Der Anstieg beschleunigt sich
Wie schützen wir unsere Küsten? Ein Meter Meeresspiegelanstieg wird kommen
Sind die deutschen Küsten dem Meeresspiegelanstieg hilflos ausgesetzt? Wo stehen wir beim Küstenschutz, mit was müssen wir rechnen und was können wir tun? Darüber haben wir mit Dr. Kerstin Jochumsen vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg gesprochen.
Die extreme Sturmflut im Oktober 2023
Der Meeresspiegel wird noch sehr lange weiter steigen
Der Meeresspiegel steigt. Das steht fest und das wird auch noch sehr lange ein Thema sein. Selbst wenn wir es bis zum Jahr 2050 schaffen sollten, eine relativ CO2-neutrale Welt zu kreieren, dann wird das Meer auch in 100 Jahren noch weiter steigen. Das liegt an den stark verzögerten und teilweise nicht mehr umkehrbaren Prozessen, die im Eis stattfinden. „Gerade Prozesse, die Eis beinhalten, haben eine sehr lange Zeitskala und brauchen sehr lange, um sich wieder im Gleichgewicht einzupendeln“, erklärt Jochumsen, Leiterin der Abteilung Meereskunde, bei unserem Treffen auf dem Extremwetterkongress in Hamburg.
„Einiges von dem, was im Gang ist, können wir nicht mehr stoppen. Das Schmelzen wird noch eine ganze Weile so weitergehen, egal, in welche Richtung wir die Emissionen entwickeln“, so die Expertin. Momentan seien wir bei etwa 20 Zentimeter Anstieg. „Generell sehen wir die Tendenz zu höheren Wasserständen und dieser beschleunigt sich. Derzeit rechnen wir damit, dass bis zum Jahr 2100 ungefähr ein Meter Meeresspiegelanstieg hinzukommt.“
Klimaschutz spart Geld

Auf einen Meter Meeresspiegelanstieg müssen wir uns also in jedem Fall vorbereiten. „Den Meter werden wir mit Sicherheit erreichen, es ist nur die Frage wann. Wenn wir unter zwei Grad Erwärmung bleiben, vielleicht erst nach dem Jahr 2100. Aber er wird kommen“, sagt sie und fügt hinzu: „Es macht großen Sinn, die CO2-Emissionen einzudämmen.“
„Die Emissionen spielen eine große Rolle, weil sie entscheiden, bis zu welchem Meeresspiegelanstieg wir letztendlich kommen. Ich möchte betonen, dass wir Geld sparen, wenn wir den Klimawandel beschränken. Je weniger Klimawandel, desto geringer die Kosten für Extremereignisse und Schutzmaßnahmen, die wir ergreifen müssen“, sagt Jochumsen.
Wie bleiben unsere Küsten denn bewohnbar?
Hinter den deutschen Küstenlinien leben Millionen Menschen und viele Regionen an Nord- und Ostsee brauchen den Tourismus zum Überleben. Diese Orte sind auf die schönen Strände und die intakten Ökosysteme angewiesen. Aber wie lange können wir die Strände noch genießen? „Es ist jetzt noch Zeit, den Küstenschutz in Ruhe und vernünftig zu planen. Das ist ein langfristiger Prozess, mit dem wir uns aber zügig beschäftigen sollten. Denn das Meer steigt“, mahnt sie.
Das wissen aber die Behörden im Norden. So erhöhen Niedersachsen und Schleswig-Holstein bereits ihre Deiche. „Es ist nachher die Frage, wie breit der Deich unten ist. Kann man da noch etwas draufsetzen?“, fragt die Expertin und gibt selbst die Antwort: „Es ist lokal sehr schwierig, oft stehen da Häuser oder Infrastruktur. Aber generell wird da schon sehr viel gemacht.“ Deshalb – und das ist die gute Nachricht – ist Jochumsen sicher, dass die Küsten noch für lange Zeit bewohnbar bleiben.
Auch Sturmfluten werden höher sein
Generell ist Küste nicht gleich Küste und viele Abschnitte der Ostsee haben durch ihre Steilküste einen ganz eigenen Charakter. Diese sandhaltigen Steilküsten seien sehr sensibel, was Sturmfluten anbelangt. „Da bricht dann eben auch mal etwas ab und das ist schwierig zu schützen“, so Jochumsen. Da sei Küstenschutz in erster Linie eine Kostenfrage.
Und: Je höher das Meer steigt, umso höher sind auch die Sturmfluten. Wir alle kennen die Bilder vom vollgelaufenen Hamburger Fischmarkt. „Die Sturmfluten gehen dann von einem höheren Anfangsniveau aus“, bestätigt Jochumsen: „Der mittlere Zustand einer Flut wird sich mit dem Meeresspiegel verändern und höher sein. Man braucht die Schutzmaßnahmen für den Normalfall, aber auch für den Sturmflutfall, da werden wir mit anderen Werten rechnen müssen.“
Kann unser Wattenmeer einen solche Anstieg überleben?

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf unser Wattenmeer, diese einzigartige Landschaft, die Nationalpark und Biosphärenreservat ist und so vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum schenkt. Wie viel Meeresspiegelanstieg kann das Wattenmeer verkraften, ehe es schlichtweg im Meer versinkt?
Auch hier gibt Jochumsen durchaus Anlass zur Hoffnung, mahnt aber zugleich: „Wir sehen, dass sich bis zu einem gewissen Grad auch die Wattflächen erhöhen. Das heißt, das Sediment wird so transportiert, dass es mit dem Meeresspiegelanstieg nach oben wächst. Das ist aber nur begrenzt möglich. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem das nicht mehr geht. Wenn der Meeresspiegel zu schnell steigt, kommt das Watt nicht mehr hinterher. Noch ist es nicht verloren.“
Wir haben also viele Gründe, schnell ins Handeln zu kommen und die CO2-Emissionen zu stoppen. Dann sparen wir nicht nur viel Geld, sondern erhalten uns auch unseren eigenen Lebensraum.
(osc)