Erdwärme neu gedacht

Stromerzeugung vom heißen Stein: Wasser dreht Loopings im Geothermie-Kraftwerk

von Christian Häckl & Claudia Träger

Unter uns schlummert ein riesiger, unerschöpflicher Energie-Schatz, der gegenüber anderen nicht fossilen Energieträgern wie Wind oder Solar einen entscheidenden Vorteil hat: Er ist immer verfügbar. Die Rede ist von Geothermie. Normalerweise nutzt sie heißes Thermalwasser in wasserführenden Schichten in der Tiefe. Das kanadische Unternehmen Eavor geht einen neuen Weg. Christian Häckl erklärt im Klima Update die Versuchsanlage in Bayern, deren Prinzip sehr einfach klingt, aber trotzdem sehr teuer ist.

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Was ist Geothermie?

Badende Menschen in den heißen Thermalquellen Reykjadalur, Geothermalgebiet, bei Hveragerdi, Südisland, Island, Europa
Geothermie als Touristenattraktion: Die Blaue Lagune in Island.

Im Erdinneren ist es megaheiß. Ab einer Tiefe von 50 Metern steigt die Temperatur im Mittel um 3 Grad pro 100 Meter an. Die durchschnittliche Temperatur in 5.000 Meter Tiefe liegt bei 160 Grad. Viel Energie, die doch irgendwie genutzt werden müsste. Genau darum kümmert sich die Geothermie-Technik. Wie kann die in der Erdkruste gespeicherte Wärmeenergie zum Heizen und zur Stromerzeugung genutzt werden?

Man unterscheidet zwischen tiefer Geothermie und oberflächennaher Geothermie. Bei letzterer geht es um die Nutzung der Erdwärme aus bis zu 400 Meter Tiefe. Dort ist es allerdings noch nicht warm genug, um die Wärme 1:1 zu nutzen. Mit Wärmepumpen lässt sich die Temperatur aber auf 35 bis 55 Grad erhöhen, die zum Heizen benötigt werden. Erdwärme aus noch tieferen Schichten wird als Tiefengeothermie bezeichnet.

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Heiße Schleifen unter der Erde

Bohrungen in der Tiefe für Wärme über der Erde.
Geothermie-Technik: Bohren, bis es heiß wird.

Anfang des Jahres waren die senkrechten Bohrungen der im Video beschriebenen Versuchsanlage bis in 4,5 Kilometer Tiefe abgeschlossen. Die technische Herausforderung besteht jetzt noch darin, die beiden Bohrungen zu verbinden. Dann ist der Loop, die Schleife, fertig. Später zirkuliert eine Flüssigkeit in einem Kreislauf, der sie durch das heiße Gestein erwärmt nach oben und abgekühlt in die Tiefe bringt.

Der Loop ist insgesamt etwas mehr als 90 Kilometer lang. Da in Geretsried vier solcher Schleifen geplant sind, entstehen insgesamt 360 Kilometer lange senkrechte und waagerechte Bohrlöcher.

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Tiefen-Geothermie noch ausbaufähig

Im Jahr 2022 wurden nur 0,7 Prozent der regenerativen Wärme in Deutschland aus Tiefengeothermie bereit gestellt.
Verteilung der Wärmebereitstellung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland nach Energieträger im Jahr 2022

Noch nimmt Geothermie einen sehr geringen Anteil auf dem deutschen Energiesektor ein. Trotzdem sind die Betreiber der im Video beschriebenen Versuchsanlage überzeugt, dass sie erfolgreich sein werden. Sie sagen, dass die Prognosen eben noch nicht die neue Closed-Loop-Geothermie auf dem Schirm haben, sondern von der Erschließung hydrothermaler Vorkommen ausgehen. Das neue Verfahren braucht aber kein Thermalwasser, ein Eavor-Loop™ kann praktisch überall entstehen und Energie genau dort liefen, wo sie benötigt wird, etwa bei Wohngebieten und Industrieanlagen, heißt es von Unternehmensseite aus.

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Kritik am Eavor-Loop-Projekt gibt es auch

Es bestehen Zweifel, ob die beiden Bohrungen sich überhaupt zielsicher treffen und an der Wirtschaftlichkeit der Anlage. Kritisiert wird u.a., dass die horizontalen Bohrungen nicht mit Rohren ausgekleidet, sondern nur wasserdicht beschichtet werden. Bei geologischen Störungen dürfte es zu Undichtigkeiten kommen und die Flüssigkeit im Erdinnerein versickern.

Trotz der Einwände fördert der Europäische Investitionsfonds das Geretsrieder Projekt mit 91,6 Millionen Euro. Insgesamt kalkuliert das Unternehmen Eavor mit Kosten von 200 bis 350 Millionen Euro.

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(ctr, hha)