Landwirtschaft will hoch hinaus
Vertical-Farming: Hightech-Gemüse wächst im Regal statt auf dem Acker
Ungewöhnliche Trockenheit und extremer Starkregen haben in den vergangenen Jahren selbst in Deutschland zu Ernteausfällen geführt. Um die Nahrungsversorgung auch im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung sicherzustellen, suchen Expertinnen und Experten nach alternativen Anbaumöglichkeiten. Eine davon stellt Christian Häckl in diesem Klima Update vor.
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Was ist Vertical Farming?

Vertical Farming – auf deutsch: vertikale Landwirtschaft – meint die Herstellung von landwirtschaftlichen Produkten auf mehreren Ebenen, im Extremfall in regelrechten Hochregallagern und Hochhäusern. Nicht nur Gemüse und Obst kann so platzsparend angebaut werden, auch werden beispielsweise Schweine in solchen Hochhäusern gehalten.
Die Pflanzen, die hier gedeihen, wachsen nicht in Erde. Nährstoffe und Wasser erhalten sie über Sprühnebel oder die Behälter, in denen sie wachsen.
Die Idee, Gemüse und andere pflanzliche Lebensmittel in Etagen anzubauen, ist gar nicht neu. Der Klimawandel und die wachsende Weltbevölkerung haben Alternativen zur extensiven Landwirtschaft in den letzten Jahren aber dringlicher werden lassen.
Was ist Indoor Farming?
Das Indoor Farming geht noch einen Schritt weiter. Wie der Name schon sagt, findet der Anbau bzw. die Zucht drinnen in einem abgeschlossenen System statt – von Containern bis zu riesigen Hallen. Hier aber bleiben per definitionem Sonnenlicht, Wind und Niederschlag außen vor. Um die Sonne zu ersetzen, kommen Leuchtdioden (LEDs) zum Einsatz. Und oft werden auch hier die Anbauflächen übereinander angelegt, um viel Ertrag auf wenig Grundfläche zu ermöglichen.
Indoor Farming hat Zukunft

Welches Gemüse und Obst kann in Indoor Farmen angebaut werden?
Im Prinzip sind viele Gemüsearten und Obstsorten für den Innenanbau geeignet. Aber die Frage ist: Lohnt sich das bei allen gleichermaßen? Der Betrieb der Anlagen ist teuer und so muss der Platz optimal genutzt werden. Schnell wachsende und reifende Kulturen, die eng gepflanzt werden können, nicht besonders groß werden am Ende einen hohen Preis erzielen, sind sinnvoll. Derzeit konzentriert sich der Anbau auf Blattgemüse, wie Salat, Spinat oder Rucola und Kräuter, wie Basilikum, Koriander und Petersilie. Tomaten sind dagegen wegen ihrer Wuchshöhe nicht geeignet.
Ist künstliches Licht genauso gut wie Sonnenlicht für die Pflanzen?
Synthetisches Licht kann Sonnenlicht nicht ersetzen. Auch mit LED-Lampen kann kein so breites Lichtspektrum wie das der Sonne erzeugt werden. Allerdings kann mit der gezielten Steuerung des künstlichen Lichts das Wachstum der Pflanzen optimiert werden. Sogar Geschmack und bestimmte Inhaltsstoffe können durch ein geschickt gewähltes Spektrum beeinflusst werden, haben Forschungen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Weihenstephan-Triesdorf ergeben.
Ist Gemüse von Indoor Farming Betrieben genauso gesund und lecker wie anderes?

Ob das so trostlos angebaute Gemüse genauso gut schmeckt wie traditionell angepflanztes, ist sicher auch eine Frage der Einstellung und der des Vergleichsgemüses. Der liebevoll gehegte Salat im eigenen Garten wird bestimmt besser schmecken als Indoor-Farm-Salat. Gemüse aus dem Supermarkt wächst aber auch nicht unbedingt auf von Mikroorganismen durchzögenene Böden. Acker aus der konventionellen Landirtschaft sind oft ausgelaugt und nährstoffarm oder das Gemüse wächst in Gewächshäusern auf speziellem Substrat statt Erde. Durch die steuerbare Versorgung mit Nährstoffen kann das Gemüse aus vertikalen Farmen also durchaus wohlschmeckned und gesund sein.
Was sind die Vorteile von Indoor und Vertical Farming?
Was spricht für den intensiven Gemüseanbau in Hallen und Hochregallagern? Hier sind unter anderem zu nennen:
- Nutzpflanzen können das ganze Jahr hindurch unabhängig von Wettereinflüssen angebaut und geerntet werden
- wenn nah an der Nachfrage gebaut: kurze Transportwege
- weniger Verbrauch von Wasser, Düngemitteln, Pestiziden als bei konventioneller Landwirtschaft
- Chance für klimatisch benachteiligte Gebiete
- geringer Platzverbrauch
- exotisches Obst und Gemüse regional verfügbar
- hohe Automatisierung = geringe Personalkosten
Was sind die Nachteile von Indoor und Vertical Farming?
Das Prinzip hat natürlich auch jede Menge Nachteile, von denen hier sicher nur ein Teil genannt wird:
- hohe Erzeugungskosten durch Investitionen in Gebäude und Technik
- enorm hoher Stromverbrauch
- Einsatz von Millionen von LED-Lampen ökologischer Sicht ein No-Go
- keine Lösung für den Welthunger, weil Grundnahrungsmittel wie Reis, Kartoffeln Getreide so nicht angebaut werden kann
- Tierquälerei bei der Tierzucht
- befördert das Sterben von kleinbäuerlichen Betrieben
- Ernteausfälle bei Stromausfällen, Erdbeben, Anschlägen etc.
Gibt es auch Bio-Gemüse aus vertikaler Landwirtschaft?

Wenn das Gemüse unter Laborbedingungen wächst, muss es ja auch bio sein, oder? Abgesehen davon, dass Menschen, die Wert auf biologisch angebaute Lebensmittel Wert legen, sicher – erstmal – nicht in Versuchung kommen, in die künstliche Welt des Indoor Farming einzutauchen, geht das auch per definitionem nicht.
„Der Grundsatz des ökologischen Landbaus besteht nämlich in einer bodenbezogenen Produktion. Das heißt, die Pflanzen müssen in Erde wachsen. Auf künstlichem Substrat kultivierte Lebensmittel, die nur über eine wässrige Lösung mit Nährstoffen versorgt werden, dürfen nicht als "bio" oder "öko" verkauft werden“ heißt es beim Bundesinformationszentrum Landwirtschaft.
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(ctr)