Regen verschlimmert Lage

Brienzer Rutsch bedroht Bergdorf in der Schweiz: Evakuierung bis Freitag

von Karim Belbachir

Jetzt muss es schnell gehen. Nur noch zwei Tage bleiben den Bewohnern des Schweizer Dorfes Brienz im Kanton Graubünden, um ihre Häuser zu verlassen. Der Hang in der Nähe der Ortschaft droht in den nächsten Wochen abzurutschen und etliche Häuser unter sich zu begraben.
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Instabile Bergflanken

Blick auf das Dorf und den "Brienzer Rutsch", aufgenommen am Dienstag, 9. Mai 2023, in Brienz-Brinzauls. Die Gemeinde hat die Zufahrt zum Dorf gesperrt; die Anwohner muessen ihr Zuhause bis Freitagabend wegen eines drohenden Ereignisses raeumen. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Bis Freitag, 12. Mai, muss das Dorf Brienz im Schweizer Kanton Graubünden evakuiert sein.

Die Gemeinde Albula hat am Dienstag, 9. Mai, die „Phase Orange“ ausgerufen und damit zur Evakuierung des Bergdorfes. Gerade in letzter Zeit hätten die Bewegungen bedingt durch Instabilität an den Bergflanken, trotz des trockenen Winters, zugenommen. Der gesamte Brienzer Rutsch bewegt sich auf einer Gleitschicht Richtung Tal.

Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der sogenannten Insel, die sich eigenständig hinab bewegt. Die Insel in 1.400 bis 1.700 Metern rutscht mit einer Geschwindigkeit von 25 Metern pro Jahr und ist zunehmend. Die Basis des Bergstücks habe sogar eine Geschwindigkeit von 35 Metern pro Jahr ausgemacht. Das liegt daran, dass die Insel eine eigene Gleitschicht besitze, auf der sie gen Tal rutscht.

Drei Szenarien, wie die Insel rutscht

Seitenansicht des Brienzer Rutsches
Der Hang rutscht auf einer sogenannten Gleitschicht hinunter. Auf dem Hang steht die Insel, die wiederum ihre eigene Gleitschicht besitzt und schneller abrutscht.

Geologen haben nun drei Szenarien vorgestellt, wie sich die Insel in der Zeit zwischen Frühsommer und Ende des Jahres entwickelt. Die wahrscheinlichste sei, dass die Insel sich in mehreren Felsstürzen gen Tal bewegt. Dabei sei eine Gesteinsmenge von einigen Hundert bis Hunderttausend Kubikmetern zu rechnen. Die würden Brienz am oberen Ende des Dorfes erreichen.

Die zweite Variante geht von einem Schuttstrom aus. Das Geröll der Insel würde mit mehreren Metern am Tag die Ansiedlung erreichen und dabei große Schäden anrichten. Die Chance, dass es so kommt, sehen die Geologen bei 30 Prozent und damit nur noch halb so wahrscheinlich wie das erste Szenario.

In der letzten Möglichkeit wird von einem großen Bergsturz ausgegangen. Dabei gäbe es massive Schäden für das Dorf und die Umgebung. Die Wahrscheinlichkeit sehen die Forscher allerdings nur bei rund 10 Prozent.

Phase Rot steht kurz bevor

Seit dem 5. Mai mussten sich die Bewohner von Brienz auf die Evakuierung vorbereiten. Zu dem Zeitpunkt war die Phase Gelb ausgerufen worden. Die Evakuierung selber (Phase Orange) läuft über einen Zeitraum von drei Tagen. Die Steigerung dazu ist die Phase Rot, in der das Dorf nicht mehr betreten werden darf.

Bisher scheinen Niederschläge keinen großen Einfluss auf die zunehmende Geschwindigkeit zu haben, mit der der Hang sich Richtung Tal bewegt. Das könne sich aber ändern, wenn nun bis zum Wochenende richtig viel Regen fällt und die Rutschgeschwindigkeit zunimmt.

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Mehr Niederschlag in der Region

Unser wetter.de-Meteorologe, Paul Heger, hat sich die Niederschlagsmenge mal genauer angesehen: „In der Region Davos gibt es allein am Mittwoch, 10. Mai, rund 30 Liter Regen pro Quadratmeter. Bis Ende der Woche kommen nochmal rund 30 Liter zusammen. Das sind allerdings ungefähre Werte. Da die Regenfälle mit Gewittern durchsetzt sind, kann es im Bereich von wenigen Kilometern – quasi ein Tal weiter – 20 Liter mehr oder weniger geben.“

Zwei Sachen seien außerdem noch zu beachten, wie der Meteorologe zu bedenken gibt: „Zum einen können die Alpen grundsätzlich größere Regenmengen ab, ohne Hangrutschungen zu erleiden. Gleichzeitig unterstützen die Regenmengen das schon bestehende Rutschen sehr wahrscheinlich. Zum Anderen fällt aktuell oberhalb von 1.500 bis 2.000 Metern Schnee, also auch in den Hochlagen um Davos. In den kommenden Tagen steigt die Schneefallgrenze auf rund 1800 bis 2300 Meter.“

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(kfb)