Und wieder bremsen die gleichen

Die vertane Chance beim Plastikabkommen: Profit geht immer noch vor Planet

von Oliver Scheel

Kleines Rätsel zum Start: Was wird im Schnitt 12 Minuten lang benutzt, verbleibt aber Hunderte von Jahren in der Natur? Es ist die Plastiktüte. Die Erfindung dieses vermeintlichen Fortschritts ist mittlerweile zu einer großen Bedrohung für uns Menschen, die Tiere und letztlich den gesamten Planeten geworden. Bei gerade einmal drei Prozent der Plastiktüten schaffen wir es sie zu recyclen. Und auf der Konferenz in Südkorea, auf der ein Plastikabkommen geschaffen werden sollte, das die Plastikverschmutzung an Land und vor allem im Meer aufhalten sollte, kam wieder einmal heraus: NICHTS. Warum? Weil die großen Erdölförderer sich einmal mehr gegen eine Reduzierung sperrten. Saudi-Arabien, aber auch Russland werden mehr und mehr zum Totengräber dieser Erde.
Mikro- und Nanoplastik aus der Atmosphäre belastet Meere in den entlegensten Orten der Welt

Plastikproduktion: Unglaubliche Zahlen

Plastiktüten bestehen in erster Linie aus Erdöl. Mit der Menge Erdöl, die zur Herstellung einer Plastiktüte verwendet wird, könnte ein Auto immerhin elf Meter weit fahren. Hört sich wenig an? Dass das für die Erdölstaaten ein echter Faktor ist belegt folgende Zahl: Wenn wir alle Plastiktüten der Welt zusammenkleben würden, dann könnten wir die Erde damit 4.200 Mal umwickeln. So werden pro Sekunde weltweit 160.000 Plastiktüten benutzt. Pro Sekunde!

Plastik ist überall und wir Menschen sind riesige Plastikfans. Im Jahr 2020 wurden 547 Millionen Tonnen Plastik verbraucht, von denen nur 14 Prozent aus recyceltem Material stammten.

So wird Plastik mehr und mehr zu einem gesamtgesellschaftlichen, ja planetaren Problem. Warum? Weil wir nicht wissen, wohin damit und weil Plastik extrem langlebig ist. „Die weltweite Vermüllung der Natur mit Plastik ist neben dem Klimawandel eines der größten Umweltprobleme. Jährlich landen bis zu 23 Millionen Tonnen als Müll in unseren Meeren, Flüssen sowie Seen und Mikroplastik findet sich mittlerweile im menschlichen Körper, in Tieren und Pflanzen“, sagte Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Müllstrudel im Meer viermal so groß wie Deutschland

26.11.2024, Indien, Mumbai: Menschen spazieren am Strand des Badhwar Park an der Küste des Arabischen Meeres an Plastikmüll vorbei. Foto: Rajanish Kakade/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ist ja nur Plastik

Zwar hat sich Deutschland für eine Obergrenze an Plastik ausgesprochen, wir dürfen uns aber auch ordentlich an die eigenen Nase fassen. Schließlich wird in Deutschland mit 227 Kilogramm pro Kopf und Jahr der zweitmeiste Verpackungsmüll in Europa verursacht. Und wir sind besonders gut darin, unseren Plastikmüll zu verschiffen. 2018 exportierte Deutschland über 740.000 Tonnen Plastikmüll, vor allem nach Malaysia und in andere asiatische Länder.

Und was machen die dann damit? Ach, da fragen wir einfach nicht. Fakt ist, dass Millionen Tonnen einfach im Meer landen, dass es dort schon riesige Müllstrudel gibt, die wir sogar aus dem Weltall sehen. Der größte ist der „Great Pacific Garbage Patch“ (Großer Pazifischer Müllfleck), der sich im Nordpazifik befindet. Er ist gut viermal so groß wie Deutschland! Und da soll einer sagen, wir hinterließen keine Spuren auf dem Planeten.

Ungeahnte Folgen für unsere Gesundheit

Müllsammler auf Müllhalde, Müllberg mit Abfall und Plastikmüll, Choeung Ek, Phnom Penh, Kambodscha, Asien *** Garbage collector on garbage dump garbage mountain with garbage and plastic garbage Choeung Ek Phnom Penh Cambodia Asia Copyright: imageBROKER/FotoxBeck iblsbe04879657.jpg Bitte beachten Sie die gesetzlichen Bestimmungen des deutschen Urheberrechtes hinsichtlich der Namensnennung des Fotografen im direkten Umfeld der Veröffentlichung!
Auf dieser Müllkippe in Kambodscha landet dann auch unser deutscher Müll. Wie praktisch.

Wir alle kennen die Bilder von den Seevögeln, die am Strand verwesen. Was aber nicht verwest, ist das Plastik in ihren Mägen. Wir alle kennen die Bilder von Schildkröten, die sich in den Resten Plastiknetzen verheddern, wir alle kennen die Bilder von strangulierten Vögeln. Es ist schrecklich und absolut unverständlich, wie ganzen Staaten das einfach komplett egal ist, weil sie mit der Produktion von Plastik Geld verdienen.

Auch die Menschen in Saudi-Arabien und Russland leben mit dem Plastikmüll. Auch sie nehmen es über ihre Nahrung in Form von Mikroplastik zu sich, niemand kennt die Folgen. Es heißt, dass wir mittlerweile fünf Gramm Mikroplastik pro Woche durch unsere Körper schleusen. Auswirkungen auf das menschliche Immun- und Nervensystem werden vermutet, Autoimmunerkrankungen, Krebs, die ganze Palette.

Machen wir doch einfach so weiter, oder? Plastik ist aber auch einfach zu praktisch. Ich hoffe manchmal, dass es keine größere und intelligenere Macht im Weltall gibt, die uns zuschaut, wie wir mit größtem Eifer unsere eigene Lebensgrundlage zerstören und vermüllen. Planet egal, Hauptsache das Konto ist voll. Da fragt man sich schon, ob der Mensch wirklich ein so intelligentes Lebewesen ist...

(osc)