Geheime Orte in Deutschland
Rungholt, das Atlantis der Nordsee: Die Suche geht weiter
Wer braucht schon Atlantis und isländische Sagas? Sagenumwobenes hat Deutschland gleich vor der Haustür zu bieten. In der Nordsee liegt die seit 1362 vermisste Handelsstadt Rungholt.
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Sagenumwobenes Rungholt: Untergegangen bei einer Sturmflut

Gab es Rungholt wirklich? Legenden ranken sich um den angeblich prunkvollen Handelshafen aus dem Mittelalter seit seinem spurlosen Verschwinden reichlich. Die Siedlung soll im Jahr 1362 von einer verheerenden Sturmflut, der Groten Mandränke, ins Meer gerissen worden sein. Nur fehlten jahrhundertelang Beweise.
So konnte viel herumgesponnen werden, was Status, Lage und Aussehen der Stadt und den Grund für ihren Untergang anging. Den verschiedenen Sagen nach war der Untergang Rungholts eine Strafe Gottes aufgrund des lasterhaften Lebens und respektlosen Verhaltens der Einwohner gegenüber der Kirche. Schon die Vermessenheit, auf den von wasserumspülten und sturmausgesetzten Halligen zu siedeln, wurde als Grund ersonnen, dass Rungholt dem Untergang geweiht sein musste.
Der Legende nach taucht die Stadt alle sieben Jahre in der Johannisnacht, in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni, aus dem Meer auf. Bei ruhigem Wetter seien die Glocken der Kirche von Rungholt unter der Wasseroberfläche zu hören, heißt es.
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Die Beweise für Rungholts Existenz sind da

Nachdem Jahrhunderte lang also keine Überreste der Siedlung im Wattenmeer aufgetaucht waren, wurde erst im Jahr 1921 Rungholts Existenz gewisser. Historiker und Heimatforscher Andreas Busch fand im Watt in der Nähe der Hallig Südfall Teile einer alten Schleuse.
Endgültig lokalisiert wurde Rungholt vor gut einem Jahr im Mai 2023 von einem Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) sowie des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein (ALSH).
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Kirche, Warften, Entwässerungssysteme - alles da in Rungholt

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden eine bislang unbekannte, zwei Kilometer lange Kette mittelalterlicher Warften, also künstlich erschaffene Siedlungshügel. Eine dieser Warften zeigt Strukturen, die zweifelsfrei als Fundamente einer Kirche mit einer Grundfläche von 40 mal 15 Metern zu deuten waren. Bohrungen und gezielte Ausgrabungen bestätigten die Fundamente der mittelalterlichen Kirche.
Seitdem wurden dort mit Hilfe geophysikalischer Messungen Dutzende mittelalterliche Wohnhügel, Entwässerungssysteme, ein Deich sowie ein Hafen entdeckt. Vieles weist darauf hin, dass an dem verschollenen Ort Handel betrieben wurde.
Aber auch um Rungholt herum war viel los im heutigen Wattenmeer. Seit 2017 wiesen Forschende bereits 73 Warften, systematische Entwässerungssysteme, einen Seedeich mit Sielhafen und neben der großen Hauptkirche auch zwei kleinere nach. Das heutige Watt war früher wohl dicht besiedelt.
(ctr mit dpa)