Bloß nicht auf Wasserstoff warten
Warum Wasserstoff keine sinnvolle Alternative beim Heizen ist
von Oliver Scheel
Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Doch Wasserstoff muss erzeugt werden, und wir brauchen ihn in großen Mengen. Ist es sinnvoll oder überhaupt möglich, unsere Heizungen mit Wasserstoff zu betreiben, wie es vor allem die FDP fordert? Leider nein. Und das hat auch nichts mit Technologie-Offenheit zu tun. Es spricht schlichtweg zu viel gegen Wasserstoff für die warme Stube.
Politiker reden goldene Zukunft mit Wasserstoff herbei
Es klingt ja immer schön, wenn die FDP sich der Zukunft zuwendet und den „technologieoffenen Ansatz“ verfolgt. So will FDP-Chef Christian Lindner sogar gerne Heizungen fördern, die mit blauem Wasserstoff betrieben werden. Auch sein Parteikollege Christian Dürr malt sich die Zukunft rosarot: „Es kann doch bald Gasheizungen geben, die mit Wasserstoff betrieben werden können“, sagte er der „Mediengruppe Bayern“. Wasserstoff könne deutlich günstiger in Anschaffung und Betrieb sein. Wer ihm das verraten hat, bleibt sein Geheimnis. Wasserstoff soll uns aber offenbar die CO2-neutrale Zukunft retten.
Auch der selbsternannte Klimakanzler Olaf Scholz hat den Wasserstoff beim Heizen im Blick. Man könne auch eine Gasheizung nutzen, wenn diese später mit Wasserstoff betrieben werden könne. Blöderweise sagen fast alle Menschen, die sich beruflich mit dieser Thematik auseinandersetzen, dass Wasserstoff zum Heizen nicht infrage kommt. Warum ist das so?
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Knapp und teuer und "sicher nicht für die breite Masse"

Wasserstoff wird noch sehr lange knapp und teuer sein und wir werden ihn uns für das Heizen kaum leisten können. Das sind die Worte von Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen. Der betonte, dass Wasserstoffheizungen „sicherlich nur in Einzelfällen die Lösung“ sein könnten und nicht für die breite Masse. Auch Netzagentur-Chef Klaus Müller sieht Wasserstoff nicht als Alternative: Die Zeit für Gasheizungen laufe ab und als wichtigste Alternative gelten Wärmepumpen.
Wasserstoff ist nicht nur knapp und (noch) teuer, er ist leider auch ein flüchtiger Geselle. „Der kriecht uns aus den Armaturen“, sagte Ramona Mittag von der Verbraucherzentrale NRW. So könne man zwar Wasserstoff dem Gasnetz beimischen, aber dafür müsste das Leitungssystem auch überarbeitet werden, sonst käme in den Haushalten nicht mehr viel davon an.
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Wissenschaft ist sicher: Wasserstoff wird beim Heizen keine Rolle spielen
Wasserstoff muss hergestellt werden. Dafür muss Energie investiert werden. Zum Einen muss diese Energie aus Erneuerbaren kommen, zum Zweiten ist es eben sehr viel Energie, die aufgewendet werden muss. Wasserstoff hat somit ein Effizienzproblem. Und deshalb ist es wesentlich sinnvoller, auf Wärmepumpen zu setzen.
Denn die sind in der Energiebilanz „praktisch nicht zu schlagen“, wie es Felix Doucet formulierte, der am Competence Center für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E) der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg eine Untersuchung zum Wasserstoff für Heizungen durchführte. Und: 32 unabhängige Studien kommen allesamt zu dem Schluss, dass Wasserstoff als fossilfreie Heizquelle von Häusern keine bedeutende Rolle spielen wird, weder als direkter Ersatz für fossiles Gas noch als Gemisch im Gasnetz.
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Heftige Kritik kommt von der Deutschen Umwelthilfe
Die Deutsche Umwelthilfe findet in der Diskussion aber noch viel drastischere Worte: „Verbraucherinnen und Verbrauchern den Bären aufzubinden, dass sich für sie nichts ändern wird und eines Tages der Wasserstoff vor ihrer Tür liegt, wäre fahrlässig und eine Katastrophe für den Klimaschutz. Jetzt auf Wasserstoff zu setzen, bedeutet für Jahrzehnte weiter fossil zu heizen. Damit wird der klimapolitische Crashkurs des Gebäudesektors endgültig zementiert“, sagte Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.
Besonders problematisch ist, dass die FDP sogar blauen Wasserstoff für das Heizen einsetzen möchte. „Das ist Wasserstoff, der aus fossilen Energien hergestellt wird - und damit noch dreckiger, da durch den Umwandlungsprozess noch ineffizienter. Das ist die Förderung der Klimazerstörung", kommentiert Metz. Denn bei der Herstellung werden zunächst fossile Energien benutzt. Die sollen dann zwar abgeschieden und im Erdboden gespeichert werden, aber nicht 100 Prozent.
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Wo werden wir den Wasserstoff dann nutzen?

Wasserstoff brauche wir vor allem da, wo keine Alternativen ersichtlich sind. In der Industrie, im Schiffs- und wohl auch im Flugverkehr. Bei Autos und beim Heizen gibt es Alternativen. Wasserstoff wird künftig also da benötigt, wo keine effizientere Lösung verfügbar ist: Zum einem als Endenergieträger in der direkten Nutzung, beispielsweise der Stahlindustrie, als auch als Sekundärenergieträger, um Methan, Benzin, Diesel oder Kerosin herzustellen“, schreibt das Umweltbundesamt.
Zur Verfügbarkeit nimmt das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) folgende Einordnung vor: „Weltweit wird grüner Wasserstoff bis 2035 wahrscheinlich weniger als 1 Prozent der Endenergie liefern, während die Europäische Union die 1-Prozent-Marke schon etwas früher, etwa 2030, erreichen könnte.“
Fazit: Jetzt eine Gas-Heizung kaufen und auf grünen Wasserstoff warten, ist keine gute Idee.
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(osc)