Ganz Europa war eingefroren

So kann Winter auch sein: Die verheerende Eisflut im Winter der Katastrophen 1783/84

von Oliver Scheel

Der Winter 2024 geht mild zu Ende, er war einer der wärmsten der Geschichte. Wie ein Winter auch sein kann, zeigt unser Rückblick auf das Jahr 1783/84. Vor genau 240 Jahren war der Winter hart wie selten. Erst war ganz Europa 13 Wochen ein Eisschrank, in dem sämtliche Flüsse zufroren, dann kam eine Warmfront und brachte die Katastrophe.
Im Video: Ein Rückblick auf das Schneechaos Anfang Dezember in Süddeutschland

Die Vorgeschichte: Vulkanausbruch im Sommer 1783 auf Island

Als es im Sommer 1783 auf Island zu einem der größten und längsten Vulkanausbrüchen der jüngeren Geschichte kam, ahnt niemand, welch verheerende Folgen dieser Ausbruch der Laki-Krater haben würde. Etwa acht Monate schleudern die Krater Lava und Asche in die Luft. Die Folge: eine extrem reduzierte Sonneneinstrahlung.

Der Ascheregen mit Fluor und Schwefel vergiftet die Pflanzen, es entsteht ein saurer Regen. Das Vieh stirbt auf den Weiden, durch den Regen wird sogar das Fell verätzt. Etwa 75 Prozent des Viehs gehen auf Island zugrunde. Allein dort sterben mehr als 9.000 Menschen an Hunger, das war damals etwa ein Viertel der Bevölkerung. Eine unvorstellbare Katastrophe für die isolierte Insel, die kaum Hilfe erreicht.

1,50 Meter Schnee in Köln - die Versorgung bricht zusammen

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Die Flut erreicht den Ort Neckarhausen

Doch Island war nicht allein betroffen. Die giftige Aerosolwolke zog über den europäischen Kontinent und Großbritannien. Zeitzeugen berichteten, dass die Bauern auf den Feldern kaum mehr atmen konnten. Selbst über der Ostküste Amerikas lag die Wolke. Vor allem die Alten und Kranken starben an Atemwegserkrankung. Schätzungsweise 25.000 Menschen starben allein in England.

Der nun einsetzende Winter wird hart. In Heidelberg werden minus 30 Grad gemessen, Rhein und Neckar werden zu riesigen Eisflächen. Die Frostperiode hält fast 13 Wochen an und ist sehr schneereich. Es heißt, in Köln haben bis zu 150 Zentimeter Schnee gelegen. Der Großteil Mitteleuropas wird zum Eisschrank. Es schneit teilweise tagelang, mehr oder weniger alle Gewässer Mitteleuropas frieren zu.

Die Kälte nimmt kein Ende, der Spaß am Schnee vergeht den Menschen schnell, denn die Versorgung bricht zusammen. Pferdefuhrwerke kommen nicht mehr durch den Schnee, den Bäckern fehlt das Mehl. Die Menschen hungern, das Vieh stirbt. Und die Angst vor einem Eisgang wächst. Bei einem Eisgang treibt tonnenschweres Eis auf den Flüssen. Dem Eis halten selbst große Gebäude, wie Kirchen kaum stand, das Eis walzt alles kaputt.

Die Wärme bringt den Tod durch Hochwasser

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Der Eisgang, also das auf dem Wasser treibende Eis in Kombination mit dem fürchterlichen Hochwasser zerstörte Gebäude und Brücken.

Schließlich weicht nach Wochen des Frostes die Kälte. Im Februar kommt die Wärme zurück, aber sie kommt viel zu vehement. Das Eis taut schnell, die Flüsse laufen über. Dazu kommt tatsächlich die befürchtete Eisflut. Ausgerechnet an Aschermittwoch 1784 – die abergläubischen Menschen glauben, sie werden für ihre Sünden bestraft. Daher wird das Ereignis auch „Sündflut" genannt.

Das Eis bildet Barrieren, ganze Täler laufen voll Wasser, Häuser werden zerstört oder versinken in den Fluten. Dazu regnet es nun ausgiebig. In Bonn steht das Wasser bis in den Bonner Münster hinein, das ist kaum vorstellbar, wenn man die Kirche heute betritt. Der damals 13-jährige Ludwig van Beethoven floh übrigens vor der historischen Rekordflut, die die Stadt Bonn heimsuchte.

Köln wird vom schlimmsten je verzeichneten Hochwasser erwischt. Der Pegel steigt auf 13,55 Meter – heute undenkbar. Aber auch in Heidelberg gab es nie ein schlimmeres Hochwasser. Elbe, Saar und Mosel, Werra und Fulda, sie alle werden zu todbringenden Strömen. Unzählige Gebäude und vor allem Brücken stürzen reihenweise ein. Auch am Main und der Lahn ist die Eisflut verheerend, in Dresden steht das Wasser einen Meter hoch im Zwinger. Das Wasser steigt teilweise um mehr als 30 Zentimeter pro Stunde.

Ganz Mitteleuropa ist betroffen, in den Niederlanden brechen 100 Deiche. In Deutschland gab es kaum Deiche. Dort halten Stadtmauern das Wasser ab, aber nicht alle können dem Druck Stand halten. In Köln zum Beispiel. Es heißt, dort trieben die Toten durch die Stadt. In Beuel werden sämtliche Fachwerkhäuser einfach weggeschwemmt, der heutige Kölner Stadtteil Mülheim, damals noch eigenständig, wird komplett zerstört. Auch Mannheim erleidet unsagbare Zerstörung.

Immerhin lernt der Mensch aus dieser Dreifach-Katastrophe Vulkanausbruch, Eiswinter und Jahrhundertflut: Es werden Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser ergriffen.

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(osc)