Helfen Erdsystemgrenzen gegen den Klimawandel?
Neue Studie: Sieben von acht planetare Grenzen schon überschritten
So wie wir bislang auf dem Planeten gelebt haben, kann es nicht weitergehen – das ist nicht erst seit dem Pariser Klimaabkommen klar. Eine Studie zeigt nun, dass der Umgang mit dem Klimawandel womöglich neu gedacht werden muss.
Erstmals Sicherheit und Gerechtigkeit für Menschen berücksichtigt

Der Klimawandel ist im vollen Gange. Schon jetzt zeigen sich erste klimatische Veränderungen, die das Leben in einigen Regionen der Welt absolut unmöglich machen. Um solche Szenarien künftig auszuschließen, hat ein internationales Wissenschaftsteam der Earth Commission nun erstmals Erdsystemgrenzen definiert.
Sie sollen die Folgen biophysikalischer Prozesse sowohl auf globaler als auch auf lokaler Ebene regeln. Heißt: Um die Stabilität der Erde künftig zu gewährleisten, werden alle Menschen in die Verantwortung genommen. Der Unterschied dieser Studie besteht darin, dass nun zum ersten Mal für den Erhalt der Lebensgrundlagen auch die Sicherheit und Gerechtigkeit für die Menschheit berücksichtigt wird. Schließlich sind die Handlungsoptionen, um gegen die Folgen des Klimawandels anzugehen, global betrachtet sehr unterschiedlich. So unterschiedlich sind auch die Schäden für die Bewohner.
"Ergebnisse beunruhigend" - schon mehrere Grenzen überschritten

Mittels strenger Erdsystemgrenzen will die Earth Commission den fortschreitenden Klimawandel verlangsamen, um erhebliche Schäden für die Menschheit zu vermeiden. Da schon heute viele der „sieben von acht sicheren und gerechten Grenzen bereits überschritten seien“, wie die Kommission erklärt, sei dies eine große Herausforderung.
Nun mögen die Erdsystemgrenzen erstmal abstrakt klingen. Die Earth Commission hat daher in ihrer Studie viele verschiedene Bereiche ausgewertet und nach sicheren sowie gerechten Grenzen kategorisiert. Hierzu gehören die Bereiche Klima, biologische Vielfalt, Eingriffe in Wassersysteme und verschiedene Arten der Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung.
"Die Ergebnisse unserer Analyse sind beunruhigend: Innerhalb der untersuchten Bereiche sind bereits mehrere Grenzen auf globaler und lokaler Ebene überschritten“, erklärt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Leitautor. Ein Beispiel hierfür ist die auf 1 Grad bezifferte Grenze der Klimaerwärmung, die bereits als überschritten gilt.
Voller Fokus auf die Erderwärmung - das Problem ist vielschichtiger
Das Beispiel der globalen Erderwärmung zeigt allerdings auch, dass sich verschiedene Akteure hauptsächlich auf einen Teilaspekt des Klimawandels fokussieren. So wurde beispielsweise im Pariser Abkommen die weltweite Grenze von maximal 1,5 Grad formuliert. Zu einseitig gedacht, wie die Studie zeigt: "Das Erdsystem ist eine Reihe zusammenhängender biophysikalischer Prozesse, die über Regionen und verschiedene Dimensionen hinweg wirken“, erklärt Mitautorin Wendy Broadgate. Eine sichere Zukunft erfordert globale Ziele, die über das Klima hinaus gehen.
Anders als bei bisherigen Studien, die lediglich wissenschaftliche Erkenntnisse zu den globalen Bedingungen lieferten, die für den Erhalt eines stabilen Planeten und dem Schutz der Lebenswesen notwendig sind, geht die Arbeit der Earth Commission einen Schritt weiter. Sie definiert Parameter, die das Leben auf der Erde als „sicher“ definieren bzw. bewerten sollen. Da bereits ein gewisser Schaden angerichtet wurde, soll die Studie nun dabei helfen, wie erhebliche Schäden für Menschen und andere Arten vermieden werden können.
Kipppunkte: Die unumkehrbare Gefahr
Die Erderwärmung beschleunigt viele Gefahren, die den Lebewesen der Erde drohen. Denn neben schmelzenden Eisschilden gelten auch veränderte Meeresströmungen als kritische Kipppunkte. Hier eine Übersicht der unumkehrbaren Kipppunkte durch die Erderwärmung.
Merkmal | von | bis |
Absterben der Korallenriffe | 1°C | 2°C |
Tauen / Verlust von borealen Permafrostböden | 1°C | 6°C |
Abschwächung des Nordatlantikstroms | 1,4°C | 8°C |
Schmelzen von kontinentalen Gletschern | 1,5°C | 3°C |
Schäden an/Verlust von Amazonas Regenwald | 2°C | 6°C |
Veränderung des Westafrikanischer Monsuns | 2°C | 3,5°C |
Schmelzen des Eises in der Ostantarktis | 5°C | 10°C |
- Quelle: statista.de (Stand:11/2022)
Unterscheidung in sichere und gerechte Grenzen
Um das Erreichen der oben genannten Kipppunkte möglichst zu verhindern, wird bei den Erdsystemgrenzen unterschiedlich priorisiert. Sie sollen bei der Zielsetzung anschließender Maßnahmen beispielsweise bei Klimakonferenzen „Orientierung geben“, um den Menschen künftig ein “Mindestmaß an Zugang zu Ressourcen zu sichern“, heißt es. Zudem sollen verschiedene Krisenherde besser thematisiert werden können.
- Sichere Grenzen
Sie sollen für stabile und widerstandsfähige Bedingungen auf der Erde sorgen. Dabei fokussieren sich die Grenzen an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen über Klimakipppunkte. - Gerechte Grenzen
Hierbei soll künftig auf die Gefährdung des Menschen durch schwerwiegende irreversible Schäden eingegangen werden. Beispiele hierfür sind mangelnde Wasser- oder Ernährungssicherheit, oder Tod beispielsweise durch eine Naturkatastrophe.
Alle Akteure sind gefragt
Wie erfolgreich die Umsetzung der Studienerkenntnisse sein wird, ist nun abhängig von der Umsetzung durch die Politik, die Wirtschaft aber auch durch Einzelpersonen. Denn die ganzheitliche Bedrohung des Planeten durch Wasserknappheit, Luftverschmutzung, etc. betrifft alle Akteure. Nur so kann „eine gerechte Entwicklung hin zu mehr Wohlstand auf einem stabilen Planeten“ gewährleistet werden. Allerdings sind die Grenzen endlich, wie die Studie der Earth Commission deutlich macht.
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(rdr)