Wenn Schwitzen nicht mehr hilft, wird es gefährlich

Was passiert bei Hitze in unserem Körper?

von Oliver Scheel

Hitze ist ein unsichtbarer Killer, heißt es oft. Die hohen Temperaturen bringen viele Gefahren mit sich, die bis zum Tod führen können. Was passiert bei Hitze im Körper?

Die Feuchtkugeltemperatur entscheidet über Leben und Tod

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat einen Hitzeschutzplan vorgestellt. Denn Hitze tötet. Im Hitzesommer 2003 starben ungefähr 70.000 Menschen. Das Problem bei der Hitze ist vor allem die Luftfeuchtigkeit. Wenn es schwül ist, kommen wir Menschen schnell an unsere Grenzen. In der Sauna erhöht sich nicht die Temperatur beim Aufguss, sondern nur die Luftfeuchtigkeit. Da kommt der Körper irgendwann nicht mehr hinterher.

Ein Index für Hitzestress ist die „Wet Bulb Globe Temperature“ (WBGT). Sie setzt sich zusammen aus der normalen Lufttemperatur, der Sonnenstrahlungswärme und der Feuchtkugeltemperatur, auch Kühlgrenztemperatur genannt. Sie ist abhängig von der Luftfeuchtigkeit und beschreibt die tiefste Temperatur, die sich in einer bestimmten Umgebung durch Verdunstung und Abkühlung noch erreichen lässt – bei Menschen also in erster Linie durch Schwitzen. Ist sie über einen längeren Zeitraum zu hoch, kann der Körper überhitzen.

Wenn Schwitzen nichts mehr nutzt, wird es lebensgefährlich

10.08.2023, Spanien, Murcia: Ein Mann kühlt sich in einem Brunnen in Murcia ab. Die staatliche meteorologische Agentur AEMET hat für mehrere Gebiete des Landes die Alarmstufe Rot wegen hoher Temperaturen ausgerufen. Die Temperaturen könnten zwischen 42 und 44 Grad Celsius erreichen. Foto: Javier Carrión/EUROPA PRESS/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Hitzewelle in Spanien: Trockene Hitze ertragen Menschen besser als Schwüle.

Was droht uns, wenn wir mit der Hitze nicht mehr klarkommen? Prof. Dr. Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung in Freiburg (ZMMF) spricht von vielfältigen gesundheitlichen Folgen von Hitze: „Hitzeerschöpfung, Hitzekrämpfe, Kreislaufkollaps oder Multiorganversagen, was bis zum Tod führen kann“, so der Experte. Eine bestimmte Temperatur allein ist nicht der Grund, etwa 70 Faktoren würden hier eine Rolle spielen. Dazu gehörten Aktivität, Bekleidung, Alter, Gewicht, Geschlecht oder Krankheitsgeschichte.

Was aber passiert bei Hitze im Körper? Zunächst einmal schwitzen wir. Das ist gut. Prof. Henny Annette Grewe von der Hochschule Fulda erklärt, dass die überschüssige Wärme durch Schwitzen nach außen abgegeben wird. „Drei wichtige Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein. Erstens muss ein Temperaturgefälle von unserem Körperkern hin zur Haut bestehen, damit Wärme überhaupt an die Körperoberfläche transportiert wird und Schweiß verdunstet. Zweitens muss genug Flüssigkeit im Körper vorhanden sein. Kurzfristig können gesunde Erwachsene mehr als zwei Liter Schweiß pro Stunde produzieren. Und drittens: Der verdunstende Schweiß muss noch als Wasserdampf in die Luft ‚hineinpassen‘, das heißt, die Luft darf nicht wasserdampfgesättigt sein.“

Schon bei 35 Grad und 100 Prozent Luftfeuchte können wir nur kurz überleben

A Palestinian man, Ismail Nashwan, struggles for breath at Shohda Al Aqsa hospital amid a heatwave in Deir Al-Balah, central Gaza Strip, July 25, 2023. REUTERS/Ibraheem Abu Mustafa
Hitze ist besonders für Menschen mit Vorerkrankungen gefährlich.

Was heißt das? Das heißt, dass selbst gesunde Erwachsene bei 37 Grad und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit „nur kurzfristig überleben können, weil dann über Schwitzen keine Wärme mehr abgegeben werden kann“. Experimente haben gezeigt, dass schon niedrigere Temperaturen „in der Kombination mit 100 Prozent relativer Luftfeuchte, also ab einer Kühlgrenztemperatur von 35 Grad, nicht auf Dauer mit dem menschlichen Leben vereinbar sind“, so Grewe. Oder, so formuliert es Dr. Julia Schoierer von der Ludwig-Maximilians-Universität München: „Bei hoher Luftfeuchtigkeit bringt die Verdunstungskühle nicht den notwendigen Erfolg. Sehr hohe Temperaturen in Kombination mit hoher Luftfeuchte sind somit besonders gefährlich.“

In Deutschland wird eine so hohe Luftfeuchtigkeit so bald nicht erreicht, aber: „Andere Regionen der Welt, in denen es schon jetzt bei hoher Luftfeuchtigkeit sehr heiß ist, könnten in absehbarer Zukunft betroffen sein, und wenn dies eintritt, betrifft das aufgrund von Migration die ganze Welt, also auch uns“, weiß Grewe.

Realistische Gefahr für unsere Gesundheit

Die Temperaturen steigen und führen zu mehr Hitzeereignissen in Deutschland. „Zusammen mit hoher Luftfeuchte wird das zunehmend eine realistische Gefahr für unsere Gesundheit“, warnt Schoierer. Fakt ist, es wird wärmer auf dem Planeten. Besonders bedroht sind Alte, Schwangere und Kinder. Die Gefahr für Hitzekollaps und Hitzschlag steigt. „Dies droht bei älteren Personen und solchen mit Vorerkrankungen am Herz-Kreislaufsystem, der Lunge und oder der Nieren bereits bei 32 Grad WBGT oder auch darunter in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung“, sagte Prof. Hanns-Christian Gunga von der Berliner Charité.

Kinder überhitzen schneller, auch schnell wachsende Jugendliche sind gefährdet: „Bei Jugendlichen kommt hinzu, dass der Gefäßtonus noch nicht solide ist, wenn sie in kurzer Zeit schnell gewachsen sind. Das Herz muss den Körper plötzlich mit viel mehr Blut versorgen und kommt zeitweise nicht hinterher“, erklärt Prof. Christian Witt, ebenfalls von der Charité in Berlin.

ARCHIV - 27.04.2023, Niedersachsen, Hannover: Ein Badegast springt im Freibad Annabad mit einem Kopfsprung ins Wasser. (zu dpa: «Straftaten in Schwimmbädern in Niedersachsen lange rückläufig») Foto: Julian Stratenschulte/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Schwimmbäder bleiben in Frankreich bei großer Hitze länger geöffnet.

Der Mensch benötigt Schlaf, um sich zu erholen. Wenn nun die Zahl der tropischen Nächte zunimmt, in denen es nicht kälter als 20 Grad wird, erhöht das die Gefahr. „Hochrechnungen aus den USA zeigen, dass wir bei steigenden Temperaturen, also weiterer Erderwärmung im ungünstigsten Szenario ab 2050/2060 mehr vorzeitige Todesfälle in den USA haben werden als durch die Luftbelastung, die durch emissionsärmere Mobilität und Heizung abnehmen wird“, so Witt.

Der demografische Wandel macht einen Hitzeschutzplan und Hitzewarnungen so wichtig. Denn: 42 Prozent der Europäer sind älter als 65 Jahre und 77 Prozent leben in Städten. Die heizen sich in einer Hitzewelle besonders auf. In Frankreich können sich ältere Menschen in ein Register eintragen, damit sie in einer Hitzewelle von den Behörden unterstützt werden. Schwimmbäder bleiben länger geöffnet, um Abkühlung zu verschaffen, die Menschen können klimatisierte städtische Räume aufsuchen. Es gibt einiges zu tun in den Zeiten der globalen Erwärmung auch in Deutschland.

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(osc)