Bröckelnde Zeitzeugen

Lost Places aus dem Mittelalter: vergangene Machtzentren, nun mächtige Ruinen

von Karim Belbachir

Einst waren sie Zentren von Herrschaft und Kontrolle – heute sind sie stille Ruinen inmitten der Natur. Diese fünf Burgen verfallen seit Jahrhunderten und ziehen gerade deshalb Besucher in ihren Bann.

Ebersburg – Hessens vergessene Grenzfeste

Ansicht der Ebersburg von oben
Von der Ebersburg bietet sich ein feiner Blick auf die Rhön.

Im 14. Jahrhundert ließ das Hochstift Fulda die Ebersburg als Grenz- und Schutzanlage auf einem Bergkegel errichten. Sie sicherte nicht nur das Territorium, sondern diente auch als Rückzugsort für Adelige. Mit dem Niedergang ihrer militärischen Bedeutung verfiel die Anlage im 17. Jahrhundert zusehends. Heute liegt die Ruine abgelegen, aber eindrucksvoll über dem Fuldatal. Ein Wanderweg führt direkt zu den Mauerresten, von denen aus sich ein weiter Blick über die Rhön öffnet. Es gibt keine Eintrittsregelung – ein Lost Place im besten Sinne: offen, frei und vom Wald umwuchert.

Brandenburg – Doppelburg mit doppelter Geschichte

Die Burgruine Brandenburg in Thüringen
Über Jahrhunderte hinweg war die Brandenburg Machtzentrum im Werratal.

Die Brandenburg bei Lauchröden wirkt fast wie eine vergessene Festung aus einem Fantasy-Roman. Ihre Ursprünge reichen bis ins 10. Jahrhundert, doch besonders ungewöhnlich ist ihre Struktur: Zwei Adelsgeschlechter teilten sich das Gelände und errichteten nebeneinander zwei Burgen. Über Jahrhunderte hinweg war sie Machtzentrum im Werratal – bis der Dreißigjährige Krieg die Anlage verwüstete. Die Reste der Doppelburg stehen heute weitgehend frei zugänglich auf einem Hügel zwischen Hessen und Thüringen. Eine kleine Ausstellung informiert über die bewegte Geschichte. Für Lost-Places-Fans mit Sinn für historische Komplexität ein echter Geheimtipp.

Burg Hardenstein – Ritterromantik im Ruhrgebiet

Burg Hardenstein im Ruhrgebiet
Heute ist die Burg Hardenstein frei zugänglich und besonders atmosphärisch gelegen.

Versteckt im Ruhrtal liegt Burg Hardenstein – eine echte Überraschung mitten im einstigen Industrierevier. Im 14. Jahrhundert war sie Sitz der Herren von Hardenberg, die über regionale Handelswege und den frühen Bergbau herrschten. Zwar wurde sie mehrfach umgebaut, doch mit dem Ende des Mittelalters verlor sie an Bedeutung und wurde dem Verfall überlassen. Heute ist sie frei zugänglich und besonders atmosphärisch gelegen. Der Weg dorthin führt über den „Nachtwächterpfad“, einen rund drei Kilometer langen Themenweg mit Tafeln zur Geschichte, regionalen Sagen und alten Legenden. Ein Lost Place mit echtem Erlebniswert – sogar für Familienausflüge geeignet.

Burgruine Eisenberg – Stolze Mauern über dem Allgäu

Errichtet wurde die Burg Eisenberg im Jahr 1315.
Errichtet wurde die Burg Eisenberg im Jahr 1315.

Auf über 1.000 Metern thront die Ruine Eisenberg über der Allgäuer Landschaft – einst eine bedeutende Festung des Hochstifts Augsburg, später Sitz der Grafen von Montfort. Errichtet im Jahr 1315, wurde sie im Dreißigjährigen Krieg zerstört. Heute sind die mächtigen Mauerreste gut erhalten und frei begehbar. Infotafeln, ein nahegelegenes kleines Burgmuseum und die spektakuläre Aussicht machen den Ort zu einem besonderen Lost Place – besonders bei Nebel oder Winterstimmung entfaltet er eine fast mystische Aura.

Burgruine Hohenurach – Festung, Gefängnis, Faszination

Schon viele bekannte Menschen wurden auf Burg Hohenurach gefangen gehalten
Der Dichter Philipp Nikodemus Frischlin war in der Burg Hohenurach inhaftiert.

Die Geschichte der Burg Hohenurach beginnt im 11. Jahrhundert und ist geprägt von Macht, Gewalt und Tragik. Zunächst war sie Sitz der Grafen von Urach, später wurde sie zur württembergischen Landesfestung und schließlich zum Staatsgefängnis. Unter anderem war hier der Dichter Philipp Nikodemus Frischlin inhaftiert – bis er bei einem Fluchtversuch den Tod fand. 1765 wurde die Burg geschleift, zurück blieben monumentale Ruinen hoch über Bad Urach. Der Aufstieg ist steil, aber lohnend: Die Burgruine ist jederzeit frei zugänglich und bietet eine grandiose Aussicht. Ein Lost Place, der düstere Geschichte mit landschaftlicher Schönheit verbindet.