Weiter banges Warten nach Gletscherabbruch
Gefahr aus dem Gletschersee – Schweiz blickt gebannt ins Lötschental
Nach dem massiven Gletscherabbruch im Wallis bleibt die Lage angespannt. Im abgelegenen Lötschental, wo sich am Mittwoch mehrere Millionen Kubikmeter Gestein und Eis vom Birchgletscher gelöst haben, wächst nun ein neuer See – und mit ihm die Sorge vor einer zerstörerischen Flutwelle.
Der See wächst – aber erste Entlastung in Sicht
Noch am Freitagvormittag stieg der Wasserpegel weiter an. Hinter den gewaltigen Geröllmassen, die den Flusslauf der Lonza blockieren, hat sich ein aufgestauter See gebildet. Die gute Nachricht: Erste Wassermengen beginnen sich langsam durch die rund 2,5 Kilometer lange Schuttbarriere zu drücken. Das könnte den Druck auf die natürliche Staumauer mildern.
Der zuständige Geologe Raphaël Mayoraz bezeichnete diese Entwicklung als „relativ günstig“, warnte aber gleichzeitig vor verfrühter Entwarnung. Noch sei nicht absehbar, ob sich die Wasserlage stabilisiert oder ob eine plötzliche Entladung droht – mit verheerenden Folgen für die umliegenden Ortschaften.
Wettereinschätzung von Meteorologen Paul Heger
Dörfer in Alarmbereitschaft
Blatten, das am stärksten betroffene Dorf, war bereits evakuiert worden – zum Glück. Denn es wurde nahezu komplett unter Geröll begraben. Weitere Orte flussabwärts stehen unter ständiger Beobachtung. Die Behörden riefen die Bevölkerung dazu auf, jederzeit mit einer Evakuierung zu rechnen. Zusätzliche Dämme wurden errichtet, um im Ernstfall wenigstens Teile der Welle zu bremsen.
Video-Tipp: „Wir haben das Dorf verloren, aber nicht das Herz”
Katastrophe in Blatten: Gletscherabbruch begräbt Dorf unter Schutt – eine Person vermisst
Klimawandel frisst die Berge auf
Der aktuelle Gletscherabbruch ist kein Einzelfall, sondern Teil eines beunruhigenden Trends. Durch die Erderwärmung verlieren die Alpengletscher massiv an Masse. Zwischen 2022 und 2023 gingen zehn Prozent des Schweizer Gletschervolumens verloren – das entspricht dem Verlust von drei Jahrzehnten in nur zwei Jahren.
Mit jedem Jahr steigt damit das Risiko, dass sich instabile Gletscherzungen plötzlich lösen, Flusstäler blockieren oder ganze Berghänge ins Rutschen geraten. Die Natur selbst baut sich Staudämme – und niemand weiß, wann sie brechen.
Erinnerung an Bondo
Das Unglück weckt Erinnerungen an den Felssturz von Bondo im Jahr 2017. Damals lösten sich 3,1 Millionen Kubikmeter Gestein vom Piz Cengalo. Acht Wanderer kamen ums Leben, die Ortschaft Bondo wurde schwer getroffen – nur dank vorheriger Evakuierung blieb ein noch größeres Unglück aus.
Warten zwischen Hoffen und Bangen
Im Lötschental bleibt der Blick weiter auf den wachsenden See gerichtet. Solange Wasser langsam abfließt, bleibt die Hoffnung, dass eine Katastrophe ausbleibt. Doch eine Garantie gibt es nicht. Und so vergeht die Zeit in den betroffenen Dörfern zwischen banger Ruhe und dem ständigen Wissen, dass ein einziger Moment alles verändern kann.
(avo/dpa)