Neue Studie widerlegt bisherige Entstehungstheorie

Muss die Entstehung der Kontinente neu gedacht werden?

von Arne Draheim

Bislang ging die Wissenschaft davon aus, dass es konkrete Zusammenhänge zwischen dem Mineral Granat und der Entstehung der Kontinente gibt. Nun widerlegt eine neue Studie die bisherigen Kenntnisse. Müssen die Lehrbücher nun umgeschrieben werden?

An der Entstehungstheorie wurde bislang kaum gerüttelt

Zugegeben, es liegt schon etwas zurück. Vielleicht erinnern Sie sich ja noch an Ihre Schulzeit zurück, als die Entstehung unseres Planeten Unterrichtsinhalt war. Falls nicht, hier noch einmal die Kurzfassung:

Als glühend heißer, unbewohnbarer Planet ist die Erde vor knapp 4,5 Milliarden Jahren entstanden. Erst als sich die Gesteinsmassen nach Millionen Jahren abgekühlt haben, konnte sich Wasser sammeln. Vor knapp drei Milliarden Jahren erhoben sich dann erste Landmassen aus dem Wasser, die heute die Urformen unserer Kontinente bilden. So die bisherige Entstehungstheorie. Daran wurde bislang wenig gerüttelt – bis jetzt. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass sich die Kontinente doch ganz anders gebildet haben, als bislang angenommen.

Sind die bisherigen Kenntnisse zur Kontinent-Entstehung falsch?

Earth core structure. Elements of this image furnished by NASA
Der Erdkern ist in mehrere Schichten untergliedert. Ganz oben ist die Erdkruste, Darunter befindet sich der Mantel, der sich in den Oberen und Unteren Mantel unterteilt. Darunter befinden sich der äußere und innere Kern der Erde.

Schon die Urknall-Theorie wurde als umstritten abgetan. Doch sind bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse nun auch falsch? Müssen gar die Geschichtsbücher nun umgeschrieben werden? So gravierend ist es nicht- aber der Teufel liegt im Detail. Außerdem konzentrieren wir uns lediglich auf die Plattentektonik. Bislang ging die Wissenschaft nämlich davon aus, dass die ozeanischen Platten eisenreicher und somit schwerer sind als kontinentale Platten.

Der Grund für die bisherige Annahme ist das Mineral Granat. Aufgrund der hohen Dichte wurde bislang davon ausgegangen, dass Granate unter höchstem Druck entstanden sind. Kristallisiert das Mineral, ist das ein Indiz für die eisenarme Grundlage einer Kontinentalplatte. Diese These wurde 2018 im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht.

Granat: Das Gestein, das Theorien ins Wanken bringt

Roter Granat mit Facettenschliff. Aufnahme vom 13.05.2004. Foto: Harald Tittel dpa.
Granat: Eigentlich eher als Edel- und Halbedelstein bekannt.

Nun bringt das Gestein, das in seiner kristallinen Form auch als Edel- bzw. Halbedelstein bekannt ist, eine ganze Theorie ins Wanken. Neuste Forschungen verdeutlichen nämlich, dass es offenbar keinen konkreten Zusammenhang zwischen dem Mineral und der Entstehung der Kontinente gibt. Die Forscherinnen Megan Holycross und Elizabeth Cottrell von der Smithsonian Institution in Washington sind der Theorie von 2018 gefolgt und zu einem abweichenden Ergebnis gekommen.

Mit einer speziellen Kolben-Zylinder-Presse haben die beiden Forscherinnen in 13 verschiedenen Experimenten getestet, ob die Kristallisation von Granat für die Bildung kontinentaler Platten überhaupt notwendig ist. Ein solches Experiment gab es zuvor noch nicht. Hierfür haben sie die Druckverhältnisse und Temperaturen (von bis zu 1.230 Grad Celsius) simulieren können, die normalerweise in tiefen Magmakammern der Erdkrusten vorhanden sind. Das ist notwendig, im Gestein realisgetreu einzuschmelzen und im Anschluss Granatproben zu erhalten. Zum Vergleich: Die Druckverhältnisse sind knapp 8.000 Mal höher in einer verschlossenen Dose Soda.

Forschungen noch nicht abgeschlossen: Entstehungstheorie wird weiterentwickelt

Die Grafik veranschaulicht die Plattentektonik der Erde. Als Motor der Bewegung werden Wärmeströmungen im Erdmantel angenommen.
Die Grafik veranschaulicht die Plattentektonik der Erde. Als Motor der Bewegung werden sogenannte Konvektionsströmungen, also Wärmeströmungen im Erdmantel angenommen.

Am Ende des umfangreichen Ergebnisses stand die abschließende Schlussfolgerung: „Man braucht hohen Druck, um Granat stabil zu machen. Und man findet dieses eisenarme Magma an Orten, an denen die Kruste nicht so dick ist und der Druck daher nicht so hoch ist“, resümierte Cottrell in einer Erklärung. Heißt im Umkehrschluss: Die selbstgezüchteten Granatproben wiesen nicht genug oxidiertes Eisen auf, um die eisenarme Zusammensetzung der Kontinentalplatten wissenschaftlich zu untermauern.

Stattdessen geht das Team um Cottrell und Holycross davon aus, dass oxidierter Schwefel dahinter stecken könnte. Die Forschungen dauerten insgesamt knapp fünf Jahre an und deuten laut Cottrell nun darauf hin, dass „die Bedingungen im Erdmantel unterhalb der kontinentalen Kruste diese oxidierten Bedingungen bestimmen." Wie so viele Ergebnisse führen auch diese wissenschaftlichen Resultate zu weiteren Fragen. Eine davon formulierte Cottrell schon jetzt: "Wenn es sich nicht um die Granatkristallisation in der Kruste handelt, sondern darum, wie die Magmen aus dem Erdmantel kommen, was passiert dann im Erdmantel?“ Die Antwort darauf könnte es in einigen Jahren geben, denn erste Forschungen auf Grundlage der neuen Ergebnisse sollen demnächst anlaufen. Ob die Entstehung der Kontinenten dann tatsächlich neu gedacht werden muss, bleibt abzuwarten.

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