Klima schützen und Klimawandel trotzen

Warum wir in Zukunft wieder mehr Roggenbrot essen könnten

von Claudia Träger

Jahrhundertelang war Roggen quasi das Synonym für Korn. Heutzutage spielt er im Vergleich zu anderen Getreidearten bei der Produktion eine nur untergeordnete Rolle. Bis jetzt. Der Klimawandel könnte dem nicht so beliebten Brotgetreide zu einer Renaissance verhelfen.

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Roggen war früher viel beliebter

Close-up of woman cutting sourdough bread on board. Midsection of female is with knife and baked bread. She is in kitchen.
Roggen lässt sich nur mit Sauerteig zu Brot verbacken.

Roggen war in vielen Gebieten Deutschlands jahrhundertelang das Hauptbrotgetreide. Noch Anfang der 1950er-Jahre betrug der Konsum 35 kg pro Kopf. Inzwischen ist er auf nur 6,2 kg. gesunken. Trotzdem – oder genau deswegen – hat die Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften den Roggen zur Kulturpflanze des Jahres 2023 erklärt. Denn das Getreide könnte zukünftig wieder an Bedeutung gewinnen, u. a. deswegen, weil es mit weniger Niederschlag auskommt als beispielsweise Weizen, dem Anführer auf dem Getreidemarkt. Während Weizen bis zur Ernte 400 Liter Wasser pro kg Erntegut benötigt, reichen dem Roggen bereits 300 Liter.

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Pro-Kopf-Konsum von Roggenmehl in Deutschland in den Jahren 1950/51 bis 2022/23

Im Erntejahr 2022/23 wurden in Deutschland durchschnittlich rund 6,2 Kilogramm Roggenmehl pro Kopf der Bevölkerung verbraucht.
Im Erntejahr 2022/23 wurden in Deutschland durchschnittlich nur noch rund 6,2 Kilogramm Roggenmehl pro Kopf verbraucht. Anfang der 50er Jahre waren es 35 Kilogramm.

Ein paar Zahlen zum Roggen:

  • Nur auf 5 Prozent der Ackerfläche in Deutschland wird Roggen angebaut.
  • Deutschland ist mit einer Ernte von 3,1 Mio. Tonnen der größte Roggenproduzent in der EU.
  • Roggen wird in Deutschland nur zu 25 Prozent als Nahrungsmittel verwendet, 55 Prozent als Futtermittel in der Tiermast, 20 Prozent werden in Bioenergieanlagen verbrannt.
  • Auf einer Versuchsfläche der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gibt es eine Parzelle, auf der seit 1878 durchgehend Roggen angebaut wird.

Roggen soll kürzer und noch hitzetoleranter werden

ARCHIV - 18.05.2022, Nordrhein-Westfalen, Detmold: Ökologisch angepflanzter Roggen steht auf einem Feld. (zu dpa: «NRW-Landwirte steigen wegen Trockenheit vermehrt auf Roggen um») Foto: Lino Mirgeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Halme sollen kürzer gezüchtet und der Roggen gleichzeitig noch unempfindlicher gegen Hitzestress gemacht werden.

Roggen wird aber nicht nur weniger nachgefragt, er wird auch weniger angebaut. Für die Mähdrescher waren die Halme des Getreides schlichtweg zu lang. Zudem war der Ertrag zu gering, weil lange Halme leichter umknicken und kürzere Halme, die schon früh dem Weizen angezüchtet wurden, dickere Ähren tragen können.

Unter anderem das Julius Kühn-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, will den Roggenanbau nun wieder attraktiver machen. Die Halme sollen kürzer gezüchtet und der Roggen gleichzeitig noch unempfindlicher gegen Hitzestress gemacht werden. Praktischerweise kann zu beidem offenbar das Kurzstroh-Gen Ddw1 beitragen.

In der Fachzeitschrift Frontiers in Plant Science erklärte Dr. Bernd Hackauf vom JKI: „Beim Roggen wollen wir nun die […] Kurzstroh-Ära einleiten. Die molekularen Daten zeigen, dass Ddw1 auch ein Schlüssel sein könnte, um die Dürretoleranz des Roggens zu erhöhen.“

Erntemenge von Getreide in Deutschland nach Art in den Jahren 1960 bis 2023

Roggen spielt noch eine untergeordnete Rolle bei der Getreideproduktion. Das kann sich mit dem Klimawandel ändern.
Weizen ist ganz klar die wichtigste Getreideart des Ackerbaus in der deutschen Landwirtschaft.

Die ersten Landwirte sind schon auf die Roggen-Produktion umgestiegen. So vergrößerte sich die Anbaufläche für Roggen in Nordrhein-Westfalen im Langzeitvergleich zu 2010 um knapp 177 Prozent. Im Vergleich dazu sank die Anbaufläche für Weizen seitdem um mehr als 13 Prozent.

Das könnte einen weiteren positiven Effekt in Sachen Klimawandel haben. Denn die Landwirtschaft leidet nicht nur unter den negativen Auswirkungen des Klimawandels, sie ist auch Mitverursacher. Mit rund acht Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland trägt sie selbst zur Klimakrise bei. In einer Studie am JKI-Standort Groß Lüsewitz wies Hackauf für Roggen im Vergleich zu Weizen um ca. 20 Prozent geringere Treibhausgas-Emissionen je Hektar und einen um ca. 8 Prozent geringeren CO₂-Fußabdruck nach.

Damit könnte die Rückkehr des Roggens zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Klima schützen und dem Klimawandel trotzen.

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(ctr)