Trocken, trockener, Deutschland
Nach der Hitze ist vor der Hitze: Müssen wir Angst vor einem Dürre-Jahr haben?
Carlo Pfaff, Christian Häckl und Silvia Soyter
Keine Verschnaufpause nach Deutschlands erster Hitzewelle 2022: Die angekündigte Abkühlung hielt nicht lange an, Prognosen erwarten wieder heiße Tage. Die Dürre von 2018 bis 2020 war die schlimmste seit 250 Jahren in Europa. Und auch jetzt sind die Böden viel zu trocken und unsere Wasserspeicher halb leer – müssen wir also Angst vor dem nächsten extremen Dürre-Jahr haben?
Im Video: Welche Auswirkungen die letzten drei Dürre-Jahre auf Europa hatten und wie heiß es wirklich war, sehen Sie im Klima Update mit Christian Häckl.
Klimawandel schadet Wasservorräten in Deutschland
In den vergangenen Jahren war es im Schnitt während der Trockenphasen drei Grad zu warm. So beeinflusst der Klimawandel auch die Verfügbarkeit von Wasser in Deutschland. Betroffen sind dabei nicht nur Flüsse, sondern auch die Wasserreservoirs des Landes. Eine Mischung aus
- Niederschlag
- Temperatur
- Beschaffenheit der Böden
entscheidet über das Ausmaß der Schäden nach Hitze- und Trockenphasen. Auch Starkregen im Sommer kann die Wasserspeicher der Natur nicht wieder füllen: Der Regen erreicht die tiefen Erdschichten nicht, sondern fließt vorher ungenutzt in die Kanalisation oder Flüsse ab.
Es ist zunächst nicht sofort problematisch wenn es im Durchschnitt zu wenig geregnet hat. Man muss auf die Temperatur und die Beschaffenheit des Bodens achten. Die tonhaltigen Böden des Harz können Wasser im Gegensatz zu eher aufgelockerten Böden, wie wir sie in Bayern vorfinden, sehr gut speichern. Wenn es also in Bayern über einen längeren Zeitraum nicht geregnet hat, begünstigt die Bodenbeschaffenheit das Versickern des Wassers. Wenn dann die Temperaturen ansteigen, entziehen Pflanzen der Erde schneller das Wasser und der Boden trocknet aus.
Regnet es genug in Deutschland?
Vor allem im Sommer schimpft man gerne über zu viele Regentage. Doch wie viel regnet es wirklich in Deutschland? „Das halbe Jahr ist ja fast vorbei und wir sollten daher 50 Prozent des normalen Niederschlages bis jetzt gesammelt haben. Das wären im landesweiten Schnitt 390 Liter pro Quadratmeter“, sagt unser wetter.de-Meteorologe Carlo Pfaff.
Doch nach der Hitze ist vor der Hitze: Nach unserer ersten richtigen Hitzewelle und den dazugehörigen Waldbränden, stehen uns nun die nächsten heißen Tage bevor. Bleibt die Frage: Hat es ausreichend geregnet? Nicht ganz, sagt der Meteorologe: „Es war deutlich trockener als normal. Im Schnitt sind bislang nur 290 Liter pro Quadratmeter gefallen. Am wenigsten kam in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt mit gerade mal 172 Litern zusammen.“
Die europaweite Trockenheit von 2018, 2019 und 2020 konnte auch im vergangenem Jahr nicht ausgeglichen werden.
Europa geht das Wasser aus: Wo ist es besonders trocken?

- Kanadische Forscher haben Erschreckendes aufgedeckt: Deutschland hat in den vergangenen 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees eingebüßt. Mit einem Wasserrückgang von rund 2,5 Gigatonnen im Jahr kann sich Deutschland unter den Ländern mit dem weltweit höchsten Wasserverlust einreihen.
- Auch Sachsen befürchtet bald, im wahrsten Sinne des Wortes, „auf dem Trockenen“ zu sitzen. Deshalb will der Freistaat die Wasserversorgung für eine wärmere Zukunft krisensicher machen. Sachsens Umweltminister Wolfram Günther betont, dass die Lage angespannt sei, weshalb am 27. Juni die Grundsatzkonzeption Wasserversorgung 2030 vorgestellt wird. Um regionale Wasserdefizite auszugleichen will man das Verbundsystem zwischen den Talsperren ausbauen.
- Frankreich schwitzt gewaltig: Wegen anhaltender Trockenheit hat das Dorf Villars-sur-Var im Norden von Nizza das Zähneputzen am Wasserhahn und Trinken von Leitungswasser verboten. Auch zum Kochen darf es nicht mehr verwendet werden. Die Quelle, die sonst das Dorf mit Wasser versorgt, hat aufgrund der Dürre nicht genug Wasser. Die Dorfbewohner erhalten pro Tag zwei Flaschen Trinkwasser.
- In Italien wird Wasser zum Streitfall: Südlich des Gardasees hat es seit rund 100 Tagen nicht mehr oder kaum geregnet. Die dramatische Folge: Der Po, der längste Fluss Italiens, ist zu einem Rinnsal verkümmert. Um dem Fluss wieder Wasser zuzuführen, sollte der Gardasee „Wasser lassen“. Doch die Gemeinde geht auf die Barrikaden, da man befürchte, dass diese Maßnahme weder dem Po noch dem Gardasee helfe.

Maßnahmen gegen die Dürre: Können wir es in Zukunft künstlich regnen lassen?
Um auf zukünftige Trockenphasen vorbereitet zu sein, wird die Wissenschaft kreativ: Regen dann, wenn man ihn am dringendsten braucht? Wissenschaftler erforschen das sogenannte „Cloud-Seeding“. Dabei wird Silberiodid in Regenwolken geschossen. Das bindet die Feuchtigkeit innerhalb der Wolke zu Tropfen, die dann auf die Erde fallen. Regen auf Knopfdruck.
Vereinzelt kommt diese Methode in China und Russland zum Einsatz und derzeitige Langzeitstudien schätzen die Umweltbelastung durch das Silberiodid als gering ein. Sollte sich allerdings ein weltweiter Einsatz durchsetzen, könnte sich auch die Umweltbelastung durchaus steigern.
Kritische Stimmen aus der Forschung warnen davor, dass bereits kleine Mengen der Verbindung aus Silber und Iod für Meeresbewohner giftig sein können. Außerdem sei man sich noch nicht im Klaren darüber, was es bedeutet, wenn es regelmäßig Silberiodid regne und welche Auswirkungen das für Äcker und unsere Lebensmittel haben könne.

Nach den Dürrejahren 2018, 2019 und 2020: Wie trocken wird 2022?
Der kalendarische Sommer 2022 hat nun offiziell begonnen und der Rückblick auf die erste Jahreshälfte zeigt: Im Durchschnitt war es zu trocken. Aber müssen wir ein weiteres Dürrejahr wie 2020 befürchten? Unser wetter.de-Meteorologe Carlo Pfaff blickt positiv auf die zweite Jahreshälfte: „Für den jetzigen Sommer rechnen die Computermodelle mit einer durchschnittlichen Regenmenge. Das bedeutet, dass wir nicht mit einer extremen Trockenheit in diesem Jahr rechnen müssen.“ Also Entwarnung auch für den Osten? Nicht ganz sagt Pfaff: „Die Defizite in den Bodenschichten vor allem im Osten des Landes werden aber wohl weiterhin bestehen bleiben.“
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(apf, hha, sso mit dpa)