Der Ostsee geht es nicht gut

Baden in der Ostsee: Welche Gefahren drohen im Mare Balticum in diesem Sommer?

von Oliver Scheel

Die Ostsee ist als Urlaubsziel enorm beliebt und es ist auch klar warum: Tolle Badestrände, gut erreichbar, eine prima Infrastruktur mit schönen Orten und das Ganze noch halbwegs bezahlbar. So erfreuen sich die Ostseebäder in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern großer Beliebtheit. Es gibt aber ein Problem: Die Ostsee wird zunehmend zum Patienten. Was ist los im Norden und wie steht es in diesem Jahr um die Wasserqualität?
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Warum ist die Ostsee so gefährdet?

Die Ostsee ist relativ klein und vor allen Dingen fast ein Binnemeer. Wasseraustausch ist kaum möglich, nur ein kleiner Arm, der Kattegat zwischen Danemark und Schweden, verbindet die Ostsee mit der Nordsee und somit dem Atlantik. Wasseraustausch ist also kaum möglich. Zudem ist die Ostsee relativ flach, die mittlere Tiefe beträgt nur 52 Meter. Zum Vergleich: Die Nordsee ist im Schnitt 80 Meter tief, Schwarzes Meer und Mittelmeer sogar 1.200 bzw. 1.500 Meter. Das hat Konsequenen für das Gewässer – es wärmt sich in der Klimakrise sehr stark auf. Kein sogenanntes Randmeer hat sich so stark aufgeheizt wie die Ostsee, sie ist schon um 1,6 Grad wärmer geworden. Das hat Folgen für den Sauerstoffgehalt und das gesamte Leben im Meer.

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Mit welchen Problemen kämpft die Ostsee?

 Badewetter auf Ruegen Tausende Urlauber baden in der Ostsee in Binz auf Ruegen. Binz Mecklenburg-Vorpommern Deutschland *** Bathing weather in Ruegen Thousands of holidaymakers bathe in the Baltic Sea in Binz on Ruegen Binz Mecklenburg Vorpommern Germany
Herrlich: Badewetter auf Rügen Tausende Urlauber baden in der Ostsee in Binz auf Rügen.

An der Ostsee leben sehr vele Menschen – mehr als 84 Millionen sind es im direkten Einzugsbebiet. Die Einträge von Schadstoffen, Dünger und Müll sind enorm. Die meisten Düngemittel kommen über die großen Flüsse Newa (Russland), Weichsel (Polen), Düna (Lettland) und Oder (Deutschland/Polen) in das Meer. Die Eutrophierung, also die menschengemachte Anreicherung von Nährstoffen, ist das größte Problem für die Ostsee.

Ohne den Wassertausch ist die Ostsee dem hohen Eintrag von Düngemitteln hilflos ausgeliefert. Einzig schwere Herbststürme schaffen es, etwas Atlantikwasser in die Ostsee zu pumpen, so zuletzt Sturmtief Zoltan Weihnachten 2023.

Durch den hohen Düngemitteleintrag und die Erwärmung verliert das Meer an Sauerstoff. Die Erwärmung führt zu Algenblüten. Wenn die Algen die Nährstoffe aufgezehrt haben, sterben sie ab und sinken auf den Meeresboden, wo sie von Bakterien zersetzt werden, die dabei aber Sauerstoff verbrauchen. Es gibt schon jetzt sogenannte Sauerstoffminimumzonen (der Volksmund sagt Todeszonen), in denen sich so wenig Sauerstoff findet, dass kein Leben mehr möglich ist. Ein Problem ist, dass die Ostsee geschichtet ist, der Austausch von sauerstoffreichem Oberflächenwasser mit dem viel salzigeren Tiefenwasser findet kaum statt.

Welchen weitere Gefahren ist die Ostsee ausgesetzt?

  • In der Ostsee liegen Hunderttausende Tonnen Munition, die vor sich hin rosten.
  • Es werden immer wieder Schwermetalle nachgewiesen – zuletzt etwa Thallium, das giftiger ist als Quecksilber, Cadmium oder Blei. Forscher gehen davon aus, dass die Zementindustrie eine der größten Verursacherinnen der Emissionen war/ist.
  • Die Ostsee ist überfischt und eingeschleppte Arten bedrohen das Ökosystem.
  • Die Erwärmung führt zu massenhaften Vermehrung der Vibrionen. Die gehören zur natürlichen Bakterienflora salzhaltiger Meere, vermehren sich aber bei Wassertemperaturen von mehr als 20 Grad und einem bestimmten Salzgehalt schnell. Über offene Wunden dringen sie in den Körper ein und erzeugen Wundinfektionen, Fieber, Schüttelfrost, Schwellungen. Man bekämpft sie mit Antibiotika.

Wie steht es in diesem Jahr um die Badequalität?

ARCHIV - 09.05.2023, Schleswig-Holstein, Strande: Wellen laufen am Strand der Ostsee am sogenannten Schwedeneck auf den Sand. (zu dpa: «Pilotbergung von Munitionsaltlasten in der Ostsee beginnt») Foto: Axel Heimken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Munitionsbergung an der Ostsee - hier liegen massenhaft Altlasten

Eine gute Sache hat dieser wankelmütige Sommer: Das Ostseewasser hat frische 19 bis 20 Grad. Das sind die Temperaturen, die ein Algenwachstum und eine starke Bakterienvermehrung nicht zulassen. Und: In den vergangenen Jahren kam es in der Ostsee häufig zu regelrechten Quallenplagen. Auch die Quallen, es waren in der Mehrzahl ungiftige Ohren-Quallen, mögen es, wenn das Wasser warm und nährstoffreich ist. Bisher sind keine massenhaften Quallen-Vorkommen aufgetreten – Wetter sei dank.

Die deutschen Strandbäder sind bemüht, ihren Gästen saubere Strände anzubieten. Mitte Juni wurden an den Ostsee-Stränden von Schleswig-Holstein Gewässerproben entnommen. Es wurden verschiedene Mikroalgenpopulationen gefunden, die aber laut „Algenreport“ keinen negativen Einfluss auf die Badewasserqualität haben. Insofern: Rein in die Ostsee – vielleicht nicht gerade literweise Wasser beim Schwimmen schlucken.

Mit Blasentang für eine bessere Wasserqualität

Es gibt das große Ziel, die Ostsee wieder zu einem sauberen Gewässer zu machen. Die Anrainerstaaten haben einen Ostseeaktionsplan bis 2030 vorgelegt. Im Zentrum stehen „Aktivitäten gegen Verschmutzungen der Ostsee, vor allem durch Meeresmüll sowie Eutrophierung, die durch Überdüngung verursacht wird“, heißt es bei der sogenannten Helsinki-Kommission (HELCOM).

Unter anderem soll Blasentang die Wasserqualität verbessern. Der Blasentang und andere Algen kann Nährstoffe aus der Ostsee herausfiltern. In Pilotprojekten wurde der Tang an den Sockeln der Windkraftanlagen angebracht. So könnten ganze Tangwälder entstehen, die das Wasser säubern. Sie müssen dann vor der Zersetzung abgefischt werden, dienen aber wiederum als Dünger für die Äcker. Dann müssten die Bauern auch weniger düngen und es käme zu weniger Nährstoffeintrag ins Meer. Ein schöner positiver Kreislauf würde in Gang gesetzt.

(osc)