Studie zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs
Klimaneutral Fliegen - Wunschtraum oder wirklich möglich?
von Oliver Scheel

Klar, Fliegen ist ungeheuer praktisch. In ein paar Stunden ist man auf Mallorca, mit dem Auto und einer Fähre würde das mindestens zwei Tage dauern. Aber Fliegen ist auch eine treibende Kraft bei der Klimaerwärmung. Und einfach mal so elektrisch Fliegen ist ein ferner Zukunftstraum. Was können synthetische Kraftstoffe leisten oder geht es nur mit Minimierung? Welche Transformationen braucht es, damit Fliegen klimaneutral wird? Eine aktuelle Studie, die im Fachblatt „Nature Sustainability“ erschien, hat sich mit diesen Dingen befasst. Hier einige Ergebnisse und Einschätzungen.
Fliegen: Die Nachfrage muss sinken
Den Flugverkehr klimaneutral zu gestalten, ist äußerst kompliziert. Bisher werden etwa 3,1 Prozent der globalen CO2-Emissionen durch den Luftverkehr verursacht. Hier spielen allerdings andere Gase wie Stickoxide und Wasserdampf eine große Rolle. Sie werden als Nicht-CO2-Emissionen bezeichnet und die entstehen auch, wenn klimaneutrale Treibstoffe verwendet werden. Zu nennen sind hier Kondensstreifen und die damit verbundene Entstehung von Cirruswolken. Und der Markt wächst, vor allem in Schwellenländern.
Die Forschenden kommen zu dem Ergebnis, dass allein 61 Prozent der Flugemissionen durch eine veränderte Nachfrage vermeidbar wären. Allerdings wird es der Studie zufolge unumgänglich sein, in großem Maßstab Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen, um etwa die Emissionen von Wasserdampf aus dem Flugverkehr zu kompensieren.
Was können wir noch tun?
- Die Nachfrage senken (also weniger fliegen), Verlagerung von Flügen auf die Bahn
- Elektrische Antriebssysteme für Kurzstreckenflüge entwickeln
- Die verfügbare Menge an Erneuerbarer Energie für alternative Kraftstoffe vervielfachen
Reicht das?
Jakob Graichen vom Öko-Institut in Berlin, hat sich die Studie angeschaut und sieht viele Möglichkeiten: „Ein Ende der Subventionen des Luftverkehrs – insbesondere die Befreiung von der Kerosinsteuer und Mehrwertsteuer auf internationalen Strecken – würde sofort die Emissionen senken.“ Graichen hält auch ein Verbot von Kurzstreckenflügen für hilfreich.
„Mittelfristig muss fossiles Kerosin durch emissionsneutrale Treibstoffe und insbesondere e-Kerosin ersetzt werden. Biotreibstoffe werden auch eine Rolle spielen, aber mögliche Landnutzungskonflikte und Anforderungen an Nachhaltigkeit begrenzen das Potenzial“, so Graichen.
Professor Anthony Patt von der ETH Zürich ist sicher, dass das wichtigste Element die Entwicklung und Förderung synthetischer Flugkraftstoffe ist, die mit erneuerbaren Energien hergestellt werden. Aber: „Die Herstellung dieser Kraftstoffe, die entweder Strom oder konzentrierte Sonnenwärme als primäre Energiequelle nutzen, beginnt aktuell gerade erst. Es wird nicht einfach sein, genug von diesen Kraftstoffen zu produzieren, um den weltweiten Bedarf zu decken. Bei der letztgenannten Methode (Sonnenwärme) bräuchte man zum Beispiel Sonnenkollektoren auf einer Fläche von etwa 40.000 Quadratkilometern, um den derzeitigen Bedarf an Flugkraftstoff zu decken.“
Welche anderen Herausforderungen gibt es?

Ein Problem wird sein, dass nachhaltige Treibstoffe mittelfristig deutlich teurer bleiben werden als fossiles Kerosin, glaubt Graichen: „Aktuell wird nur ein verschwindend kleiner Teil des Biotreibstoffs für den Luftverkehr verwendet. Ähnlich sieht es bei der Produktion von e-Kerosin aus: Die globale Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hätte im Jahr 2019 – vor dem Einbruch durch die Corona-Pandemie – nicht gereicht, um den globalen Luftverkehr mit e-Kerosin zu versorgen.“
Patt hält eine Beimischquote für ein geeignetes Instrument. Der von der EU verabschiedete „Fit-for-55“-Plan sieht vor, dass ein bestimmter Prozentsatz nachhaltiger Flugtreibstoffe der Kerosin-Mischung beigefügt werden muss.
Was muss die Politik tun, um die Emissionen zu mindern?
Professor Stefan Gössling von der Linnaeus University in Kalmar, Schweden schlägt eine hohe Besteuerung von CO2 und von Vielfiegern vor: „Ein Prozent der Menschheit ist für 50 Prozent der Emissionen aus dem Flugverkehr verantwortlich. Ein Privatflugzeug emittiert in etwa sechs Stunden so viel wie ein Durchschnittseuropäer in einem Jahr.“
Und Frank Wetzel vom Umweltbundesamt sieht den Staat in der Pflicht: „Die steuerliche Gleichbehandlung ist entscheidend, um einen fairen Wettbewerb mit umweltverträglicheren Verkehrsmitteln zu ermöglichen. So zahlt der Luftverkehr immer noch keine Energiesteuer auf das verbrannte Kerosin und internationale Flugtickets sind von der Mehrwertsteuer befreit.“
Es ist ein weiter Weg bis zur Klimaneutralität im Fliegen. Und sie wird nicht von alleine kommen. Technologische Entwicklung, ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Fliegerei durch uns Privatmenschen und staatliche bzw. politische Maßnahmen sind der Dreiklang, der das Fliegen halbwegs umweltfreundlich gestalten könnte.
Unsere Wettertrends und Themenseiten
Sollten Sie Interesse an weiteren Wetter-, Klima- und Wissenschaftsthemen haben, sind Sie bei wetter.de bestens aufgehoben. Besonders ans Herz legenkönnen wir Ihnen auch den 7-Tage-Wettertrend mit der Wetterprognose für die kommende Woche. Dieser wird täglich aktualisiert. Falls Sie weiter in die Zukunft schauen möchten, ist der 42-Tage-Wettertrend eine Option. Dort schauen wir uns an, was auf uns in den kommenden Wochen zukommt. Vielleicht interessiert Sie eher wie sich das Klima in den vergangenen Monaten verhalten hat und wie die Prognose für das restliche Jahr aussieht. Dafür haben wir unseren Klimatrend für Deutschland.
Damit Sie auch unterwegs kein Wetter mehr verpassen, empfehlen wir unsere wetter.de-App für Apple- und Android-Geräte.
Klima-Rekorde - Ist Deutschland noch zu retten? Die Doku im Online Stream auf RTL+
Streaming-Tipp: Klima-Rekorde – Ist Deutschland noch zu retten?
(osc)