufgestapelten Autos vorbei, die von den Überschwemmungen weggeschwemmt wurden. Foto: Alberto Saiz/AP +++ dpa-Bildfunk +++
Unwetter in Spanien mit etlichen Toten. Fast täglich knallt es irgendwo auf der Welt.

Und so schlittern wir von einer Unwetter-Katastrophe in die nächste. Weltweit gesehen gibt es mehr oder weniger täglich solche Schreckensmeldungen wie 2021 aus dem Ahrtal. Aktuell ist es Spanien, das für die verfehlte Klimapolitik bezahlen muss. Dort starben bei Sturzfluten im Osten des Landes mehr als 95 Menschen – das gesamte Ausmaß der Katastrophe ist unabsehbar. Und teuer! Davor gab es in Frankreich nie registrierte Regenfälle. Innerhalb von 48 Stunden fielen örtlich 600 Liter Regen. Das ist mehr, als im Schnitt in einem ganzen Jahr in Magdeburg fällt. Welche Kanalisation, welcher Boden soll diese Wassermengen aufnehmen?

In Italien wüteten mehr oder weniger den gesamten Spätsommer und Herbst heftige Unwetter, die Menschen kamen dort gar nicht mehr zur Ruhe. Kaum anders in vielen Regionen auf dem Balkan. Bosnien-Herzegowina erwischte es schwer. Ist ja auch klar: Je wärmer die Luft, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Und dazu gesellt sich ein Mittelmeer, das sich mancherorts auf 30 Grad aufgeheizt hatte. Bessere Bedingungen für Starkregen-Ereignisse sind kaum denkbar. Und da haben wir noch nicht über die Hurrikans gesprochen, die über Mexiko, die Karibikstaaten und die USA ziehen und alles kurz und klein hauen.

Die toten Afrikaner interessieren uns ja eh nicht, oder? Ein Fehler

Von all den fürchterlichen Unwettern mit Tausenden Toten in Asien, Afrika und Lateinamerika, von denen wir hierzulande ja nicht mal mehr Notiz nehmen, ganz zu schweigen. Die Philippinen kriegen einen Zyklon nach dem anderen ab. In West- und Zentralafrika starben bei den Hochwassern im ausgehenden Sommer mehr als 1.000 Menschen. Das war uns hier kaum eine Zeile wert. Wir sollten uns aber im Klaren darüber sein, dass die Migrationsströme gerade erst beginnen. Wenn ganze Landstriche in der Sahelzone zu Todeszonen werden, die entweder verdörrt oder überschwemmt sind, dann werden die Menschen dort fliehen. Fliehen müssen. Derzeit suchen die meisten ihr Heil noch in den angrenzenden Ländern. Noch.

Dazu kommen unabsehbare Kosten. Die Welt wird zunehmend unversicherbar. Die Klimafolgekosten können ganze Länder in die Zahlungsunfähigkeit treiben. Andere werden vom steigenden Meeresspiegel von der Weltkarte gewischt. Von der Politik kommt ein Achselzucken und das ein oder andere Lippenbekenntnis.

Was muss noch passieren? Kann die COP29 helfen?

FILE PHOTO: A worker walks along a fence near the Baku Olympic Stadium, the venue of the COP29 United Nations Climate Change Conference, in Baku, Azerbaijan October 18, 2024. REUTERS/Aziz Karimov/File Photo
COP29 in Baku: Wird die 29. Austragung der Weltklimakonferenz uns retten?

Wie viele Stürme, Fluten und Dürren müssen wir noch erleiden, bis wir einsehen, dass Klimaschutz die beste und vor allem billigste Lösung ist? In wenigen Tagen beginnt die COP29, die 29. Weltklimakonferenz. In Baku, Aserbaidschan.

Dort wird die ambitionierte Klimaschützerfraktion auf einen Gastgeber aus der Öl- und Gasindustrie treffen. Ein weiteres Hinauszögern von effektiven Schutzmaßnahmen kann sich die Menschheit kaum leisten. Leider ist es schwer vorstellbar, dass die COP so etwas wie den „Paris-Moment“ 2015 hervorbringen kann. Hoffen wir dennoch das Beste. Ab dem 11.11. geht es in Baku um nicht weniger als einen Planeten, der für alle Menschen eine Heimat ist.

(osc)