Helfen Erdsystemgrenzen gegen den Klimawandel?

Neue Studie: Sieben von acht planetare Grenzen schon überschritten

von Arne Draheim

So wie wir bislang auf dem Planeten gelebt haben, kann es nicht weitergehen – das ist nicht erst seit dem Pariser Klimaabkommen klar. Eine Studie zeigt nun, dass der Umgang mit dem Klimawandel womöglich neu gedacht werden muss.

Erstmals Sicherheit und Gerechtigkeit für Menschen berücksichtigt

 IMAGO Nature: Unsere Erde, Klimawandel, Dürren Bilder des Jahres 2022, News 05 Mai News Bilder des Tages May 10, 2022 - Lake Mead National Recreation Area, Nevada, U.S. - Caution tape remains at the site where human remains were found in a barrel along her shoreline of Lake Mead after the waterline dropped at the Lake Mead National Recreation Area, May 10, 2022, near Las Vegas, Nev. The U.S. Bureau of Reclamation reported that Lake Mead, North America s largest artificial reservoir, has dropped to about 1,052 feet above sea level, the lowest it s been since being filled in 1937 after the construction of the Hoover Dam. Two sets of human remains have been discovered recently as the lake continues to recede. The declining water levels are a result of a climate change-fueled megadrought coupled with increased water demands in the Southwestern Un - ZUMAbk3_ 20220510_zaf_bk3_011 Copyright: xDavidxBeckerx
Dürren nehmen zu: Trinkwasserverknappung ist in einigen Regionen der Welt eine drohende Gefahr der Zukunft.

Der Klimawandel ist im vollen Gange. Schon jetzt zeigen sich erste klimatische Veränderungen, die das Leben in einigen Regionen der Welt absolut unmöglich machen. Um solche Szenarien künftig auszuschließen, hat ein internationales Wissenschaftsteam der Earth Commission nun erstmals Erdsystemgrenzen definiert.

Sie sollen die Folgen biophysikalischer Prozesse sowohl auf globaler als auch auf lokaler Ebene regeln. Heißt: Um die Stabilität der Erde künftig zu gewährleisten, werden alle Menschen in die Verantwortung genommen. Der Unterschied dieser Studie besteht darin, dass nun zum ersten Mal für den Erhalt der Lebensgrundlagen auch die Sicherheit und Gerechtigkeit für die Menschheit berücksichtigt wird. Schließlich sind die Handlungsoptionen, um gegen die Folgen des Klimawandels anzugehen, global betrachtet sehr unterschiedlich. So unterschiedlich sind auch die Schäden für die Bewohner.

"Ergebnisse beunruhigend" - schon mehrere Grenzen überschritten

Düngung in der Landwirtschaft
Verunreinigung von Grundwasser und Boden: Düngemittel stellen eine besondere Gefahr für die Naturräume dar..

Mittels strenger Erdsystemgrenzen will die Earth Commission den fortschreitenden Klimawandel verlangsamen, um erhebliche Schäden für die Menschheit zu vermeiden. Da schon heute viele der „sieben von acht sicheren und gerechten Grenzen bereits überschritten seien“, wie die Kommission erklärt, sei dies eine große Herausforderung.

Nun mögen die Erdsystemgrenzen erstmal abstrakt klingen. Die Earth Commission hat daher in ihrer Studie viele verschiedene Bereiche ausgewertet und nach sicheren sowie gerechten Grenzen kategorisiert. Hierzu gehören die Bereiche Klima, biologische Vielfalt, Eingriffe in Wassersysteme und verschiedene Arten der Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung.

"Die Ergebnisse unserer Analyse sind beunruhigend: Innerhalb der untersuchten Bereiche sind bereits mehrere Grenzen auf globaler und lokaler Ebene überschritten“, erklärt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Leitautor. Ein Beispiel hierfür ist die auf 1 Grad bezifferte Grenze der Klimaerwärmung, die bereits als überschritten gilt.

Voller Fokus auf die Erderwärmung - das Problem ist vielschichtiger

Das Beispiel der globalen Erderwärmung zeigt allerdings auch, dass sich verschiedene Akteure hauptsächlich auf einen Teilaspekt des Klimawandels fokussieren. So wurde beispielsweise im Pariser Abkommen die weltweite Grenze von maximal 1,5 Grad formuliert. Zu einseitig gedacht, wie die Studie zeigt: "Das Erdsystem ist eine Reihe zusammenhängender biophysikalischer Prozesse, die über Regionen und verschiedene Dimensionen hinweg wirken“, erklärt Mitautorin Wendy Broadgate. Eine sichere Zukunft erfordert globale Ziele, die über das Klima hinaus gehen.

Anders als bei bisherigen Studien, die lediglich wissenschaftliche Erkenntnisse zu den globalen Bedingungen lieferten, die für den Erhalt eines stabilen Planeten und dem Schutz der Lebenswesen notwendig sind, geht die Arbeit der Earth Commission einen Schritt weiter. Sie definiert Parameter, die das Leben auf der Erde als „sicher“ definieren bzw. bewerten sollen. Da bereits ein gewisser Schaden angerichtet wurde, soll die Studie nun dabei helfen, wie erhebliche Schäden für Menschen und andere Arten vermieden werden können.

Kipppunkte: Die unumkehrbare Gefahr

Die Erderwärmung beschleunigt viele Gefahren, die den Lebewesen der Erde drohen. Denn neben schmelzenden Eisschilden gelten auch veränderte Meeresströmungen als kritische Kipppunkte. Hier eine Übersicht der unumkehrbaren Kipppunkte durch die Erderwärmung.

Merkmalvonbis
Absterben der Korallenriffe1°C2°C
Tauen / Verlust von borealen Permafrostböden1°C6°C
Abschwächung des Nordatlantikstroms1,4°C8°C
Schmelzen von kontinentalen Gletschern1,5°C3°C
Schäden an/Verlust von Amazonas Regenwald2°C6°C
Veränderung des Westafrikanischer Monsuns

2°C

3,5°C

Schmelzen des Eises in der Ostantarktis5°C10°C
  • Quelle: statista.de (Stand:11/2022)

Unterscheidung in sichere und gerechte Grenzen

Um das Erreichen der oben genannten Kipppunkte möglichst zu verhindern, wird bei den Erdsystemgrenzen unterschiedlich priorisiert. Sie sollen bei der Zielsetzung anschließender Maßnahmen beispielsweise bei Klimakonferenzen „Orientierung geben“, um den Menschen künftig ein “Mindestmaß an Zugang zu Ressourcen zu sichern“, heißt es. Zudem sollen verschiedene Krisenherde besser thematisiert werden können.

  • Sichere Grenzen
    Sie sollen für stabile und widerstandsfähige Bedingungen auf der Erde sorgen. Dabei fokussieren sich die Grenzen an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen über Klimakipppunkte.
  • Gerechte Grenzen
    Hierbei soll künftig auf die Gefährdung des Menschen durch schwerwiegende irreversible Schäden eingegangen werden. Beispiele hierfür sind mangelnde Wasser- oder Ernährungssicherheit, oder Tod beispielsweise durch eine Naturkatastrophe.

Alle Akteure sind gefragt

Wie erfolgreich die Umsetzung der Studienerkenntnisse sein wird, ist nun abhängig von der Umsetzung durch die Politik, die Wirtschaft aber auch durch Einzelpersonen. Denn die ganzheitliche Bedrohung des Planeten durch Wasserknappheit, Luftverschmutzung, etc. betrifft alle Akteure. Nur so kann „eine gerechte Entwicklung hin zu mehr Wohlstand auf einem stabilen Planeten“ gewährleistet werden. Allerdings sind die Grenzen endlich, wie die Studie der Earth Commission deutlich macht.

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(rdr)