Gefühle können täuschen
Alpen im Klimawandel: Wie stark nehmen die Naturgefahren zu?
Gefühlt ist es seit langem so: Die Naturgefahren in den Alpen nehmen durch den Klimawandel zu. Ein Wissenschaftsteam hat nun jede Menge Studien ausgewertet und kommt zu gemischten Ergebnissen, ob das wirklich so ist.
Im Video: Was passiert mit den Alpen? Die Berge im Klimawandel
So viel ist klar: Weniger Schnee und Eis
Der Klimawandel ist in den Alpen klar zu spüren: Die Lufttemperatur ist von 1968 bis 2017 jedes Jahrzehnt um 0,3 bis 0,4 Grad gestiegen. Die Schneemenge ist um bis zu 15 Prozent gesunken. Die Schweizer Gletscher haben seit den 1980er-Jahren bis 2016 rund 43 Prozent ihres Eisvolumens verloren, in den Jahren 2022 und 2023 noch einmal zehn Prozent. So heißt es in einer Studie, die im Fachjournal «Earth-Science Reviews» veröffentlicht wurde.
Die Auswirkungen der Erwärmung machen sich manchmal auch besonders massiv und dramatisch bemerkbar, wenn Lawinen ins Tal donnern und riesige Mengen Gestein von den Bergen abbrechen. Die Wissenschaft warnt seit Langem, dass solche Ereignisse sich im Zuge des Klimawandels häufen dürften.
Um dies zu prüfen, hat ein Team unter Schweizer Leitung 335 Studien gesichtet und davon ein knappes Drittel ausgewertet. Die Expertinnen und Experten haben Steinschläge, Bergstürze, Murgänge sowie Eis- und Schneelawinen untersucht. Ihr Fazit ist allerdings nur in einem Fall eindeutig: Steinschlag hat in alpinen Hochlagen zugenommen.

Steinschlag
Geröll und Gestein bricht plötzlich ab und kleinere Brocken stürzen einen Hang oder eine Felswand hinab. Solche Ereignisse hätten in hochalpinen Regionen zugenommen, heißt es in dem Fachartikel. Einer der Gründe: Gletscher gehen zurück, der Permafrost, der gefrorene Grund, taut auf. Feuchtigkeit im Boden kann Steine und Felsbrocken lösen.
Bergstürze
Erst Anfang Oktober waren in Graubünden geschätzt 10.000 Kubikmeter Gestein am Großen Tschingelhorn abgebrochen. 2017 gingen am Piz Cengalo vier Millionen Kubikmeter Gestein ab. Acht Wanderer kamen dabei ums Leben. Dennoch: Für eindeutige Aussagen zur steigenden Häufigkeit fehlen noch Daten. „Auch wenn eine klare Aussage noch nicht möglich ist, deutet vieles darauf hin, dass Bergstürze heute häufiger vorkommen“, sagte Samuel Weber vom Institut für Schnee und Lawinenforschung (SLF) in Davos.
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Murgänge
Ein Murgang entsteht, wenn durch starken Regen Geröll, Schutt und Erdreich an einem steilen Hang abrutschen. Dass es mehr Murgänge gibt als früher, legt nur die Hälfte der Studien nahe. Es gebe aber Hinweise, dass mehr Murgänge oberhalb der Baumgrenze und in Gebieten, die vorher nicht betroffen waren, passieren.
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Lawinen
Die Studien zeigen, dass Lawinen mehr Nass- als Pulverschnee haben. Mangels Schnee gibt es in niedrigen Lagen weniger, in höheren Lagen hingegen etwas mehr Lawinen.
Fazit: Es fehlt an Daten
„Aus der gesichteten Literatur geht auch hervor, dass die Quantifizierung der Auswirkungen des Klimawandels auf solche Massenbewegungen schwierig bleibt“, heißt es in der neuen Studie. Das liege unter anderem an dem komplexen Natursystem mit vielen Einflüssen und an mangelnden Daten.
(mit dpa)