Neues von der Planetenmitte
Und dann dreht sich der Erdkern plötzlich rückwärts
Der innere Kern der Erde hat seine Drehrichtung geändert – und das könnte Folgen für unser Magnetfeld, unsere Technik und sogar die Länge des Tages haben.
Der mysteriöse Motor der Erde
Tief im Erdinneren liegt eine Eisenkugel, so groß wie der Mond. Eingeschlossen vom flüssigen äußeren Kern, beeinflusst sie das Magnetfeld, das uns vor Sonnenstürmen schützt. Jetzt zeigen neue Daten: Dieser Kern bewegt sich nicht gleichmäßig, sondern hat seinen Spin umgekehrt.

Was bedeutet das für den Alltag auf der Oberfläche? Veränderungen im Kern können sich auf das Magnetfeld auswirken – und damit auf Navigation, Satelliten und Kommunikation. Auch die Länge des Tages schwankt messbar um winzige Bruchteile von Sekunden. Und selbst Klimamodelle könnten beeinflusst werden, wenn sich der Rhythmus des Kerns verschiebt.
Beweise aus Erdbeben
Die Studie stammt von Wei Wang (Chinese Academy of Sciences, Peking) und John E. Vidale (University of Southern California, Los Angeles). Sie wurde im Juli 2024 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Die Forschenden werteten Daten von 121 wiederkehrenden Erdbeben zwischen 1991 und 2023 auf den Südsandwichinseln aus. Dabei nutzten sie seismische Wellen, die tief durch den gesamten Erdkern laufen und so wie eine Art Röntgenstrahl aus der Erde wirken. Der Vergleich dieser Wellen zeigte: Von 2003 bis 2008 drehte sich der Kern schneller nach Osten – seit 2008 jedoch in die andere Richtung, deutlich langsamer.
Erdkern kühlt schneller ab: Droht der Erde schneller das Schicksal des Mars und des Merkurs?
Die Ergebnisse zeigen ein erstaunliches Muster: Der Kern läuft nicht nur vorwärts, sondern kehrt später exakt in frühere Positionen zurück. Das deutet darauf hin, dass es sich um einen zyklischen Prozess handelt – mal schneller, mal langsamer, mal in die eine, mal in die andere Richtung.
Streit unter Forschern

Genau hier beginnt die Diskussion. Viele Geophysiker hatten bislang auf eine gleichmäßige Superrotation gesetzt. Andere sahen eher ein Schaukeln im Takt von Jahrzehnten. Die neuen Daten bestätigen nun die Umkehrbewegung – und machen klar: Die Dynamik zwischen innerem Kern, äußerem Kern und Mantel ist komplizierter, als es die bisherigen Modelle erklären konnten. Der innere Kern bleibt eines der größten Rätsel der Erde. Und vielleicht ist es gerade das, was ihn so spannend macht: Selbst im 21. Jahrhundert überrascht unser Planet noch mit geheimen Bewegungen im Innersten.
Lese-Tipp: Erdkern wird langsamer – die Tage kürzer
Wenn der Tag kürzer wird
Bereits in den 1990er-Jahren zeigte der Forscher Xiadong Song gemeinsam mit Kollegen, dass sich der innere Erdkern etwas schneller dreht als die äußere Hülle unseres Planeten. In rund 900 Jahren legt er so eine zusätzliche Umdrehung zurück. Mitverantwortlich dafür ist, dass die Erdkruste durch die Gezeitenkräfte und die langsame Entfernung des Mondes gebremst wird – deshalb dauern unsere Tage nicht exakt 24 Stunden. Vor etwa 1,4 Milliarden Jahren passte sogar noch ein kompletter Tag in weniger als 19 Stunden. Heute beobachten Forschende zudem eine weitere Besonderheit: Seit einigen Jahren werden die Tage um winzige Sekundenbruchteile kürzer – und die Ursache dafür ist bislang ein Rätsel.