Unterschätzte Wärmequelle

Wärmewende stockt – und ein Energie-Gigant bleibt ungenutzt

von Karim Belbachir

Geothermie könnte Millionen Haushalte klimaneutral mit Wärme versorgen. Doch trotz ihrer Vorteile bleibt sie in Deutschland ein Randthema – woran liegt das?

Der schlafende Riese unter unseren Füßen

Geothermie in Deutschland
Geothermie hat in Deutschland noch sehr viel ungenutztes Potenzial. (Symbolbild)

Tausende Meter unter der Erde schlummert eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle: die natürliche Erdwärme. Ihre Nutzung, in Form von Geothermie könnte laut Expertenschätzungen den gesamten Wärmebedarf Deutschlands decken – und das zuverlässig, emissionsfrei und unabhängig von Wetter oder Importen. Doch statt massiv auszubauen, bleiben geothermische Projekte in Deutschland die Ausnahme.

Während Windräder und Solaranlagen politisch gefördert und öffentlich diskutiert werden, führt die Geothermie ein Schattendasein. Dabei spielt sie in der Wärmewende eine Schlüsselrolle – oder könnte es zumindest.

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Die Gründe sind vielfältig: Tiefe Bohrungen sind teuer, langwierig und technisch anspruchsvoll. Oft fehlen passende Wärmenetze, in die die Energie eingespeist werden könnte. Hinzu kommt: Die Genehmigungsverfahren dauern in Deutschland Jahre. Und nicht zuletzt fürchten viele Kommunen seismische Risiken, also die Gefahr von Erdbeben durch die Störungen im Erdinnern.

„Es mangelt nicht am Potenzial, sondern an politischem Willen und struktureller Unterstützung“, kritisiert der Bundesverband Geothermie. Während Länder wie Island, Italien oder die Türkei längst auf tiefe Geothermie setzen, steht Deutschland sich oft selbst im Weg.

Wende mit Verzögerung

Immerhin: Der politische Wind beginnt sich zu drehen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat angekündigt, Geothermie künftig gezielter zu fördern. Neue Pilotregionen, vereinfachte Genehmigungen und staatliche Anschubfinanzierungen sollen helfen, das Potenzial endlich zu heben. Besonders vielversprechend ist die Idee, bestehende Fernwärmenetze – etwa in Ruhrgebietsstädten oder im Berliner Umland – schrittweise mit Erdwärme zu versorgen. Erste Studien laufen bereits. Die Hoffnung: Bis 2030 könnte Geothermie eine ernsthafte Säule im deutschen Wärmemix werden.

Geothermie bietet alles, was eine klimafreundliche Energiequelle braucht: Sie ist lokal, zuverlässig und emissionsarm. Trotzdem bleibt sie im Ausbau weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Wenn Deutschland seine Klimaziele ernst nimmt, muss dieser schlafende Riese endlich geweckt werden.