Fiese Mücken werden heimisch bei uns
Chikungunya, Zika, Dengue & Co. – wie gut sind wir auf Tropenkrankheiten und ihre Verbreitung vorbereitet?

Wenn wir Europäer uns früher Tropenkrankheiten eingefangen haben, dann weil wir uns in tropischen Ländern aufgehalten haben und uns dort mit der Krankheit infizierten. Diese Zeiten sind vorbei. Wegen der Erderwärmung schaffen es immer mehr Tropenkrankheiten nach Europa. Chikungunya, Zika und Dengue haben den Sprung über das Mittelmeer geschafft. Dies ist für uns mit großen Gefahren verbunden - und mit jeder Menge Arbeit für unser Gesundheitssystem. Wie gut sind wir auf Tropenkrankheiten vorbereitet?
Todesfälle durch West-Nil-Fieber in Italien
Tote durch das West-Nil-Virus in Italien, Dengue-Fieber in Italien und ein Chikungunya-Fall im Elsass in Frankreich. Das Spezielle an diesen Fällen: Die Menschen, die sich mit diesen Krankheiten infizierten, hatten das Land nicht verlassen. Die Krankheiten wurden lokal oder „autochthon“, also vor Ort, erworben. Mit anderen Worten: Nicht wir Europäer reisen dahin, wo die gefährlichen Mücken leben, sondern die Mücken leben bereits unter uns. Oder anders formuliert: Eine in Europa lebende Mücke hat eine infizierte Person gestochen, das infizierte Blut dieser Person aufgenommen und mit einem weiteren Stich eine gesunde Person mit dem Erreger infiziert.
In Italien sind immerhin elf Menschen durch das West-Nil-Fieber gestorben, die meisten in der Region um Rom. Mittlerweile gilt das halbe Land als Risikogebiet. Auch bei Dengue gibt es in Italien immer wieder lokale Infektionen. Schon 2023 waren es über 80. Europa wird langsam zum Lebensraum für Stechmücken, die tropische Krankheiten übertragen. Allen voran die Asiatische Tigermücke.
Asiatische Tigermücke ist ein gefährlicher Überträger
Die asiatische Tigermücke Aedes albopictus breitet sich aufgrund des wärmer werdenden Klimas in Europa immer weiter aus. Sie kann Überträgerin von Chikungunya, Dengue, Zika und auch von Gelbfieber und dem West-Nil-Virus sein. Das vor allem für ältere Menschen oft tödliche West-Nil-Fieber wird aber meist von heimischen Stechmückenarten weitergegeben. Das macht die Bekämpfung sehr kompliziert. Bei West-Nil wird auch von einer extrem hohen Dunkelziffer ausgegangen, weil eine Infektion in etwa 80 Prozent der Fälle ohne Symptome verläuft.

Immerhin: Für Chikungunya gibt es Impfstoffe. Personen über zwölf Jahre, die in ein Gebiet mit aktuellem Ausbruchsgeschehen reisen, empfiehlt die ständige Impf-Kommission (Stiko) eine Impfung mit einem der beiden verfügbaren Impfstoffe. Der Impfstoff ist allerdings relativ neu und erst einmal nur für 12 Jahre zugelassen.
Der Name Chikungunya stammt aus einer Lokalsprache im Süden Tansanias und bedeutet so viel wie „Gekrümmt Gehende”. Er bezieht sich auf die Körperhaltung der Infizierten, die stark unter Gelenkschmerzen leiden. Betroffene haben also oft starke Gliederschmerzen.
Sollte man sich nun impfen lassen, wenn man ins Elsass reist? Nein, sagen Experten. „Wir sind wirklich noch auf einem sicheren Boot. Die Tigermücke gibt es, aber wir haben noch keine Fälle der Krankheitsübertragung (in Deutschland) gehabt. Die Tigermückenpopulationen sind relativ lokal. Und die Infektionsquellen sind aktuell noch überschaubar”, sagt Helge Kampen, Leiter des Labors für Medizinische Entomologie am Institut für Infektionsmedizin am Friedrich-Loeffler-Institut.
„Der Impfstoff entfaltet seine Wirkung vor allen Dingen in massiven Ausbruchsgeschehen”, so Hendrik Wilking, Experte für Zoonosen und tropische Infektionen am Robert Koch-Institut in Berlin. Aber Fakt ist auch: Die Asiatische Tigermücke breitet sich mehr und mehr aus - und sie mag es warm. Eine klassische Gewinnerin der Klimakrise.
Keine Panik - aber achtsam sein
Die Tigermücke macht sich also breit bei uns: „Wir gehen davon aus, dass die meisten Tigermücken per Kfz-Fernverkehr aus Südeuropa eingeschleppt werden”, sagt Experte Kampen. „Das sind sehr aggressive und tagaktive Mücken. Es gibt Untersuchungen entlang der A5, die ja in Basel nach Deutschland übertritt. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum entlang des Oberrheins mit die meisten Populationen existieren.” Tatsächlich wurden an den Raststätten entlang der A5 im Südwesten Deutschlands immer wieder Populationen gefunden.

War die Mücke bisher nur lästig, so wird sie nun gefährlich: „So langsam müssen sich die Menschen daran gewöhnen, dass Mücken auch in Deutschland Gesundheitsschädlinge werden können”, erklärt Wilking. Und dann sollte man sich besonders gut schützen, wenn man Vorerkrankungen hat. Aber Panik sei ein schlechter Ratgeber.
Ein Problem ist, dass viele Hausärzte die Tropenkrankheiten nicht schnell genug erkennen. Wenn bei Dengue und Chikungunya die typischen Gelenkschmerzen nicht auftreten, erkennen Hausärzte das oft nicht. Wenn Reisende aus Risikogebieten zurückkommen, ist der Fall klar. Doch wenn man sich nun in Deutschland ansteckt, wird das Erkennen schwieriger.
Was können wir präventiv tun?
Je wärmer es wird, umso wohler fühlen sich die Mücken. Denn bei höheren Temperaturen durchlaufen sie die Zyklen schneller. Die Eiablage geschieht häufiger, die Blutverdauung geht schneller und so wachsen die Populationen heran. Es gibt aber genug, was jeder gegen Mücken tun kann. Das Positive ist nämlich: Alles, was gegen die bei uns heimischen Mückenarten hilft, hilft auch gegen die invasiven Arten.
Da die Mückenweibchen ihre Eier in stehenden Gewässern ablegen, sollten Regentonnen mit engmaschigen Netzen abgedeckt werden. Das Wasser von Planschbecken und Vogeltränken sollte regelmäßig gewechselt werden. Andere Behälter, in denen sich Wasser sammeln kann, sollten umgedreht oder alle paar Tage geleert werden.

Außerdem helfen alle Repellentien, also die Mückensprays. Die Wirkstoffe Icaridin und Diethyltoluamid (DEET) funktionieren als Insektenabwehrmittel auch gegen die Asiatische Tigermücke. Kampen schlägt zudem die Mückenbekämpfung durch BTI (Bacillus thuringiensis israelensis) vor.
„Das ist ein bakterielles Eiweiß, was zur Bekämpfung der Larven eingesetzt wird. Man setzt das in potenzielle Brutstätten von Tigermücken ein, in Regentonnen zum Beispiel”, so der Experte. Man könne BTI-Brausetabletten in die Regentonnen werfen.” Kampen räumt zwar ein, dass damit auch verwandte und ungefährliche Mücken sterben. Die würde man aber ohnehin nicht in solchen künstlichen kleinen Wasserbehältern finden.
Unser Leben mit Stechmücken wird sich in den nächsten Jahrzehnten sicher verändern. Ein Moskitonetz über dem Hotelbett? Je wärmer es wird, umso wahrscheinlicher wird das.