Was ist Klimagerechtigkeit?
Wetterlexikon: Klimagerechtigkeit
Klimawandel ist grenzübergreifend

Die Natur schert sich nicht um Grenzen, sie war zuerst da. Das Klima mag zwar von Region zu Region unterschiedlich sein, ist aber insgesamt auch ein globales Phänomen und somit grenzübergreifend. Wandelt sich das Klima, tut es dies ebenfalls überall, egal ob es natürliche oder vom Menschen gemachte Veränderungen sind.
Entwicklungsländer leiden besonders unter dem Klimawandel
Anders sieht es aus bei den Faktoren, die zum menschengemachten Klimawandel beitragen. Die Schadstoffemissionen der hochentwickelten Industrieländer sind höher als die der Schwellen- und Entwicklungsländer. Die Folgen dieses Ausstoßes sind wiederum nicht auf die Verursacher begrenzt, im Gegenteil sie treffen Entwicklungsländer oft härter, da sie den Auswirkungen des Klimawandels oft ungeschützter ausgesetzt sind und unter den Folgen mehr zu leiden haben.
Das Klima und sein Wandel sind darüber hinaus nicht nur räumlich übergreifend, sie sind auch zeitlich nicht begrenzt. Nachfolgende Generationen tragen die Folgen des Handelns ihrer Vorfahren und müssen sich mit ihnen auseinandersetzen.
Können die Lasten gerecht aufgeteilt werden?
Bei diesem nicht so sehr technologischen, sondern eher ethischen und politischen Problem setzt das Konzept der Klimagerechtigkeit an. Es geht also nicht nur um die allgemeine Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen, sondern um die gerechte Verteilung auf alle Menschen weltweit. Ebenso soll die Bekämpfung der Schäden und Folgen durch den Klimawandel nach dem Verursacherprinzip ausgeglichen werden. Es wäre ungerecht, ein armes Land die Schäden beseitigen zu lassen, die ein reiches Land verursacht hat
Klimagerechtigkeit: Kontraktion und Konvergenz
Klimaschutz soll nach dem Prinzip von Kontraktion (oder auch Verringerung) und Konvergenz (Annäherung) auf alle Länder gerecht verteilt werden. Dabei geht man davon aus, dass der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid und anderen klimaschädlichen Treibhausgasen etwas ist, das nur durch unverhältnismäßigen Aufwand komplett vermieden werden kann – also ein notwendiges Übel. Dieses Übel soll aber so klein wie möglich gehalten werden und möglichst verringert werden.
Im Kontext von Kontraktion und Divergenz geht man davon aus, dass nur noch eine bestimmte Menge CO2 durch den Menschen ausgestoßen kann, um die globale Erwärmung unter dem Kipppunkt zu halten. Neben der Verringerung des Gesamtausstoßes auf ein nachhaltiges Niveau, soll das verbleibende CO2-Budget auf alle Länder gerecht aufgeteilt werden.
Das CO2-Budget geht zur Neige
Laut Sonderbericht des Weltklimarates von 2018 bleibt der Welt ein CO2-Budget von 420 Gigatonnen, wenn man die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen will. 2018 betrug der weltweite Ausstoß 42 Gigatonnen. Sollte also keine Reduzierung erfolgen, ist das Budget 2028 aufgebraucht. Spätesten dann müssen die Emissionen (wenn das Niveau gleich bleibt) auf ein nachhaltiges Maß gesenkt worden sein. Wie auch immer die Emissionen sich entwickeln, mit dem Aufbrauchen des Budgets ist die Kontraktionsphase vorbei und es beginnt die Phase der Konvergenz oder Angleichung.
Bei einer Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen (2011) geht die Wissenschaft davon aus, dass ein nachhaltiger Kohlenstoffausstoß bei maximal zwei Tonnen pro Kopf erreicht ist. Da mit weiterem Bevölkerungswachstum zu rechnen ist (Prognose: zehn Milliarden im Jahr 2100) nimmt die nachhaltige Emissionsmenge beständig ab.
Die Reduktion soll die Entwicklung nicht beeinträchtigen
In den Industrienationen ist der Pro-Kopf-Ausstoß erheblich höher als in den Schwellen- und den Entwicklungsländern. Ziel des Konvergenzprozesses ist, diesen anzugleichen, um ein gewisses Maß an Gerechtigkeit zu schaffen. Je höher der Ausstoß eines Landes, desto größer werden sich Anstrengung und Aufwand gestalten, denn es müssen alternative Energiequellen gefunden, erschlossen und entwickelt werden. Maßnahmen für eine effizientere Energiegewinnung müssen beschlossen und umgesetzt werden.
Um den Prozess möglichst reibungslos zu gestalten, sollen jedem Land zunächst Emissionsrechte im Verhältnis zum Bruttonationalprodukt beziehungsweise ihren bisherigen Emissionsmengen zugestanden werden. Schritt für Schritt sollen sie der Menge der Pro-Kopf-Emission angeglichen werden. Die reicheren Industrienationen müssen in diesem Zeitraum ihren Ausstoß deutlich senken, während Entwicklungsländer diesen noch steigern können. So soll sichergestellt werden, dass sich diese Länder auch wirklich weiterentwickeln können.
Ist diese Klimagerechtigkeit wirklich gerecht?
Kontraktion und Divergenz könnte man beschreiben als den Versuch, unter den lange (im Grunde seit dem Beginn der Industrialisierung) geschaffenen Umständen in der Zukunft etwas mehr Gerechtigkeit walten zu lassen. Denn es lässt die Emissionen der Vergangenheit außer Acht. Die Emissionen der Vergangenheit sind aber Teil des gesamten einst vorhandenen CO2-Budgets, und im Prozess der Angleichung erlaubt es denjenigen, die in der Vergangenheit das meiste CO2 ausgestoßen haben, weiterhin den größten Teil des noch vorhandenen Budgets zu verbrauchen.
Eine sofortige Umstellung der Emissionen auf die Pro-Kopf-Menge hätte zur Folge, dass die Industrienationen ihren Ausstoß von jetzt auf gleich um bis zu 95 Prozent senken müssten, was in der Praxis so gut wie unmöglich wäre.
Klimagerechtigkeit: Keine konkreten Pläne
Und so soll auf anderem Wege für etwas mehr Gerechtigkeit gesorgt werden, und zwar über Geld. Die Industrienationen sollen die Kosten tragen für technologische Entwicklungen und Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern. Das Abkommen von Paris erwähnt erstmal ausdrücklich die Klimagerechtigkeit und die Aufteilung der Lasten, die mit Emissionssenkungen einhergehen. Ebenso betont das Abkommen die Wichtigkeit der Maßnahmen gegen Klimaschäden. Konkrete Vereinbarungen, wie das geschehen soll und wie die Kosten aufgeteilt werden, gibt es jedoch nicht.