Ein Besuch bei einem Stromhändler
Erneuerbare Energien und unser Strom: Wie funktioniert eigentlich die Strombörse?
QUADRA energy vermarktet erneuerbaren Strom an der Strombörse. Wie funktioniert diese, wie arbeitet QUADRA an der Börse? Und was hat das mit meinem Strom und meiner Stromrechnung zu tun? Ein Besuch bei einem Händler für grünen Strom in Düsseldorf.
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"Salopp gesagt ist die Börse so etwas wie Ebay für Strom"

QUADRA energy ist einer der größten Ökostromhändler Deutschlands. Das in Düsseldorf ansässige Unternehmen bündelt die Energie aus etwa 5.000 Wind- und Solaranlagen und betreibt damit ein „virtuelles Kraftwerk“ aus Erneuerbaren Energien. Den produzierten Strom, er reicht für etwa vier Millionen Haushalte, handelt QUADRA unter anderem an der Strombörse. Wie aber funktioniert diese? Dazu haben wir mit QUADRA-Geschäftsführer Dr. Thomas Krings gesprochen.
„Das virtuelle Kraftwerk ist, stark vereinfacht, nichts anderes als eine Software, die unseren dezentralen Kraftwerkspool aus Windenergie- und Solaranlagen zu einem einzigen Kraftwerk zusammenfasst und damit die Grundlage für den Stromhandel bildet.“ QUADRA erstellt für das virtuelle Kraftwerk möglichst exakte Wettervorhersagen, um zu wissen, welche Energiemengen wann zusammenkommen. Wo scheint morgen die Sonne, wo weht morgen der Wind? „Basierend auf unseren eigenen Wetterprognosen für den morgigen Tag verkaufen wir die erwarteten Strommengen dann an der Strombörse“, erklärt Krings im Gespräch mit dem Autor. „Stromhandel ist nicht wie Aktienhandel. Ich will nicht Strom günstig einkaufen und teuer verkaufen. Ich möchte möglichst genau das verkaufen, was auch tatsächlich durch das virtuelle Kraftwerk produziert wird. So ermöglichen wir schließlich die Versorgungssicherheit in Deutschland.“
Aber welche Aufgabe leistet die Strombörse eigentlich genau? „Die Aufgabe der Strombörse ist es, ein nach dem Wohlfahrtsprinzip organisierter Marktplatz zu sein. Ganz salopp könnte man sagen, die Börse ist so etwas wie Ebay für Strom, nur dass es hier nur ein Produkt gibt, alle Anbieter und Interessenten handeln also ein identisches Produkt. An der Börse bildet sich ein Preis aus Angebot und Nachfrage. Ein hohes Stromangebot sorgt zum Beispiel dafür, dass der Preis für diese Zeiten billiger ist. Angebot und Nachfrage werden also immer so übereingebracht, dass sich der günstigste Strompreis einstellt. Dies geschieht jede Viertelstunde neu“, erklärt Krings.
Warum stieg der Strompreis während der Gaskrise so stark?
Die Strombörse ist rund um die Uhr geöffnet und das an allen Tagen des Jahres. Die Börse ist so konzipiert worden, damit sich der günstigste Preis dort entwickelt. Warum aber ist der Strompreis dann zu Beginn des Ukraine-Krieges so stark gestiegen? Krings sagt, das habe nichts mit dem Markplatz an sich zu tun, sondern sei Angebot und Nachfrage geschuldet. „Wir hatten das Problem, dass der durch sehr teures Gas erzeugte Strom preissetzend war. Und wenn jetzt ein Gaskraftwerk auf einmal den zehnfachen Preis für Gas bezahlen muss, dann muss es auch den Strom viel teurer anbieten“, sagt er.
Da die anderen Kapazitäten nicht ausreichten, brauchten wir den Strom aus Gaskraftwerken. „Und dann ist der Preis auch um ein Vielfaches höher“, so Krings. Das sei aber kein Problem der Börse an sich, sondern das grundsätzliche Problem, „dass wir auf diese Gaskraftwerke angewiesen waren, um die Nachfrage zu decken“, erklärt er.
Kurz gesagt: Wir hatten einfach nicht genug alternative günstige Energien und waren auf das sehr teure Gas angewiesen. „Der Preis richtet sich immer nach der teuersten Kilowattstunde, die gebraucht wird“, wie es Krings formuliert.
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Ein Blick in die Zukunft des Stroms: Warum wir alle flexibel werden müssen

Auf dem Weg in eine grüne und möglichst emissionsfreie Zukunft des Stroms sieht Krings drei Felder, auf denen noch viel Arbeit vor uns liegt: Flexibilität, Speicher und Kapazität. „Zunächst einmal brauchen wir Speicherkraftwerke wie zum Beispiel Batterien, damit wir für windschwache und dunkle Tage Strom einspeichern können.
Zweitens müssen wir über den Begriff der Grundlastfähigkeit nachdenken. Was heißt das? Für Sie privat heißt das, Sie wollen Strom immer und zu jeder Zeit haben. Ist das sinnvoll oder muss ich darüber nachdenken, den Strom nicht dann zu nutzen, wenn er gerade da bzw. günstig ist? Die Waschmaschine nachts laufen lassen zum Beispiel. Das machen Sie nicht, Sie haben ja auch keinen finanziellen Anreiz. Wenn der Strom nun aber tagsüber teurer wäre als nachts, dann hätten Sie einen Anreiz, die Waschmaschine nachts laufen zu lassen. Da blicke ich jetzt in die Zukunft. Aber wenn wir in einem 100 Prozent grünen erneuerbaren Energiesystem über Grundlast nachdenken, dann brauchen wir Flexibilität und zwar auf der Erzeuger- und der Verbraucherseite“, so der Experte.
Und drittens müssen Kapazitäten geschaffen werden, um bei der berühmten Dunkelflaute nicht ohne Strom dazustehen. „Wir werden also immer Gaskraftwerke brauchen, die nur dann, wenn Dunkelflauten da sind, Strom produzieren und bereitstellen können“, sagt Krings. Da sich ein Gaskraftwerk, das nur an 20 Tagen im Jahr läuft, natürlich nicht lohnt, müssen auch da Anreize gebildet werden. Diese Kraftwerke müssen also nicht für gelieferten Strom bezahlt werden, sondern für die Bereitstellung der Kapazität.
Was wird in Zukunft mit dem Strompreis passieren?

Auch wenn die Erneuerbaren dafür sorgen, dass mehr und mehr günstiger Strom ins Netz kommt, so heißt das nicht gleichzeitig, dass Strom immer billiger werden wird. „Beim Strompreis kommen viele Faktoren zusammen“, so Krings. Er glaubt, dass der Strompreis sich etwas über dem Niveau der Zeit vor der Gas-Krise einpendeln wird. „Wir bewegen uns im Wind-Onshore und im Solarbereich immer noch in einem subventionierten Markt. Es gibt ein Förderregime zum Neubau von Anlagen“, sagt er.
Der Strompreis reicht also noch nicht, um solche Anlagen durchzufinanzieren. Außerdem werden wir für den dringend benötigten Netzausbau sehr viel Geld benötigen. Und der wird größtenteils über den Strompreis, bzw. die darin enthaltenen Netzentgelte finanziert.
Aber: Krings findet den Gedanken spannend, Deutschland in mehrere Marktgebiete zu unterteilen, sodass sich regional unterschiedliche Strompreise ergeben, anstatt wie heute bundesweit der gleiche. „Ich könnte ja mal fragen, ist nicht Niedersachsen aufgrund seiner hohen Kapazitäten an Windkraftwerken ein eigenes Marktgebiet? Und ist nicht Bayern aufgrund seiner hohen Solarkapazität ein eigenes Gebiet? Der Strompreis in Bayern profitiert heute davon, wenn im Norden Wind weht, obwohl die den Strom gar nicht sehen, es gibt ja nicht ausreichend geeignete Trassen für den Transport.“
Würde Deutschland in verschiedene Marktgebiete aufgeteilt, wäre das ein Anreiz für Unternehmen, sich beispielsweise in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein anzusiedeln, wo es riesige Kapazitäten an Erneuerbaren gibt und der Strompreis dann eher niedriger als im Bundeschnitt wäre.
(osc)