Artensterben viel schlimmer als angenommen
Fast jede fünfte Pflanzen- und Tierart in Europa vom Aussterben bedroht
Es sind wirklich erschreckende Zahlen: Fast ein Fünftel der europäischen Tier- und Pflanzenarten ist vom Aussterben bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, für die die Roten Listen der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) analysiert wurden. Damit sind die Zahlen in Europa noch dramatischer als in anderen Teilen der Welt. Woran liegt das?
Im Video seht ihr, was ihr tun könnt, um den Tieren vor der eigenen Haustür über den Winter zu helfen
Europa nutzt sein Land zu intensiv
Die globale Bestandsaufnahme des Weltbiodiversitätsrates IPBES aus dem Jahr 2019 ging von einer Million bedrohter Arten aus. Der neuen Studie nach sind es nahezu doppelt so viele. Als die größten Bedrohungen für die biologische Vielfalt in Europa nennt die aktuelle Studie die landwirtschaftliche Bodennutzung, die zum Verlust von Lebensräumen führe, die Übernutzung biologischer Ressourcen, Umweltverschmutzung sowie die Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten.
Europa ist dicht besiedelt und wird intensiv genutzt. Daher ist die Situation bei uns so schlimm. Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein von der Universität Bayreuth fasst die Lage so zusammen: „Weite Bereiche europäischer Landschaften sind immer noch zunehmenden Nutzungsintensivierungen ausgesetzt. Landschaftliche Fragmentierung von Lebensräumen, Einsatz von Agrarchemikalien, Entsorgung von Gülle, vielfache Mahd von Grünland pro Jahr verurteilen die Naturschutzbemühungen auf den teils winzigen Restflächen zum Scheitern“, so der Leiter des Lehrstuhls Biogeographie.
Artenschutz ist Klimaschutz und umgekehrt

Das Ergebnis der Studie liest sich bitter: Fast ein Fünftel (19 Prozent) ist vom Aussterben bedroht – 27 Prozent der Pflanzenarten, 24 Prozent der wirbellosen Tierarten und 18 Prozent der Wirbeltierarten. Insgesamt sind 2.839 der untersuchten 14.669 Arten vom Aussterben bedroht.
Was können wir tun? Wir können den Fokus auf unsere Natur legen, und zwar in allen Bereichen. Denn wir Menschen können nur in einer intakten Umwelt überleben, in der möglichst viele Arten ihren Auftrag erfüllen. In einer isolierten, auf Menschen zugeschnittenen Umwelt können wir am Ende nicht überleben. Wir sind auf die Existenz der anderen Arten schlichtweg angewiesen.
„Ich kann daher nur appellieren, hier deutlich mehr Mittel zu investieren, um auch so das Artensterben zu entschärfen, statt dass die Politik weiterhin nur mehr wohlfeile Besorgnisbekundungen abgibt, aber dann untätig bleibt und die falschen Impulse setzt“, so Prof. Dr. Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität der Tiere von der Universität Hamburg.
Pessimistische Prognose der Experten
„Europa ist eine jener Regionen der Erde, für die wir noch die besten Daten haben. Wenn sich hier die Situation schon derart dramatisch darstellt, bedeutet dies, dass sich die Biodiversitätskrise in anderen, weitaus artenreicheren Regionen sehr wahrscheinlich noch deutlich brisanter darstellt – insbesondere in den nach wie vor unzureichend erforschten Tropengebieten, etwa in Asien und Afrika, wo es ein ungebrochenes Bevölkerungswachstum der Menschen als letztlich den Ressourcenverbrauch treibenden Faktor gibt,“ ordnet Glaubrecht ein.
Noch pessimistischer ist Prof. Maximilian Weigend von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: „Es wird nicht gelingen, politische Mehrheiten über die Dringlichkeit des Biodiversitätsschutzes zu informieren und sie für entsprechende Maßnahmen zu mobilisieren. Kein politisches System – auch nicht unseres – ist darauf ausgelegt, mit vergleichbar dramatischen und dringlichen Problemen umzugehen“, so Weigend. Er glaubt daher nicht, dass die Menschen bereit sind, Maßnahmen zu akzeptieren, die „Unannehmlichkeiten mit sich bringen“.
Geschwindigkeit der Veränderung und des Aussterbens ist enorm

Wie aber soll es sonst gehen? Laut Weigend sind wir mitten in einer dramatischen Veränderung der Lebensräume. „Eine massive Verschiebung der Vegetationszonen ist nicht etwa abzusehen, sondern bereits in vollem Gange. Wie die Arten in ihre ‚neuen‘ Klimanischen kommen sollen ist aber vollkommen unklar, da in den letzten Jahrzehntausenden nie eine vergleichbare schnelle Verschiebung der Klimazonen stattgefunden hat“, analysiert Weigend.
Doch wir Menschen sind leider Weltmeister im Wegschauen. Welche Lehren sollten wir aus dieser Studie ziehen? Es ist ziemlich eindeutig, dass wir uns einschränken müssen. Deutschland verbraucht das Dreifache der Ressourcen, die uns die Erde in einem Jahr zur Verfügung stellt. Wir können nicht weiter derart konsumieren, die Landschaft versiegeln und mit Pestizien überziehen. Es gilt der alte Spruch: Weniger ist mehr. Überlassen wir der Natur ein wenig mehr Raum – sie wird nur Gutes damit anfangen.
"Ohne Artenvielfalt gibt es nichts": Dirk Steffens erklärt, wieso Naturschutz so wichtig ist
Unsere Wettertrends und Themenseiten
Sollten Sie Interesse an weiteren Wetter-, Klima- und Wissenschaftsthemen haben, sind Sie bei wetter.de bestens aufgehoben. Besonders ans Herz legen können wir Ihnen auch den 7-Tage-Wettertrend mit der Wetterprognose für die kommende Woche. Dieser wird täglich aktualisiert. Falls Sie weiter in die Zukunft schauen möchten, ist der 42-Tage-Wettertrend eine Option. Dort schauen wir uns an, was auf uns in den kommenden Wochen zukommt.
Damit Sie auch unterwegs kein Wetter mehr verpassen, empfehlen wir unsere wetter.de-App für Apple- und Android-Geräte.
Klima-Rekorde - Ist Deutschland noch zu retten? Die Doku im Online Stream auf RTL+
Streaming-Tipp: Klima-Rekorde – Ist Deutschland noch zu retten?
(osc)