EU-Kommission missachtet eigene Expertengruppe
Atomkraft und Gas sind nun nachhaltig: Ein Schlag ins Gesicht der Wissenschaft
von Oliver Scheel
Sie hat es getan: Gas- und Atomkraft haben von der EU-Kommission einen grünen Stempel verpasst bekommen. Damit gelten Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Auflagen als klimafreundlich. Ein verheerender Fehler: Denn so werden echte Investitionen in nachhaltige Energie verhindert. Besonders bitter: Die Kommission setzte sich über die Empfehlungen ihrer eigenen Expertengruppe einfach hinweg. Was zählt schon die Wissenschaft?
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Meisterstück des Lobbyismus

In der Corona-Pandemie bekommen wir von der Politik jeden Tag gepredigt, auf die Experten der Wissenschaft zu hören. Die EU-Kommission in Brüssel schafft es, eine eigene Gruppe von Wissenschaftlern zu gründen, die ihr Empfehlungen ausspricht, und sie ignoriert sie komplett. Gas und Atomkraft sind nachhaltig, weil die EU-Kommission das so will. Wen interessiert schon, was die Wissenschaftler dazu sagen?
Im Jahr 2022 – wir wissen, dass wir nur noch gut 7 Jahre Zeit haben, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen – erleben wir ein weiteres Meisterstück der Lobbyarbeit. Die Expertengruppe aus Forschung und Wissenschaft hat auf 593 Seiten zusammengetragen, dass es keine wissenschaftliche Grundlage für die Aufnahme von Erdgas und Kernenergie in die grüne Taxonomie gibt. Na, und? Machen wir trotzdem.
Greenwashing verhindert Investitionen in wirklich nachhaltige Projekte

Die Denkfabrik „Influence Map“ hat in einem Bericht den Einfluss der großen fossilen Energieunternehmen und ihrer Industrieverbände aufgezeigt. Demnach geht die Lobbyarbeit von mehreren europäischen Energieriesen aus, darunter Equinor, TotalEnergies, Gazprom, Repsol, BP, Engie und Royal Dutch Shell.
Die Wissenschaft steht hingegen im Abseits. „Dies ist ein Akt der Täuschung der europäischen Investoren und Bürger. Unsere Aufgabe war es, Greenwashing zu stoppen. Dieser Vorschlag fördert nicht nur das Greenwashing, er verdrängt auch echte Investitionen in nachhaltige Energie“, kommentierte Sandrine Dixson-Declѐve vom renommierten „Club of Rome“.
Auch Laurence Tubiana, die Architektin des Pariser Klimaabkommens von 2015, spricht von Greenwashing und stellte ernüchtert fest: „Die EU-Taxonomie war als wichtiges Instrument gedacht, um die Finanzströme mit dem Pariser Abkommen in Einklang zu bringen. Stattdessen untergräbt Europa seine Führungsrolle im Klimaschutz und senkt die Standards in der EU und darüber hinaus.“
Kritik an der EU sogar aus der Finanzbranche

Es ist schlichtweg nicht nachzuvollziehen, was da in Brüssel geschieht. In den letzten Wochen übten unzählige Organisationen und Institutionen sogar aus der Finanzbranche Kritik an der Idee der EU-Kommission. Selbst Investorengruppen wie Black Rock, die Allianz, die Europäische Investitionsbank und zig Denkfabriken und Klimabewegungen stellten sich gegen die EU-Kommission, die sich völlig resistent gegen alle Wissenschaft zeigt.
Das "größte Greenwashing" aller Zeiten nannte es Andreas Hoepner, Professor für nachhaltige Finanzen an der Universität Dublin. „Das ist so, als würde man Pommes frites als Salat bezeichnen", sagte er der Tagesschau.
Wie ernst meint die EU es mit der Klimaneutralität?

„Im Gegensatz zur Kommission ignorieren wir ja keine Fakten und stufen diesen Vorschlag als das ein, was er ist: selbstgerechtes Greenwashing“, kommentierte Luisa Neubauer von Fridays for Future den Vorstoß der EU-Kommission.
Die deutsche Regierung hatte sich gegen die Aufnahme von Atomkraft und Gas in die Taxonomie positioniert – eine Klage wie Österreich erwägt Deutschland aber nicht. Der Vorschlag der EU-Kommission kann nur noch durch eine Mehrheit im EU-Parlament oder gemeinsam von mindestens 20 EU-Ländern abgelehnt werden. Danach sieht es nicht aus, auch wenn einige Abgeordnete lautstark ihren Unmut über die Entscheidung der Kommission verkündet haben.
Die EU darf sich nicht wundern, wenn ihr in der Bevölkerung die Unterstützung fehlt. Wie ernst sie es meint mit dem Bekenntnis zur Klimaneutralität ist heute unklarer denn je.
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(osc)