Es ist alles möglich
Wie ganze Stadtviertel mit einer Wärmepumpe beheizt werden können
Eine Wärmepumpe für 100.000 Menschen – das ist schon ein Hinhörer, oder? Aber das gibt es. Die Dänen haben vor die Stadt Esbjerg eine riesige Meeres-Wärmepumpe in die Nordsee gebaut. Das Potenzial für Groß-Wärmepumpen, ob im Fluss, im See oder im Meer, ist auch in Deutschland enorm. Unser Autor hat mit Bärbel Koppe und Carolin Peters von der Uni Wismar gesprochen, die über die Möglichkeiten forschen, wie und wo wir diese Oberflächengewässer für Wärmepumpen nutzen können.
Wärmepumpen an Fluss, See oder Meer? Grundsätzlich ist jedes Gewässer nutzbar
Eine Wärmepumpe im Meer – wie funktioniert so ein Riesending? Im Prinzip so wie im Kleinen im Wohnhaus auch – nur eben in groß. In Esbjerg, wo die größte Wärmepumpe der Welt steht, können sie 4.000 Liter Wasser pro Sekunde pumpen. Über Kältemittel und Kompressoren wird dem Wasser erst Wärme entzogen, die an ein Kältemittel geleitet wird. Dieses verdampft und wird extrem verdichtet. Mit diesem verdichteten Gas wird das Wasser für die Fernwärme-Rohre erhitzt, das abgekühlte Meerwasser wird wieder in die Nordsee geleitet.
Die elektrische Antriebsleistung kommt aus einem Windpark im Meer, der direkt danebensteht. Damit ist der benötigte Strom ökologisch und erneuerbar. Es ist ein großer Kreislauf. In Esbjerg wurde dank der Groß-Wärmepumpe ein Kohlekraftwerk vom Netz genommen und 100.000 Menschen erhalten klimafreundliche Fernwärme.
Und in Deutschland? Wo stehen wir da?
Meere, große Seen und Flüsse haben wir auch. „Grundsätzlich ist jedes Gewässer nutzbar“, sagt Bärbel Koppe, Professorin für Wasserbau und Hydromechanik an der Uni Wismar im Gespräch mit wetter.de. „Große Oberflächengewässer stellen große Energiespeicher dar, denn Wasser besitzt eine sehr hohe Wärmekapazität, das ist die Fähigkeit thermische Energie zu speichern“, ergänzt Carolin Peters, die auf diesem Gebiet für die Uni Wismar forscht.
Im Prinzip können also fast alle Gewässertypen genutzt werden. „Bei Seen hängt es von der Größe ab und der Frage, wie verhält sich die Temperatur im Winter? Ein flacher See wie das Steinhuder Meer ist ungünstig“, so Koppe. Besser seien tiefere Gewässer, zum Beispiel auch Tagebaurestlöcher. „Die haben den Vorteil, dass sie sehr tief sind. Durchaus 50 oder 60 Meter tief. Ein solcher See friert im Gegensatz zu einem flachen See nicht bis zum Grund durch. Süßwasser hat seine höchste Dichte bei 4 Grad Celsius. Aus diesem Grund weisen tiefe Seen auch in strengen Wintern 4 Grad warmes Wasser am Grund auf“, so die Expertin. Die konstante Wassertemperatur ist wichtig für die Nutzung.
Flüsse eignen sich gut

Auch Flüsse eignen sich gut – und es gibt schon einige Projekte in Deutschland. In Mannheim wurde im Oktober 2023 die damals größte Wärmepumpe dieser Art in Europa im Rhein in Betrieb genommen. Damit wird Flusswasser als klimaneutrale Wärmequelle genutzt, um Fernwärme für rund 3.500 Haushalte zu erzeugen. In Köln entsteht derzeit die neue größte Wärmepumpe, sie soll ab 2027 30.000 Kölner Haushalte über das Fernwärmenetz versorgen.
Was aber brauche ich für eine solche Wärmepumpe?
Idealerweise ist die Pumpe an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Das ist in Köln und Mannheim der Fall. „Siedlungen sollten in unmittelbarer Nähe vorhanden sein. Ein See, der nur touristisch genutzt wird, macht für eine Großwärmepumpe wenig Sinn. Sonst ist das Leitungssystem zu lang und aufwändig“, sagt Peters. Derzeit wird gerade in der Wismarer Bucht ein Pilotprojekt in der Ostsee geprüft. Die Stadt Wismar untersucht, ob sie die Wismarbucht als Wärmequelle für einen ganzen Stadtteil nutzt. „Es geht um Wendorf, ein Stadtteil, der in DDR-Zeiten für Werftarbeiter gebaut wurde und heute der bevölkerungsreichste Stadtteil Wismars ist. Wegen der Lage am Wasser und den damit einhergehenden kurzen Leitungswegen sowie dem bestehenden Fernwärmenetz bestehen hier sehr gute Voraussetzungen“, erläutert Koppe.
Groß-Wärmepumpen können zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen

Wärmepumpen sind nicht nur eine klimaneutrale Alternative beim Heizen, sie arbeiten auch an anderer Stelle aktiv gegen die Erderwärmung. Denn sie kühlen das Wasser. „Wir haben in der Ostsee den Effekt, dass diese sich im Zuge der Erderwärmung übermäßig schnell erwärmt. Im wärmeren Wasser können sich zum Beispiel Bakterien wie Vibrionen vermehren und somit ein Gesundheitsrisiko darstellen“, so Koppe.
„Im Winter könnte durch die Einleitung des kühleren Wassers die Temperatur heruntergesetzt werden, womit das Wasser im Sommer länger bräuchte, um wieder in die hohen Temperaturen zu kommen. Das ginge dann in die richtige Richtung. Lokal müssen wir das aber ökologisch genauer betrachten“, sagt sie.
Den ökologischen Aspekt hat auch Peters im Blick: „Wir müssen wissen, wie die Gewässer aufgebaut sind und welche Besonderheiten die aquatische Flora und Fauna über das gesamte Jahr aufweisen, um festzulegen, wo wir das Wasser entnehmen und auch zurückführen. Das ist wichtig, denn die Entnahme und das Zuführen von temperaturverändertem Wasser hat ja einen Einfluss auf die Gewässer und stellt einen ökologischen Eingriff dar“, erklärt sie. Wenn das Wasser zum Beispiel zu kalt wird, dann könnte dies ein verändertes Laichverhalten der Fische zur Folge haben.
Generell können Wärmepumpen einen Beitrag leisten, dass Gewässer sich nicht so stark erhitzen.
Welche Probleme und Gefahren gibt es?

Deutschland hat die Forschung in diesem Bereich ziemlich verschlafen. Bereits 1938 wurde das Rathaus in Zürich mit einer Wärmepumpe beheizt. Dazu wurde das Wasser des Flusses Limmat genutzt. So konnten schon vor mehr als 80 Jahren die Holzöfen aus dem Rathaus entfernt werden. Die Schweizer treiben auch Projekte im Bodensee voran. „Wir können in Deutschland auf Erfahrungen zurückgreifen, die andere Länder gemacht haben. Wir stehen in dieser Hinsicht nicht gut da, bei uns wurde alles auf fossile Energien gesetzt“, erklärt Koppe.
Das größte Problem in Deutschland: Einmal mehr die Bürokratie. „In Deutschland sind die Genehmigungsprozedere relativ kompliziert. Viele Gemeinden wissen nicht, wie sie die thermische Nutzung von Gewässern genehmigen sollen. Für die thermische Nutzung, also den Wärmeentzug, gibt es in Deutschland noch keine vernünftige Regelung“, sagt sie.
Was wäre also zu tun? Peters hätte eine Idee: „In Deutschland dauern Genehmigung und Bedarfsplanung meist mehr als fünf Jahre.“ Beim Bau der Flüssiggasterminals in der Zeit der Gaskrise nach dem Beginn des Ukrainekrieges ging es plötzlich schnell. Peters regt ein Wärmenutzungsbeschleunigungsgesetz ähnlich wie beim LNG an. „Es ist jetzt Eile geboten, denn die Stadtwerke müssen sich aktuell im Rahmen der Kommunalen Wärmeplanung überlegen, wie sie ihre Ziele bis 2030 erreichen.“ Und die Klimakrise wartet nicht.
(osc)