Zu viele Fragen bei Atomkraft ungelöst
Interview mit GEO-Experte Dirk Steffens: Atomkraft ist keine vernünftige Alternative
Die endlose Debatte um die Atomkraft: Bringt sie uns beim Absolvieren der Energiewende weiter oder ist Kernenergie teuer und zu gefährlich? Wir hatten die Chance, mit GEO-Umweltexperte Dirk Steffens über das Thema zu sprechen. Warum uns die Atomkraft am Ende nicht helfen wird, erklärt der Wissenschaftsjournalist hier sehr eindrücklich.
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Atomkraft ist vor allem nicht umweltfreundlich

Zunächst einmal, so Steffens, sei Atomkraft weder grundsätzlich gut noch grundsätzlich schlecht. „Es gibt keine einfache Antwort“, sagt er in dem Gespräch zum aktuellen ntv Klima Update. Die Laufzeitverlängerung hält er für einen „vernünftigen Schritt“. Man müsse die Atomkraft ideologiefrei hinterfragen.
Fest steht für ihn aber, dass sie nicht klimafreundlich ist. „Das ist aber nicht das einzige Problem, das wir haben. Atomkraft ist nicht umweltfreundlich. Wir haben immer noch keine Endlagerstätte für stark strahlenden Atommüll.“ Insofern werde hier eine unehrliche Debatte geführt: „Bayern will Atomkraft, aber keinen Müll lagern. Und das ist verdammt teuer“, so Steffens. Genau wie der Rückbau der Kernkraftwerke übrigens, der nicht nur Jahrzehnte dauert, sondern dabei auch Milliarden verschlingt.
Bei den Kosten des Atomstroms müssen wir die sogenannten „Ewigkeitskosten“ einplanen. Dabei geht es um die Lagerung des Mülls. Bisher ist nicht nur völlig unklar, wo stark strahlender radioaktiver Müll endgelagert werden soll, es wird auch über Jahrtausende viel Geld kosten. „Bisher gibt es mit Schacht Konrad nur ein genehmigtes Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle“, so Steffens. „Allein das kostet mehrere Milliarden im Ausbau.“ Wenn diese Kosten auf den Atomstrom aufgeschlagen werden, ist er achtmal teurer als Wind, wie der BUND vorrechnet.
Atomstrom im Endeffekt "keine vernünftige Alternative"
Aber wofür ist Atomkraft dann gut? Zunächst einmal, so Steffens, sei Atomstrom geeignet, die Grundlast abzusichern. „Es gibt aber Verbrauchsspitzen, die erreichen wir nicht mit Atomkraft. Dafür braucht man so etwas wie die Gaskraftwerke, die schnell hoch und runtergefahren werden können. Wind und Sonne können auch eher nur die Grundlast tragen“, ordnet der Journalist ein. So aber geraten Atomkraftwerke mit Erneuerbaren in Konkurrenz. „Kernkraft arbeitet nicht von allein wirtschaftlich, das ist völlig unmöglich. Die Steuerzahler müssen entscheiden, wollen wir lieber in Erneuerbare investieren oder in Atomkraft.“
Die Problematik sehen wir übrigens auch schön bei der Versicherung eines Atomkraftwerks. Deren Haftpflicht ist bei einigen Hundert Millionen Euro gedeckelt. Ein Unfall kann aber schnell das Tausendfache kosten. Dann muss der Staat einspringen. Niemand möchte nämlich ein Atomkraftwerk versichern, bzw. die Summe wäre so absurd hoch, dass sie niemand aufbringen kann.
Beim Thema Sicherheit verlieren AKW somit gegen alle anderen Energieerzeuger. Und das gilt gerade in der Klimakrise. In Frankreich standen etliche AKW im vergangenen Sommer still, weil das Kühlwasser der Flüsse zu warm bzw. der Flusspegel zu niedrig war. „Die Betriebssicherheit der AKW nimmt ab, weil die Temperatur zunimmt. Das Kühlwasser darf nicht zu warm werden“, wie es Steffens formuliert. Im Klimawandel werden AKW also weniger attraktiv. Steffens: „Sie sind keine vernünftige Alternative.“ In Frankreich waren im Sommer 2022 ein Dutzend der größten und modernsten AKW wegen Rissen in den Rohren abgeschaltet.
„Deutschland hat dann in großem Maße Gasstrom nach Frankreich geliefert. Die gestiegenen Gaspreise haben auch damit zu tun, dass wir in so großem Maße teuren Gasstrom in den europäische Energieverbund pumpen mussten, weil die französischen AKW ausgefallen waren“, analysiert Steffens.
Ernüchterndes Fazit für die Atomkraft

Steffens glaubt, dass auch in diesem Jahr wieder bis zu einem Drittel der AKW in Frankreich nicht funktionieren werden. „Die Technologie ist störanfällig und kompliziert. Windkraft hingegen ist dauerhaft beherrschbar. Kernkraftwerke sind für die Sicherheit ein größeres Risiko als Windkraft.“
Ein Funken Hoffnung für die Atomkraft liegt in der Weiterentwicklung der Kernfusion. „Das ist der bessere Weg im Vergleich zur Kernspaltung.“ Bei der Kernfusion verschmelzen zwei Atomkerne miteinander und es wird Energie frei.
„Aber das wird noch Jahrzehnte dauern. Kernspaltung ist keine zukunftsfähige Technologie, weil sie erstens zu unsicher ist, zweitens die Endlagerfrage ungelöst ist und drittens schlichtweg zu teuer ist.“
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(osc)