Kostenlos und Klimaneutral
Jetzt schon an den Winter denken: Heizen ohne russisches Gas - Geothermie könnte die Lösung sein
von Silvia Soyter

Energie, die ungenutzt in unserem Boden wartet, kostenlos und dazu noch gut fürs Klima. Zu gut, um wahr zu sein? Vor allem in Bayern wird Geothermie – warme Energie aus der Erde – schon genutzt, die anderen Bundesländer reagieren verhalten, doch warum eigentlich?
Die klimafreundliche Alternative: Was ist Geothermie?
Auch wenn der Sommer gerade erst begonnen hat, lohnt es sich an die kalte Jahreszeit zu denken. Denn spätestens seit dem Krieg in der Ukraine ist klar, dass wir so schnell wie möglich unabhängig von russischen Erdgas Lieferungen sein wollen und müssen.
Geothermie, auch Erdwärme genannt, könnte da die klimafreundliche Alternative sein. Dabei wird Energie aus den hohen Temperaturen in tiefen Erd- und Gesteinsschichten gewonnen. Diese Wärme entsteht, wenn in diesen tiefen Schichten und unterirdischen Wasserreservoirs radioaktive Elemente zerfallen. Dieser Prozess findet stetig und natürlich statt, weshalb die Erdwärme zu den Erneuerbaren Energien gehört.
Je tiefer man dabei bohrt, desto wärmer wird es. Die Temperatur steigt hier in Europa alle 100 Meter um etwa drei Grad. Geothermische Anlagen können die Erdwärme dann in Strom umwandeln oder man nutzt die Wärme anstelle fossiler Brennstoffe zum Heizen im Winter. Momentan stammt die Energie für unsere Heizungen zu rund 70 Prozent aus fossilen Energiequellen, zum größten Teil aus Russland.
Man unterscheidet zwischen:
- Oberflächennaher Geothermie (bis 400 m) – versorgt vor allem Ein- und Mehrfamilienhäuser oder kleine Gewerbeeinheiten mit Wärme
- Tiefer Geothermie (ab 400 Meter bis mehrere Kilometer) – kann Strom oder Wärme für ganze Stadtviertel erzeugen
Großer Bedarf für wetter- und jahreszeitunabhängige Energie
Geothermie scheint die heilsbringende Lösung zu sein, da man nicht nur unabhängig von anderen Ländern wird, sondern gleichzeitig auch noch wetter, tages- oder sogar jahreszeitunabhängig Energie gewinnen kann. Die Erdwärme verspricht klimaneutral, unerschöpflich und stets vorhanden zu sein. Im Gegensatz zu anderen Erneuerbaren Energien ist das Verfahren auch äußerst platzsparend, da sich ein großer Teil der Anlage unterirdisch befindet. Damit wäre dieses Energiegewinnungsmodell auch in Städten denkbar.
Experten betonen, dass man in den vergangenen Jahren beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, den Fokus zu sehr auf die Stromgewinnung gelegt und dabei die Wärme nur stiefmütterlich bedacht habe. Bayern ist derzeit noch Vorreiter der Energiegewinnung durch Geothermie. Bis 2050 plant das Bundesland rund 25 Prozent des eigenen Wärmebedarf durch Erdwärme abzudecken.
Bundeswirtschaftsminister Habeck hat die Bundesförderung effizienter Wärmenetze im Januar als klima- und energiepolitische Sofortmaßnahme angekündigt. Die Förderung wäre nötig, um eine leistungsfähige Fernwärmeinfrastruktur auszubauen, damit die Erdwärme von der Quelle zu den Abnehmern transportiert werden könne.

„Abfallprodukt“: Die Blaue Lagune in Island
Die berühmte „Blaue Lagune“ ist eine der Top-Attraktionen Islands. Der milchig-blaue See, der von einem schwarzen Lavafeld umgeben ist, lädt jedes Jahr Touristen dazu ein, ein Bad im 39 Grad warmen Wasser zu nehmen. Was kaum jemand weiß: Das „Blaue Wunder“ ist so etwas wie ein Nebenprodukt des danebenliegenden Geothermiekraftwerks Svartsengi.
Das unterirdisch erhitze Wasser, das in Island zur Strom- und Wärmegewinnung genutzt wird, fließt nach dem Prozess in das benachbarte Lavafeld mit dem Namen „Illahraun“ („Lava des Bösen“). Für vulkanische Verhältnisse ist das Lavafeld noch relativ jung, Experten schätzen, dass es infolge eines Vulkanausbruches im Jahr 1226 entstand. Anfangs versickerte das Wasser noch in Löchern und Spalten der Lava, doch mit der Zeit bildete sich eine dicke Schlammschicht, weshalb sich die Lagune bildete und schnell Menschen zum Baden anlockte.
Da es auf der Insel viele aktive Vulkane gibt, verfügt Island über reichlich nutzbare Wärmeenergie im Boden. Treibhausgase, die durch das Erschließen der Wärmequellen entweichen können, führen die Anlagen wieder zurück unter die Erde.

Kritische Stimmen warnen - Ist Geothermie sicher?
Als eine der ersten Städte in Baden-Württemberg wollte Staufen 2007 CO2 neutral werden – dank Geothermie. Mithilfe von Erdwärme sollte das Rathaus im Sommer gekühlt und im Winter geheizt werden.
Nach sieben Bohrungen stieß man auf ein Mineral, das in Berührung mit Wasser wie Hefe aufzuquellen beginnt. In Staufen konnte Grundwasser durch undichte Bohrwände in die Mineralschicht eindringen, woraufhin es zu Rissen in der Fassade des historischen Rathauses kam. Dadurch, dass sich der Boden an verschiedenen Stellen der Altstadt um bis zu einem halben Meter anhob, wurden neben dem Rathaus noch viele weitere Häuser beschädigt. Bis heute hebt sich der Boden jeden Monat um etwa einen halben Millimeter. Um dem entgegenzuwirken muss das Grundwasser an den betroffenen Stellen abgepumpt werden.
Kritik wird auch an der sogenannten Tiefen-Geothermie geübt. An einigen Standorten, an denen man tiefer als 400 Meter bohrte, kam zu Mikro-Erdbeben und leichten Erschütterungen.

Geothermie muss weiter erforscht werden
Ein Umstieg auf Geothermie in Deutschland könnte sich lohnen: Täglich wird viermal mehr Wärme in den Weltraum gestrahlt, als wir verbrauchen können. Berechnungen von Experten zeigen, dass allein die Nutzung von Tiefen-Geothermie 29 Prozent unseres Wärmebedarfes abdecken würde. In Kombination mit der Oberflächennahen-Geothermie würden 57 Prozent unserer Heizungen mit Erneuerbaren Energien laufen.
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(sso)