Werden Versicherungen in der Klimakrise unbezahlbar?

Starkregen und Hochwasser immer intensiver: Was, wenn unsere Häuser nicht mehr zu versichern sind?

von Oliver Scheel

Wir leben bereits mitten in der Klimakrise. Das zeigen all die weltweiten Extremwetter-Ereignisse nahezu jeden Tag. Und immer häufiger schlagen diese Wetterextreme auch in Deutschland zu, in erster Linie durch Hochwasser und Starkregen. Die Schäden sind mittlerweile so enorm, dass die Versicherungswirtschaft an ihre Grenzen kommt. Werden unsere Häuser unversicherbar?
Die größten Hochwasserkatastrophen der vergangenen 100 Jahre

Erderwärmung von drei Grad ist nicht mehr versicherbar

Es ist ein Satz, der sich einbrennt: „Eine Erderwärmung ab drei Grad ist schlichtweg nicht mehr versicherbar.“ Ausgesprochen hat diesen Satz Sebastian Etz, Risiko-Ingenieur bei der R&V Versicherung auf dem Extremwetterkongress 2024 in Hamburg. Hochwasser, Starkregen und Sturmschäden, die Extremwetter werden häufiger und nehmen an Intensität zu. Das alles kostet viel Geld. Und diese Schäden werden dann auch für die Versicherer immer teurer.

Alexander Küsel vom Gesamtverband der Versicherer (GDV) sagte auf dem Extremwetterkongress, allein die Flutkatastrophe 2024 in Bayern habe zwei Milliarden Euro gekostet. „Wir stehen bei Schäden von 3,9 Milliarden in diesem Jahr und die Sturmsaison kommt ja noch“, blickte er voraus: „In den nächsten zehn Jahren erwarten wir eine Verdopplung der Hochwasserschäden.“ Wohin steuern wir also?

Ganze Gebiete können unversicherbar werden

ARCHIV - 15.07.2021, Rheinland-Pfalz, Insul: Weitgehend überflutet ist das Dorf Insul in Rheinland-Pfalz nach massiven Regenfällen (Luftaufnahme mit Drohne). Starkregen, Hitze, Überflutungen: Mit dem Klimawandel nimmt Extremwetter zu. Architekten, der Städtetag und die Baubranche fordern nun, Städte und Infrastruktur gegen den Klimawandel zu rüsten. (zu dpa «Starkregen und Hitze - Städte müssen sich gegen Klimawandel rüsten») Foto: Boris Roessler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die berühmte Ahrflut - auch für die Versicherungen ein immenser Schaden.

2023 zahlten die Versicherungskonzerne weltweit 95 Milliarden Dollar für Naturkatastrophen. Dies geht aus dem Naturkatastrophenbericht der Munich Re hervor. 74.000 Menschen verloren durch Naturkatastrophen 2023 ihr Leben. „Der Klimawandel fordert zunehmend Tribut“, so Thomas Blunck von der Munich Re.

Die Versicherungspolicen werden durch die hohen Schadenssummen höher. So teuer, dass viele Menschen sich das nicht mehr leisten können? Ja, das sei möglich, sagte Risiko-Ingenieur Etz. Diese Entwicklung könne zu einer „Unterversicherung wegen zu hoher Versicherungsprämien“ führen. Und die wiederum führt dann im Schadensfall zu einem Wohlstandsverlust und dazu dass „ganze Gebiete nicht mehr versicherbar“ sind.

„Die Versicherungen waren neben der Wissenschaft die ersten Stimmen, die sehr eindringlich vor den Risiken gewarnt haben“, sagte Peter Bosshard von der Umweltorganisation „Insure our Future“ im n-tv-Podcast „Klima-Labor“. Passiert ist wenig. Nun geraten die Versicherer an ihre Grenzen.

Was können wir tun?

In Amerika sind Naturkatastrophen bereits zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden. „In den Hurrikan-Gebieten in Florida oder in den Waldbrandgebieten von Kalifornien können Sie praktisch kein Haus mehr versichern. Zahlreiche Versicherungen und Rückversicherungen haben sich aus diesen Regionen zurückgezogen. An der Küste von Florida werden Sie keine private Versicherung mehr abschließen können“, so Bosshard.

Auch in Deutschland steigen die Schäden und damit auch die Versicherungsprämien. Und: Wir sind immer noch viel zu nachlässig. An der Ahr werden zum Teil die Häuser an den selben Stellen wieder aufgebaut, wo sie 2021 weggerissen wurden. Laut Küsel werden jährlich bis zu 2.000 Häuser in hochwassergefährdeten Lagen gebaut. „323.000 Gebäude stehen in amtlichen Überschwemmungsflächen in Deutschland“, so Küsel. Dazu wird die Flächenentwicklung nicht gebremst, es wird weiter versiegelt. Wir müssen aber entsiegeln, damit das Wasser versickern und verdunsten kann.

Hinweis: Wie stark Euer Haus hochwassergefährdet ist, könnt ihr mit dem untenstehenden Link checken. Da erfahrt ihr auch, welche Schäden es schon in eurer Straße gab. Das ist schon mal eine Orientierung.

Sollte der Staat einspringen in Notfall-Szenarien?

An Staatshilfen scheiden sich die Geister. Bisher hat sich bei noch jedem Hochwasser ein Politiker zu der Aussage hinreißen lassen, man lasse die Leute nicht allein. Selbstverständlich bekämen die Betroffenen Untertützung. Wie die Unterstützung dann aussieht und ob sie tatsächlich kommt, steht oft auf einem anderen Blatt Papier.

Fakt ist aber: Die Versicherungen halten diese Aussagen für grundfalsch. Denn wenn nun die Beiträge für Hochwasser- und Sturmversicherungen stark steigen, könnten viele Bürger sich gegen eine Versicherung entscheiden und auf den Staat verlassen. “Der Anreiz, eine Versicherung abzuschließen, ist nicht mehr da“, so formuliert es Küsel. Ohne Versicherung dazustehen dürfte aber wegen der steigenden Zahl der Extremwetter-Ereignisse eine riskante Wette sein. Der Staat kann schlichtweg nicht für jedes Schadensereignis aufkommen.

Die billigste Lösung für uns alle ist daher Klimaschutz. Wenn wir jetzt die CO2-Emissionen senken und so schnell wie möglich auf Erneuerbare Energien umschalten, bleiben uns hohe Folgekosten erspart.

Bosshard sieht aber auch die Versicherungen in der Pflicht: „Wenn Versicherungsunternehmen die Klimawissenschaft ernst nähmen, würden sie sämtliche Versicherungs- und Investitionsstrategien an einem glaubwürdigen 1,5-Grad-Pfad ausrichten und jede Unterstützung fossiler Brennstoffe einstellen.“

(osc)