Weniger Schwefel im Schiffsdiesel

Wie saubere Luft dem Klima schaden kann

Dass es auf der Erde wärmer wird, ist klar – aber ein so starker Temperaturanstieg wie in den Jahren 2014 bis 2023 gibt den Wissenschaftlern zu denken. Offenbar gibt es Effekte, die Treibhauseffekt verstärken.
In der aktuellen Folge des Klima-Updates erklärt Christian Häckl, dass ausgerechnet Verbesserungen der Luftqualität die Erwärmung verstärkt haben könnten. Dabei spielt der Schiffsverkehr offenbar eine entscheidende Rolle.

Die Wolkenstreifen hinter Schiffen kühlen die Ozeane

Die Abgase von Schiffen hinterlassen Spuren in der Atmosphäre. Diese werden auch als „ship tracks“ (auf deutsch: Schiffsspuren) bezeichnet. Durch Schmutzpartikel entstehen Wolkenstreifen in niedrigen Höhen – etwa auf 500 bis 1000 Metern. Aus der Luft sind diese Wolken gut zu sehen. Diese Wolken haben einen kühlenden Effekt für die Ozeane.

Das für große Schiffe verwendete Heizöl hat einen hohen Schwefelgehalt. Bei der Verbrennung entsteht Schwefeldioxid, das mit Wasserdampf in der Atmosphäre reagiert und Sulfataerosole erzeugt. Diese kühlen die Erdoberfläche auf zweierlei Weise: indem sie das Sonnenlicht direkt in den Weltraum zurückwerfen und indem sie die Wolkenbedeckung beeinflussen.

Mit steigender Menge an Aerosolen steigt die Zahl sich bildender Wassertröpfchen. In der Folge nimmt die Wolkenbedeckung zu und hellere Wolken entstehen, die mehr Sonnenlicht ins All zurückwerfen.

July 13, 2008 - Though they may look like airplane contrails, the streaky clouds shown in this image are ship tracks, bright clouds that form in a shipÖs wake. The clouds run horizontally across the image, tracing out a major shipping lane in the North Pacific Ocean. Ship tracks occur when clouds form around the tiny particles that ships release in their exhaust. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: StocktrekxImages stk202465s

July 13 2008 though They May Look Like Airplane contrails The streaky Clouds Shown in This Image are Ship Tracks Bright Clouds Thatcher Shape in a shipÖs Wake The Clouds Run horizontally across The Image Tracing out a Major Shipping Lane in The North Pacific Ocean Ship Tracks occur When Clouds Shape Around The Tiny particles Thatcher Ships Release in their Exhaust PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright StocktrekxImages stk202465s
Satellitenaufnahme von Wolkenstreifen auf Schiffsrouten (Archiv)

Weniger Schwefel bedeutet offenbar weniger Wolken

Wissenschaftler haben eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass sich hier etwas in den letzten Jahren verändert hat: Im Jahr 2020 war eine neue Verordnung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO2020) eingeführt worden, mit der der maximal zulässige Schwefelgehalt in Schiffskraftstoffen von 3,5 auf 0,5 Prozent gesenkt wurde, um die Luftverschmutzung zu verringern. In der Folge sei ein abrupter etwa 80-prozentiger Rückgang der Schwefeldioxid-Emissionen aus dem Schiffsverkehr beobachtet worden, heißt es in der Studie.

Das Team um Tianle Yuan von der University of Maryland in Baltimore schätzte darauf basierend den Energiehaushalt der Erde, also die Differenz zwischen der von der Sonne empfangenen und der von der Erde abgestrahlten Energie ab 2020. Demnach stellt IMO2020 einen „starken temporären Schock“ für die Netto-Wärmeaufnahme des Planeten dar.

IMO2020 könnte der globalen Erwärmung demnach auch in den nächsten Jahren noch „einen erheblichen Schub“ geben. Der Modellierung zufolge könnte für das Jahrzehnt eine Erwärmungsrate von 0,24 Grad zu erwarten sein - mehr als doppelt so viel wie durchschnittlich seit 1880.

Skepsis beim Potsdam-Institut für Klimafolgenfoschung (PIK)

Nicht an der Studie beteiligte Experten sind allerdings skeptisch. „Da ist Vorsicht geboten“, sagte Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Wenn man einen Effekt für einen so kurzen Zeitraum betrachte, sei das generell fehleranfälliger als bei längeren Zeiträumen.

„In der Tat rätselt die Wissenschaft, wieso die letzten zwölf Monate im globalen Mittel so außerordentlich warm waren, weit außerhalb des üblichen“, sagte allerdings Niklas Höhne von der Universität Wageningen und dem Newclimate Institute in Berlin. Hauptverantwortlich sei klar der immer noch steigende Ausstoß von Treibhausgasen. „Aber ein zusätzlicher Effekt war bisher unerklärt.“ Neben Vulkanaktivitäten sei bereits die Reduktion von Schwefel in den Schiffsabgasen als eine Ursache vermutet worden. Dass die aktuelle Studie nun einen recht großen Zusammenhang zwischen Schwefelreduktion und Erwärmung zeige, sei vom Prinzip her nicht überraschend.

Sollen wir dann die Luft schmutziger machen?

Die Frage drängt sich auf: Könnten wir dann nicht einfach mehr Schwefel in die Luft pumpen, um das Klima zu retten? Levermann warnt: „Diese Art des Geoengineerings ist gefährlich.“ Sulfataerosole in die Stratosphäre ab etwa zwölf Kilometern Höhe einzubringen, sei zwar kühlend und zudem „vergleichsweise billig“, die Stratosphäre müsse damit aber ständig aufgefüllt werden. „Wenn sie damit die menschengemachte Erwärmung auf null dämpfen, dann sitzen Sie auf einem Pulverfass. Sie müssen dann nämlich für hunderte Jahre die Aeorosole in die Luft schießen, sobald Sie damit aufhören, schießt ihnen die Temperatur binnen weniger Jahre in die Höhe.“ Die Folgen dessen für das Leben auf der Erde seien gar nicht abschätzbar.

Klima- und Umweltschutz gehören zusammen

Der hier vorgestellte Effekt ist ein Spezialfall, der zeigen kann, wie komplex die Wechselspiele im Weltklima sind – und das der Mensch einen Einfluss darauf hat. Aber vom Prinzip gehören Umwelt- oder Klimaschutz aus unserer Sicht eng zusammen. Dafür nennen wir zum Abschluss zwei Beispiele, über die wir in der Vergangenheit berichtet haben: