Erkenntnisse aus der Tiefe

Der Erdkern verändert sich

von Karim Belbachir

Earth core structure. Elements of this image furnished by NASA
Bisher ist man davon ausgegangen, dass der Erdkern aufgrund des hohen Drucks in fester Form besteht. Eine neue Studie deutet nun darauf hin, dass dem nicht so ist.

Der innere Erdkern verändert sich – und zwar nicht nur in seiner Rotation, sondern auch in seiner Form. Eine neue Studie zeigt, dass seine Oberfläche weicher und verformbarer ist als bisher angenommen. Das stellt gängige Modelle infrage und könnte weitreichende Auswirkungen auf unser Verständnis der tiefsten Erdschichten haben.

Eine sich verlangsamende Rotation

Eine neue Studie des Geophysikers John Vidale und seines Teams, veröffentlicht am 10. Februar 2025 in Nature Geoscience, stellt bisherige Annahmen über den inneren Erdkern in Frage. Die Forscher konnten zeigen, dass sich nicht nur dessen Rotation verändert, sondern auch seine Form einer ständigen Deformation unterliegt.

Seit Jahrzehnten drehte sich der innere Erdkern schneller als der Rest des Planeten. Doch nun belegen seismische Daten, dass sich dieser Trend um das Jahr 2010 umkehrte. „Wir hatten zunächst nicht die Absicht, die physische Natur des inneren Kerns zu analysieren“, erklärt Vidale. „Doch unsere Daten zeigen, dass die Oberfläche des inneren Kerns strukturellen Veränderungen unterliegt.“

Ein formbarer Kern?

Die neuen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Oberfläche des Kerns nicht so fest ist wie bisher angenommen. Seismische Wellen zeigen Höhenunterschiede von bis zu 100 Metern, was auf eine zähe, formbare Struktur hindeutet. Nahe dem Schmelzpunkt könnte der Kern flexibler sein als gedacht.

Um diese Veränderungen zu untersuchen, analysierte das Team 121 Erdbebenpaare von den Südlichen Sandwichinseln aus den Jahren 1991 bis 2023. Mithilfe dieser „Doublets“ konnten sie erstmals die Rotation und die Deformation des Kerns getrennt voneinander betrachten. Besonders auffällig waren seismische Wellen, die in Alaska und Kanada aufgezeichnet wurden: Eine bestimmte Datengruppe zeigte unerwartete Abweichungen. Eine verbesserte Analyse enthüllte die strukturellen Veränderungen.

Die treibenden Kräfte hinter den Veränderungen

Aufbau der Erde
Die Erde ist schalenförmig aufgebaut: von links nach rechts sind das Erdkruste. Erdmantel, äußerer und innerer Erdkern.

Die Forscher vermuten, dass turbulente Strömungen im flüssigen äußeren Kern sowie gravitative Effekte des Erdmantels die beobachteten Veränderungen verursachen. Dichteunterschiede im unteren Erdmantel, sogenannte „Large Low-Shear-Velocity Provinces“, üben zusätzliche Kräfte aus. Diese komplexen Wechselwirkungen könnten nicht nur die Rotation beeinflussen, sondern auch die Struktur des inneren Kerns deformieren.

Welche Auswirkungen hat das auf die Erde?

Die Veränderungen im Erdkern sind zwar minimal, könnten aber messbare Konsequenzen haben. So könnte die verlangsamte Rotation des Kerns winzige Schwankungen in der Länge eines Tages verursachen – im Bereich von Tausendstelsekunden. Zudem könnte die neue Erkenntnis erklären, warum es in jüngster Zeit zu Störungen im Erdmagnetfeld kam. „Was wir beobachten, ist wahrscheinlich eine direkte Interaktion zwischen dem äußeren und dem inneren Kern“, sagt Vidale. „Das könnte unser Verständnis der thermischen und magnetischen Prozesse im Erdinneren erheblich verändern.“

Die Wissenschaftler rätseln noch darüber, ob diese Veränderungen zyklisch auftreten. Es gibt Hinweise auf einen etwa 70-jährigen Rhythmus, doch dieser muss weiter erforscht werden. Ab 2025 soll untersucht werden, ob der Erdkern in seinen alten Zustand zurückkehrt. „Wir stehen erst am Anfang, das Innenleben der Erde in diesem Detailgrad zu verstehen“, so Vidale. „Aber eines ist klar: Der Erdkern ist weit dynamischer als wir dachten.“

Tage, die sich verkürzen

Schon in den 90er Jahren entdeckte Xiadon Song mit anderen Wissenschaftlern, dass sich der Erdkern schneller dreht als die Kruste. Alle 900 Jahre dreht sich der Kern einmal mehr um den Planeten als der Rest. Grund dafür ist zum Teil, dass die Gezeiten und die fortschreitende Entfernung des Mondes die Kruste verlangsamen, was bedeutet, dass die Tage nicht genau 24 Stunden dauern. Vor 1.400 Millionen Jahren hatte ein Tag sogar weniger als 19 Stunden. Parallel zu diesem Phänomen verkürzen sich die Tage seit einigen Jahren um wenige Sekundenbruchteile, ohne dass jemand weiß, warum.

Damit Sie auch unterwegs kein Wetter mehr verpassen, empfehlen wir unsere wetter.de-App für Apple- und Android-Geräte.

(avo)