Dramatische Unwetter über Alpenregionen

Extremwetter in Italien und der Schweiz: Überschwemmungen, Schneemassen und Lawinenalarm

von Amelie von Kruedener & Paul Heger

Die letzten Tage haben den Alpenraum in einen Ausnahmezustand versetzt. Heftige Unwetter mit rekordverdächtigen Regen- und Schneemengen haben in Italien und der Schweiz zu Überflutungen, Verkehrschaos und akuter Lawinengefahr geführt. Besonders betroffen sind Norditalien und das Wallis – dort fiel binnen 48 Stunden mehr Niederschlag als in Berlin in einem ganzen Jahr.

Rekordregen in Norditalien

Alarmstufe Rot in Italien
Unwetterwarnung! In der roten Region drohte teils Lebensgefahr!

Seit Dienstagabend gingen im Piemont und angrenzenden Regionen sintflutartige Regenfälle nieder. In Boccioleto wurden 543 Liter pro Quadratmeter gemessen, in Camparient 510 Liter, in Biella-Oropa 466 Liter. Ein Großteil dieser enormen Mengen fiel innerhalb von nur 24 Stunden. Besonders kritisch ist die Lage rund um Turin: Flüsse wie die Chiusella und ihre Zuflüsse traten über die Ufer, formten reißende Ströme und überfluteten weite Landstriche. Im Umland stehen ganze Dörfer unter Wasser. Erste Straßen sind unpassierbar, zwei Brücken wurden vorsorglich gesperrt.

Auch der Bahnverkehr ist betroffen: Die wichtige Simplon-Linie zwischen Italien und der Schweiz wurde eingestellt. In der Stadt Pinerolo droht ein Fluss überzulaufen, Erdrutsche und Sturmböen verschärfen die Lage zusätzlich.

Schneemassen im Wallis: Lawinengefahr auf höchster Stufe

Auf Schweizer Seite schwappte das Unwetter über den Alpenhauptkamm – und brachte dort neben Regen vor allem Schnee. Im Wallis fielen stellenweise bis zu 275 Liter Niederschlag in zwei Tagen, viel davon in Form von Neuschnee. In höheren Lagen kamen bis zu zwei Meter zusammen. In Visp wurde mit 126,7 Litern binnen 24 Stunden ein neuer Rekord aufgestellt – ein Viertel des durchschnittlichen Jahresniederschlags.

Die Folgen sind dramatisch: Regionen im Wallis sind teils von der Außenwelt abgeschnitten. Stromausfälle und Mobilfunkstörungen wurden gemeldet. Schneebruch zerstört Leitungen und blockiert Straßen. Die Lawinengefahr ist in mehreren Gebieten auf Stufe 4 von 5 gestiegen – die zweithöchste Warnstufe. In den südwestlichen Alpen, an der Grenze zu Frankreich, wurde regional sogar Stufe 5 erreicht. Spontane, großflächige Lawinenabgänge sind dort möglich.

Po-Fluss unter Hochwasser-Druck

Regenmengen im Piemont und angrenzenden Regionen bis Freitagmorgen
Regenmengen bis Freitagmorgen

Der enorme Niederschlag in den Alpen speist nun die großen Flüsse Norditaliens. Besonders betroffen ist der Po, der das Wasser aus den Bergen Richtung Adria transportiert. Die Pegel steigen, wie groß die Hochwasserwelle wird, ist noch offen. Sicher ist nur: Auch flussabwärts drohen Überschwemmungen, bis hinein in die Poebene und zur Küste.

Die Lage in Italien beruhigt sich im Laufe des Freitags und zum Samstag. Im Südwesten Europas kommt derweil das nächste Sturmtief mit kräftigen Niederschlägen an. Dieses scheint erneut auch Italien zu treffen. Ab Sonntag drohen neue kräftige Niederschläge.

Erschwert wird die Lage durch weitere Regenfälle, die laut Wettermodellen noch nicht ganz vorbei sind. In den Staulagen der Alpen können bis zu 150 Liter pro Quadratmeter dazukommen. Dazu kommen Sturmböen mit bis zu 120 km/h rund um den Golf von Genua, Korsika und Sardinien.

Wetterextreme ohne Entspannung in Sicht

Zwischen Schneechaos, Überschwemmungen und Sturmwarnungen bleibt die Lage angespannt. Italien und die Schweiz erleben derzeit ein Wetterextrem, das Straßen, Bahnverbindungen und ganze Regionen lahmlegt. Räumdienste, Einsatzkräfte und Wetterdienste sind im Dauereinsatz – mit ungewissem Ausgang. Die nächsten Tage werden zeigen, ob das Schlimmste bereits hinter der Region liegt. Entwarnung gibt es vorerst nicht.

(avo)