Wenn Wärme den Unterricht lähmt
Warum es Hitzefrei kaum noch gibt – und früher ganz anders war

Während draußen bis zu 40 Grad herrschen, sitzen Schülerinnen und Schüler weiter im Unterricht. Früher hätte das für Hitzefrei gereicht – heute kaum noch denkbar.
Lockerung in Niedersachsen bringt Bewegung
Vergangene Woche hat Niedersachsen reagiert: Die Regeln für Hitzefrei wurden gelockert, Schulen sollen künftig flexibler reagieren können, wenn die Temperaturen in den Klassenzimmern zu stark steigen. Der Vorstoß trifft einen Nerv – denn bei der aktuellen Hitzewelle mit Spitzenwerten um die 40 Grad fragen sich viele: Warum gibt es eigentlich kaum noch Hitzefrei?
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Früher: Hitzefrei war fast selbstverständlich
Wer zur Schule ging in den 1980ern oder 1990ern, erinnert sich: Wenn es heiß wurde, klingelte oft schon um zehn Uhr der Gong zur vorzeitigen Entlassung.
- Auch ältere Jahrgänge, bis hin zur Oberstufe, durften früher nach Hause.
- Grundlage war meist eine Raumtemperatur von 27 bis 28 Grad – oft ohne Messgerät, aber mit gesundem Menschenverstand.
- Es gab kein digitales Lernen, keine Ganztagsbetreuung – und Eltern wussten: Wer Hitzefrei hat, kommt selbst zurecht.
Viele, die in den 1980er- oder 1990er-Jahren zur Schule gingen, erinnern sich noch gut: Wenn der Lehrer den Klassenraum betrat und Hitzefrei verkündete, war das oft das Highlight eines langen Sommertages. Hitzefrei war früher ein Symbol für Sommerleichtigkeit. Heute steht dem ein komplexer Schulalltag entgegen, in dem Betreuung, Lernpflicht und Organisationsdruck mehr wiegen als ein heißes Thermometer. Doch mit dem Klimawandel wird sich die Debatte zuspitzen – und vielleicht ist Niedersachsen nur der Anfang.
Heute: Ganztag, Betreuung, Pflichten
Zwar liegt die Entscheidung über Hitzefrei heutzutage formal bei der Schulleitung, doch die Freiheiten sind im Gegensatz zu früher stark eingeschränkt.
- In vielen Bundesländern ist Hitzefrei erst ab der dritten oder vierten Schulstunde möglich.
- Die Oberstufe ist in der Regel ausgenommen, ebenso Ganztagsklassen.
- Voraussetzung ist meist die sichergestellte Betreuung – die aber nicht jede Schule leisten kann.
- Zudem fehlt es vielerorts an Thermometern, geeigneter Belüftung oder baulichen Alternativen.
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Was andere Bundesländer machen
In vielen Bundesländern gelten seit Jahren kaum angepasste Erlasslagen zum Thema Hitzefrei. Die Entscheidung liegt formal bei den Schulleitungen, aber oft unter engen Bedingungen:
- Bayern: Hitzefrei frühestens nach der vierten Unterrichtsstunde möglich. Ausgenommen sind die Jahrgangsstufen 11 und 12 sowie Abschlussklassen. Entscheidung muss pädagogisch begründet und Betreuung gesichert sein.
- Nordrhein-Westfalen: Kein Automatismus – Hitzefrei ist „möglich“, aber nur bei sichergestellter Betreuung. Gilt nicht für die Sekundarstufe II. Häufig bleibt der Unterricht trotz großer Hitze bestehen.
- Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg: Ähnliche Regelungen wie NRW. Entscheidung durch die Schulleitung, aber meist erst ab der dritten Stunde. Oberstufe fast immer ausgeschlossen. Betreuung muss gewährleistet sein.
- Berlin und Brandenburg: Hitzefrei ist grundsätzlich möglich, aber die Verantwortung liegt beim Schulleiter. Klar definierte Temperaturgrenzen fehlen meist. Einige Schulen verzichten komplett darauf, da Ganztagsbetreuung Vorrang hat.
- Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern: Teils sehr restriktive Vorgaben. Hitzefrei wird nur selten praktiziert, oft mit Hinweis auf die Betreuungspflicht. Moderne Gebäude oder Schichtmodelle kommen mancherorts zum Einsatz.
Trotz ähnlicher Hitzebelastung herrscht ein Flickenteppich aus Landesvorgaben, mit denen Schulen oft nur eingeschränkt reagieren können.
So läuft’s im europäischen Ausland
Ein Blick über die Grenzen zeigt: Auch anderswo ist Hitzefrei kein Automatismus – aber oft besser vorbereitet.
- Frankreich: Hitzefrei gibt es nicht offiziell – aber viele Schulen sind klimatisiert oder haben hitzefeste Bauten.
- Italien: Sommerferien starten meist schon im Juni – Schulunterricht bei 40 Grad ist selten nötig.
- Niederlande und Belgien: Flexible Modelle mit verkürztem Unterricht an heißen Tagen sind verbreitet.
- Skandinavien: Keine formelle Hitzefrei-Regel, aber moderne Schularchitektur sorgt für angenehme Temperaturen. Lehrkräfte können den Unterricht flexibel anpassen.