Interview: Mit wenigen Stellschrauben viel erreichen

Die Bauern und ihr Boden: So wird die Landwirtschaft fit für die Klimakrise

von Oliver Scheel

Unregelmäßige Niederschläge, lange Dürren und Extremwetter – die Klimakrise stellt die Landwirte vor große Herausforderungen. Und unsere Böden kommen ans Limit. Es ist Zeit für eine neue Landwirtschaft. Wie die aussehen kann und mit was wir rechnen müssen, erklärte uns Prof. Tobias Weber von der Uni Kassel.
Im Video ein Interview mit dem Deutschen Bauernverband über die schlechte Apfelernte

Landwirte sehen sich Extremwetter und Schwankungen gegenüber

In den vergangenen Jahren spielte das Wetter den deutschen Bauern überhaupt nicht in die Karten. Mehreren Hitzesommern folgte 2024 nun eine extrem nasse Wachstumsperiode. Die Folge: Vor allem beim Getreide war die Ernte miserabel. Die Klimakrise erwischt die Landwirte voll. Das sagt auch Bauernpräsident Joachim Rukwied, der von „einmal mehr deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels“ sprach.

Die Erderwärmung stellt die Bauern also vor Probleme, die schlechte Qualität der Böden ist aber auch eine Folge der intensiven Landwirtschaft. Was können die Bauern tun, um in einer wärmer werdenden Welt weiterhin gute Ernten zu erzielen? Dazu haben wir mit dem Bodenhydrologen Tobias Weber von der Uni Kassel gesprochen. Dort wird am Fachbereich für Ökologische Agrarwissenschaft im Sinne einer nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Landwirtschaft gelehrt und geforscht.

Klimaanpassung auf dem Acker muss kommen

Prof. Tobias Weber von der Uni Kassel
Prof. Tobias Weber von der Uni Kassel. Dort wird am Fachbereich für Ökologische Agrarwissenschaft im Sinne einer nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Landwirtschaft gelehrt und geforscht.

„Die beiden Hauptprobleme sind die Temperatur und das verfügbare Wasser“, sagt Weber im Gespräch mit wetter.de. Deutschlands Bauern stehen sogar einer besonders starken Erwärmung gegenüber, denn Europa erwärmt sich noch schneller als der Rest der Welt. Das hat Folgen – auch bei den Niederschlägen. Der Regen verlagert sich vermehrt in den Winter, „heraus aus der Vegetationsphase“. Und: Die Landwirte müssen klarkommen mit „sehr langen nassen Phasen und sehr trockenen Phasen,“ wie Weber erzählt. Daher sei eine Klimaanpassung auf dem Acker wichtig.

Was also können Landwirte machen? Die gute Nachricht ist: „Es gibt ein paar Stellschrauben“, so Weber. „Das Ziel muss sein, dass man die Böden regeneriert. Das ist gleichzeitig auch Erosionsschutz“, so Weber, der darauf hinweist, dass die Böden vielerorts in keinem guten Zustand sind. Es fehlt ihnen an Kohlenstoff. Der ist wichtig, um dem Boden Struktur zu geben. „Der Boden wird mit Kohlenstoff lockerer und erhöht die so notwendige Wasserspeicherfähigkeit“, erklärt der Bodenhydrologe.

Wir zerstören unsere Böden: Lebensmittel müssen teurer werden

Der Boden liebt Luzerne und Klee

Weber appelliert an die Bauern, die Fruchtfolge weiter zu fassen. „Kleegraskulturen können das ganze Jahr über angebaut werden. Auch Luzerne eignet sich dafür hervorragend“, erläutert der Experte. Damit werde der Boden auch in größerer Tiefe locker, das vergrößert den durchwurzelbaren Bereich. Außerdem hat Klee einen höheren Proteinwert als reines Ackergras. So minimiert sich der Bedarf an Eiweißfuttermittel. Luzerne ist eine echter Alleskönner auf dem Acker: Sie bindet Luftstickstoff und spart damit Mineraldünger ein. Auch die Luzerne verbessert die Bodenfruchtbarkeit und benötigt kaum Pflanzenschutzmittel.

Andere Zwischenkulturen, die tiefer wurzeln, könnten den Unterboden stärker anzapfen. „Sie können sich das so vorstellen: Der Oberboden ist wie ein Eimer, da nehmen die Pflanzen das Wasser raus. Der Unterboden ist wieder ein Eimer, den die Pflanzen nutzen können. Wenn da viel Wasser gespeichert ist, kann das ein Puffer sein, um über zwei, drei trockene Jahre hinwegzukommen.

„Wo Pflanzen stehen, erodiert kein Boden“

03.01.2024, Niedersachsen, Huntlosen: Der kleine Fluss Hunte ist in der Nähe vor Oldenburg über die Ufer getreten und überschwemmt die umliegenden Wiesen und Äcker (Aufnahme mit Drohne). In der noch immer angespannten Hochwasser-Situation warnt der Deutsche Wetterdienst (DWD) vor Dauerregen in Niedersachsen. Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
So sahen die Äcker Anfang des Jahres oft aus. Mit schwerem Gerät konnten die Bauern erst spät auf ihre Äcker

Wichtig sei es für die Landwirte, den Boden stets bedeckt zu halten. „Das kann man eigentlich generell sagen, dass das gut ist. Wo Pflanzen stehen, erodiert kein Boden“, sagt Weber. „Durch die Bedeckung wird über die Wurzeln Kohlenstoff eingetragen. Organische Einträge sind auch gut fürs Bodenleben, der Boden ist schlichtweg aktiver.“

Eine weitere Stellschraube ist die Pflanzenzüchtung. Wenn die Temperaturen ansteigen, müssen neue Arten entwickelt werden“, so der Experte. „Ich sehe aber nicht, dass Winterweizen und Kartoffeln bei uns komplett verdrängt werden.“ Dennoch, so warnt Weber, wachsen Pflanzen wie Weizen heute bereits in einem Umfeld, das für sie schon sehr warm ist. Die Temperaturen sind heute im Süden schon ertragsmindernd im Vergleich zu Norddeutschland.“

Es geht nur über eine ökologische Intensivierung der Landwirtschaft

Die Bauern können also aktiv dafür sorgen, dass die Bodenqualität sich verbessert, und dann kommen die Böden auch mit einem veränderten Wasserangebot klar. Für Weber ist wichtig, dass die Landwirtschaft eine ökologische Wende hinlegt. Er nennt das eine ökologische Intensivierung, also eine naturverträglichere Form der Landwirtschaft zu schaffen. „Dazu muss der Pestizideinsatz massiv reduziert werden. Der Einsatz von mineralischem Dünger muss reduziert werden“, so Weber.

Im Fokus müssen gesunde Böden stehen: „Wir brauchen eine langfristige Sicherung der Böden, wir müssen versuchen, ihre Qualität aufrecht zu erhalten.“ Dazu bräuchten wir mehr Vielfalt auf dem Acker. Natürlich können nicht alle Bauern von heute auf morgen biologisch arbeiten. „Aber worum es gehen muss, ist eine Landwirtschaft, die auf regenerative Praktiken zielt. Dass die Nachhaltigkeit des Bodens im Fokus stehen“, sagt Weber. Das könne auch bedeuten, dass dies mit geringeren Erträgen einhergehen könne. Aber ohne diesen Umbau der Landwirtschaft, bei dem die Bauern Unterstützung brauchen werden, können die Böden langfristig kaum gesichert werden.

(osc)