Atlantik wärmer als sonst

Droht eine heftige Sturm- und Hurrikan-Saison?

von Arne Draheim

Selten war die Tragweite der Hurrikansaison so schwer zu prognostizieren, wie im Jahr 2023. Auf der einen Seite: Steigende Meeresoberflächentemperaturen, die eine Unwettergefahr erhöhen. Eine starke El-Niño-Wetterlage andererseits. Fakt ist, mit schweren Stürmen ist auch in diesem Jahr zu rechnen – doch wie schwer werden sie?

Die Hurrikan-Prognosen sind unklar

28.09.2022, USA, Venice: Segelboote, die in der Roberts Bay vor Anker liegen, werden von schnellen Winden umhergeweht. Hurrikan «Ian» hat auf seinem Weg in Richtung Florida weiter an Kraft zugenommen. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 220 Stundenkilometern gilt der Sturm im Golf von Mexiko nun als Hurrikan der zweithöchsten Kategorie. Foto: Pedro Portal/El Nuevo Herald via ZUMA Press/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Boote drohten durch den Sturm zu kentern: Hurrikan Ian wütete im vergangenen Jahr im US-Bundesstaat Florida.

Meterhohe Sturmfluten überschwemmen die Westküste Floridas. Dort, wo es vermeintlich weniger dramatisch zugeht, müssen sich Passanten beim Überqueren der Straße an den Schildern festhalten. Die Bilder des Hurrikans Ian sind noch gar nicht so alt. Im vergangenen September richtete der Sturm in Florida Schäden in Milliardenhöhe an – nun bereiten sich die Menschen vor Ort allmählich auf neue Unwetter vor. Wie schwer sie in diesem Jahr ausfallen werden, das ist derzeit noch nicht ganz klar.

Normalerweise liegen die Wahrscheinlichkeiten, dass es zu einem Hurrikan pro Saison kommen wird, zwischen 60 und 70 Prozent. Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) schätzt die Situation wie folgt ein: Es besteht eine 40 prozentige Chance auf eine normale Hurrikansaison. Die Wahrscheinlichkeit der Wetterexperten, dass eine überdurchschnittliche oder unterdurchschnittliche Saison wartet, liegt bei 30 Prozent. Die Experten stehen vor einer Daten-Unsicherheit, die es so schon länger nicht gegeben hat.

Meeresoberflächentemperatur liegt über dem Normalwert

Tropensturm Andrea, Satellitenaufnahme
Satellitenaufnahme von 2019: Tropensturm Andrea, bewegt sich über dem US-.Bundesstaat Florida.

Ein Grund der für eine heftige Sturm- und Hurrikansaison spricht, ist die überdurchschnittliche Meeresoberflächentemperatur des Atlantiks. Genauer gesagt im Golf von Mexiko und im Karibischen Meer. Der Wert liegt über dem Vorjahreswert und ist vergleichbar mit dem Messwert des Jahres 2020 – dort gab es die meisten Tropenstürme (29), die je innerhalb eines Jahres erfasst wurden.

In diesem Jahr könnte ein ähnliches Szenario drohen, denn der Unwetterzeitraum dehnt sich über mehrere Monate aus. In der Regel dauert eine Hurrikansaison von Anfang Juni bis Ende November an. Da sich die Ozeane bereits im Frühjahr bis in den Sommer hinein stärker als normal erwärmen, werden sie vermutlich bis in den Herbst hinein höhere Temperaturen aufweisen.

Denn warmes Wasser ist eine der Grundlagen für die Entstehung der Tropenstürme. Weil erwärmtes Meerwasser schneller verdunstet und dadurch mit der Warmluft aufsteigt, sammeln Wirbelstürme aufgrund der Erderwärmung mehr Feuchtigkeit über dem Meer. Das erhöht ihre Energie und sorgt dafür, dass sie an Land langsamer abbremsen als früher. Heißt: Ist der Atlantik wärmer als sonst, ist das ein Signal für mehr oder gar stärkere Stürme. Das stimmt theoretisch, da fehlt aber noch ein wichtiger Faktor.

El-Niño-Wetterlage treibt Windscherung voran

Die Oberflächentemperatur des Wassers allein reicht nicht aus – ebenfalls entscheidend für die Bildung von Tropenstürmen sind zudem auch andere Phänomene. Schließlich soll es laut europäischem Wetterdienst besonders im Mai und Juni zu stärkeren El-Niño-Phasen kommen, die die Hurrikanbildung entscheidend beeinflussen können. Meeresströmungen im östlichen Pazifik ändern sich und auch die Winde verändern ihre Richtung. Die Bildung gefährlicher Wolkenformationen kann unterbunden werden, sodass die Bildung eines Tropensturmes unwahrscheinlicher wird.

Denn obwohl sich das El-Niño-Phänomen normalerweise im Pazifik ereignet, hat es Auswirkungen auf die allgemeine Zirkulation und somit auch direkt auf das Ausmaß der Windscherung im Atlantik. Daher erwarten Experten, dass die Hurrikansaison 2023 von der starken El-Niño-Wetterlage beeinflusst wird. Das wiederrum würde bedeuten, dass die Tropensturmgefahr plötzlich drastisch abnehmen könnte. Die NOAA schätzt die Wahrscheinlichkeit eines El-Nino-Wetterphänomens während der Haupt-Hurrikansaison auf 93 Prozent.

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Wohl aber mindestens zwei schwere Hurrikans

Hurrikan rast auf die Südküste der USA zu
Eine Prognose des Hurrikan Ida: Der Sturm zog 2021 über den Golf von Mexiko.

Die Gefahr von Stürmen ist natürlich nicht ausgeschlossen, ob es aber tatsächlich zu Hurrikans kommt, variiert je nach Modell. Zur Verdeutlichung: Ein Tropensturm bringt anhaltende Winde von mindestens 63 km/h mit sich. Von einem Hurrikan wird ab einer Windgeschwindigkeit von mindestens 119 km/h gesprochen, während ab Tempo 179 km/h von schweren Hurrikans die Rede ist.

Jene Unterteilung haben die NOAA-Experten ebenfalls vorgenommen. Ihre Prognose: Die Saison bietet 12 bis 17 Stürme, von denen sich fünf bis neun zu Hurrikanen entwickeln können. Einer bis vier der aufgeführten Stürme kann sogar zu einem schweren Hurrikan werden. An der Colorado State University gehen die Meteorologen hingegen von bis zu drei schweren Hurrikanen aus.

Wie hoch die Anzahl tatsächlich werden wird, muss von Tag zu Tag beobachtet werden. Was sich allerdings nicht mehr ändern wird, sind die 21 Namen, die für die Stürme bereits im Vorfeld vergeben wurden. Sollte diese Anzahl in der schwer kalkulierbaren Hurrikansaison sogar überschritten werden, werden einfach weitere Namen von einer Ersatzliste genutzt.

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(rdr)