Dürren, Brände, Hitze - mitten in Europa

Klimawandel entfaltet seine Kraft: Hitzewellen immer früher und immer intensiver

von Oliver Scheel

43 Grad in Spanien, bevor der Sommer überhaupt los geht. Der heißeste Mai in Frankreich seit Beginn der Wetteraufzeichnung und nun die höchsten Temperaturen, die in Deutschland jemals Mitte Juni gemessen wurden. Dazu die extreme Dürre in Norditalien. Normal? Sicher nicht. Der Klimawandel ist da und er schlägt zu – und zwar überall und immer häufiger.

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Frühe Hitzewelle in Deutschland: Waldbrände und Evakuierungen in Bandenburg

Ernte in Italien bedroht durch schlimmste Dürre seit 70 Jahren

19.06.2022, Brandenburg, Seddin: Ausflügler verbringen den heißen Tag am Seddiner See in dem ein Löschhubschrauber wegen des Waldbrandes bei Treuenbrietzen Wasser getankt hat. In Treuenbrietzen bekämpft die Feuerwehr seit Tagen einen Waldbrand. Zuneh
Waldbrand bei Treuenbrietzen. Ausflügler packen am Seddiner See zusammen - im Hintergrund steht der Wald in Flammen. Normales Leben in Zeiten des Klimawandels?

39,3 Grad in der zweiten Juni-Dekade (also vom 11. bis 20. Juni) wurden am Sonntag in Altdöbern in Brandenburg gemessen. Das gab es noch nie. Rekordwerte werden immer häufiger in immer kürzeren Abständen registriert. „So viel steht fest: Noch nie wurden seit Beginn der Wetteraufzeichnungen bereits so früh im Sommer so hohe Werte gemessen. Noch nie war es schon Mitte Juni so heiß in Deutschland“, analysierte wetter.de-Meteorologe Christian Häckl.

In Italien spitzt sich die Dürre mehr und mehr zu:In Teilen des Mittelmeerlandes hat es seit rund vier Monaten nicht mehr geregnet, der Fluss Po weist den niedrigsten Pegelstand seit 70 Jahren auf. Die Wasserknappheit gefährdet in den Regionen Piemont, Lombardei und Emilia-Romagna etliche Ernten. Vielerorts sind die Wasserspeicher leer und kommen Tanklaster zum Einsatz, in einigen Gemeinden darf Wasser nur zum Trinken oder für andere wichtige Bereiche des Alltags verwendet werden.

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„Die Klimakrise ist der eigentliche Motor dieser Hitzewelle. Noch nie war es in Europa so früh so heiß und so trocken“, benannte Karsten Smid, Klimaexperte von Greenpeace, das Problem. Auch die Vereinten Nationen sagen, künftig würden Hitzewellen häufiger so ungewöhnlich früh und intensiv auftreten wie in dieser Woche in Europa. Clare Nullis von der Weltwetterorganisation (WMO) verwies ebenfalls auf den Klimawandel: Schuld seien die rekordhohen Konzentrationen von Gasen in der Atmosphäre, die den Treibhauseffekt verursachten.

Weltklima am Scheideweg: Was jetzt zu tun ist

Das Kohle-Comeback ist ein schwerer Schlag für unser Klima

Brandenburg, Jänschwalde: Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). (Zu dpa "Kohle wichtigster Energieträger für Stromproduktion") Foto: Patrick Pleul/dpa ++
Braunkohlekraftwerk Jänschwalde: Braunkohle ist der schmutzigste aller Energieträger.

Aber was tun wir? Wir denken darüber nach, die abgeschalteten Kohlekraftwerke wieder zu aktivieren, um Gas zu sparen. Mitten in einer Zeit von Rekordhitze, Dürren und Waldbränden im eigenen Land freut sich zum Beispiel RWE-Chef Markus Krebber darüber, dass wir wieder planen, mehr Kohle zu verfeuern.

Kohle aber ist der ineffizienteste Energieträger und die größte CO2-Schleuder überhaupt: Fast ein Viertel der gesamten Menge an CO2, die Deutschland produziert, geht auf das Konto der Kohle. Allein die Braunkohlekraftwerke jagen mehr als dreimal so viel Treibhausgase in die Luft wie der gesamte Verkehrssektor.

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Es ist somit das Gebot der Stunde, dass mehr Kohleverstromung nur vorübergehend sein darf. „Jetzt ist der Zeitpunkt für einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, um so schnell wie möglich einen saubereren, billigeren und zuverlässigeren Energiemix zu schaffen“, erklärte Harriet Fox von der Denkfabrik Ember.

Serie zur Energiewende: Ohne Wind und Sonne schaffen wir es nicht - Die Energiewende muss genau jetzt erfolgen – schnell

In Österreich wurde im Frühjahr 2020 das letzte Kohlekraftwerk des Landes in Mellach zu einem Fernheizkraftwerk. Auch da soll bald wieder Kohle verfeuert werden. Was nur wenige wissen: Deutschland importiert Steinkohle ohne Ende. Wir setzen also nicht nur Millionen Tonnen CO2 durch das Verfeuern frei, wir fahren die Kohle auch noch aus Kolumbien, den USA und Australien mit Schiffen hierher, um sie dann vor der eigenen Haustür zu verbrennen. 2021 importierte Deutschland 32 Millionen Tonnen Steinkohle.

Der Klimawandel ist schon lange kein Geheimnis mehr. Wir haben ein komplettes Jahrzehnt zwischen 2010 und 2020 verschlafen, um uns mit nachhaltigen Energien gut aufzustellen. Dafür müssen wir nun alle bezahlen: In erster Linie wegen der höheren Energiekosten, die bei einer schnelleren Umstellung auf Sonne und Wind ausgeblieben wären. Ob Ernteeinbußen wegen der Dürren im Herbst zu höheren Lebensmittelpreisen führen, wird sich zeigen.

Die Energiewende kostet Geld – aber alles andere wird noch teurer

Passend zum Weltflüchtlingstag: Jedes weitere Kohlekraftwerk wird Menschen zur Flucht treiben

Dhicis Guray, an internally displaced Somali man, attends to the carcass of his dead livestock following severe droughts near Dollow, Gedo Region, Somalia May 26, 2022. Picture taken May 26, 2022. REUTERS/Feisal Omar
In Somalia herrscht eine fürchterliche Dürre, die die Menschen zur Flucht zwingt.

Passend zur aktuellen Wetterlage in großen Teilen Mittel- und Südeuropas ist am 20. Juni Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen. Denn der Klimawandel forciert Flucht. Die wenigsten Menschen verlassen freiwillig ihre Heimat.

Ein kleines Beispiel: Am Horn von Afrika – betroffen ist vor allem das bettelarme Somalia – sind die letzten vier Regenzeiten einfach ausgeblieben. Die Dürre ist die schwerste seit Jahrzehnten. Mehr als 800.000 Menschen sind allen in diesem kleinen Land wegen des sich verändernden Klimas auf der Flucht. Vielleicht wird ihr Land nie wieder bewohnbar werden. Die Welthungerhilfe teilte mit, dass allein in Somalia 7,7 Millionen Menschen an Hunger leiden. Es ist eine humanitäre Katastrophe

Das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, wenn wir über die Klimakrise und jetzt auch die Energieversorgung reden. Machen wir uns nichts vor: Jedes weitere Kohlekraftwerk, das ans Netz geht, wird weitere Menschen aus ihrer Heimat vertreiben. Viele davon, vor allem aus Afrika, werden ihr Glück in Europa versuchen.

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(osc)