Endlich bewiesen

Nordpol im Sommer ohne Eisschicht: Das gab es zuletzt vor zehn Millionen Jahren

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Kein Eis am Nordpol: Das deutsche Forschungsschiff Polarstern bei seiner Fahrt über den Lomonossow-Rücken im zentralen Arktischen Ozean.

Das ist ja ein gefundenes Fressen für Klimawandel-Leugner: Es gab schon mal eine Zeit, da war sogar der Nordpol vollkommen eisfrei. Mithilfe von Bodenproben vom Lomonossow-Rücken (der Lomonossow-Rücken verläuft von den Neusibirischen Inseln über den mittleren Teil des Arktischen Ozeans bis zur Ellesmere-Insel nahe Grönland) konnte ein Forscherteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) belegen, dass die zentrale Arktis vor sechs bis zehn Millionen Jahren im Sommer nicht von Eis bedeckt war. Das Meer war damals an seiner Oberfläche 4 bis 9 Grad Celsius warm. Im Frühjahr, Herbst und Winter dagegen schwammen Eisschollen auf dem Ozean, berichten die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications.

Die aufschlussreichen Sedimentproben hatten die Wissenschaftler auf einer Polarstern-Expedition im Sommer 2014 geborgen. Eine der Proben entpuppte sich genau als eines jener Klimaarchive, nach denen die Wissenschaftler lange gesucht hatten. Sie stellten fest, dass der untere Teil jenes Kerns aus circa sechs bis zehn Millionen Jahre alten Sedimenten besteht. Mit Hilfe sogenannter Klimaproxies – das sind indirekte Anzeiger des Klimas in beispielsweise Baumringen, Eisbohrkernen und Sedimenten – rekonstruierten die Forscher „die Klimabedingungen im zentralen Arktischen Ozean für einen Zeitabschnitt, für den es bis dahin nur sehr vage und sich widersprechende Informationen gab“, sagt der AWI-Geologe, Expeditionsleiter und Studienerstautor Prof. Dr. Rüdiger Stein.

Prognosen über zukünftige Klima- und Meereisschwankungen werden möglich

Polarsternfahrtleiter Prof. Dr. Rüdiger Stein (Mitte, orangefarbene Kleidung) und sein Team begutachten im Polarstern-Labor den am Lomonossow-Rücken geborgenen Sedimentkern. Foto: Alfred-Wegener-Institut / Audun Tholfsen, UoB 

Taking first samlpes: Polarstern expedition leader Rüdiger Stein (orange clothes) and his team are sampling the valuable sediment core in the lab onboard the research ship Polarstern. Photo: Alfred-Wegener-Institut/ Audun Tholfsen, UoB
Kein Eis am Nordpol ist beweisen: Polarsternfahrtleiter Prof. Dr. Rüdiger Stein und sein Team begutachten im Polarstern-Labor den am Lomonossow-Rücken geborgenen Sedimentkern.

Einige Wissenschaftler vertraten die Meinung, dass der zentrale Arktische Ozean bereits vor sechs bis zehn Millionen Jahren ganzjährig durch eine Meereisschicht bedeckt war – in etwa jenem Ausmaß, wie wir sie heute kennen. Dieser Annahme widersprechen nun die neuen Forschungsergebnisse. „Unsere Daten weisen eindeutig darauf hin, dass vor sechs bis zehn Millionen Jahren der Nordpol und der gesamte zentrale Arktische Ozean im Sommer sogar eisfrei gewesen sein müssen“, sagt Stein.

Diese neuen Klimadaten sind nicht nur ein wichtiger Baustein für die Rekonstruktion von Vergangenem, sie können zudem dazu dienen, Klimamodelle für die Zukunft zu überprüfen. Rüdiger Stein: „Wenn unsere Klimamodelle die Meereisbedeckung früherer Zeiträume zuverlässiger reproduzieren können, werden wir auch in der Lage sein, genauere Prognosen über künftige Klima- und Meereisschwankungen in der zentralen Arktis zu geben.“

Weitere Sedimentkern-Bohrung am Lomonossow-Rücken sind geplant, um „das große Geheimnis über die Klimaentwicklung der Arktis und deren Ursachen im Verlauf der letzten 20 bis 60 Millionen Jahre vollständig zu lüften“, sagt Stein.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung