Alle leiden: Tiere, Polizei, Rettungsdienste, Ärzte, Umwelt
Warum ein Böllerverbot nötig und sinnvoll ist

Zwei Drittel der Deutschen wollen es, die Polizei, die Rettungsdienste, die Ärzte, Tier- und Umweltschützer: Das Böller-Verbot. Nur die Politik folgt einer kleinen, aber lauten Minderheit, die Millionen Deutschen den Jahresstart vermiest. Was soll das, fragt unser Autor Oliver Scheel.
Die Silvesternacht 24/25 brachte eine Bilanz des Schreckens
Was haben die Gewerkschaft der Polizei, die Umweltverbände und die deutsche Ärzteschaft gemeinsam? Sie alle fordern ein Böllerverbot. Mehr als 2,2 Millionen Menschen haben eine Petition mit dem Namen „Bundesweites Böllerverbot, jetzt!” unterzeichnet. Denn die Zustände an Silvester erinnern mancherorts eher an Straßenschlachten als einen friedlichen Übergang ins neue Jahr. Doch die Politik kuscht einmal mehr vor einer lauten Minderheit.
Fünf Tote und Hunderte Verletzte. Das ist nicht etwa die Bilanz eines terroristischen Anschlags, sondern das war Silvester 2024. Ein ganz normaler Jahreswechsel in Deutschland. Dazu gehören Angriffe auf Polizisten, Attacken auf Rettungsdienste, querfliegende Raketen, die Unschuldige treffen und eine Ärzteschaft, die in der Silvesternacht im Dauereinsatz ist und sich nicht ausreichend um andere Notfälle kümmern kann.
Video: 60 Prozent der Deutschen sind für ein Böllerverbot
Hallo, Herr Schnieder: Wie wäre es mit einem Dienst in Berlin an Silvester?

Das alles nennt Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) eine „Tradition”. Man müsse ja nicht immer alles verbieten, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir haben eine Tradition, so Silvester zu feiern.” Das ist ja wirklich toll, so eine Tradition. Und was genau hat die Regierung eigentlich sonst so verboten?
Die Politik traut sich mal wieder nicht, etwas zu unternehmen, weil eine kleine, aber laute Minderheit böllern will, ähnlich wie beim Tempolimit. Dabei fordern - je nach Umfrage - zwischen 60 und 70 Prozent der Deutschen ein Böllerverbot. Ein breites Bündnis aus mehr als 50 Organisationen, darunter die Ärzteschaft, Tierschutzorganisationen und das Deutsche Kinderhilfswerk, ruft ebenfalls dazu auf. Die komplette Zivilgesellschaft also. Die Menschen, die das Land am Laufen halten. Doch deren Rufe verhallen wieder einmal ungehört. Wer schreit, hat Recht.
„Schlachtfeld”: Warnung vor neuer Horror-Nacht
Die Deutsche Umwelthilfe warnte „vor einer beispiellosen Eskalation in der Silvesternacht”. Sie verwies dabei auf Zahlen des Statistischen Bundesamts, wonach in den ersten neun Monaten des Jahres bereits 42.400 Tonnen Feuerwerkskörper nach Deutschland eingeführt wurden und damit über 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Es spricht also Vieles für ein nie dagewesenes Geballer am deutschen Horizont.
Das wäre schlimm, denn viel krasser als letztes Jahr kann es eigentlich kaum kommen: „Was wir vergangenes Silvester erlebten, übersteigt jeden Rahmen”, sagte der Landesvorsitzende der Berliner GdP, Stephan Weh. An einem bundesweiten Böllerverbot „führt kein Weg mehr vorbei”, heißt es im Petitionstext. Und weiter: „Böller werden als Waffen gegen uns eingesetzt.” Ein Wahnsinn. Oder, in Ministersprache: Eine Tradition. Vielleicht sollte Verkehrsminister Schnieder mal in Berlin an Silvester Dienst schieben.
Denn: Es wird ja immer wilder. Für die tödlichen Unfälle sind meist illegale Böller verantwortlich. In den letzten Jahren fanden immer häufiger sogenannte Kugelbomben Verwendung. Kugelbomben haben so eine Sprengkraft, dass sie sogar Gebäude beschädigen können: In Berlin-Schöneberg machten zwei Explosionen 2024 sage und schreibe 36 Wohnungen unbewohnbar. Ein Sprecher der Berliner Feuerwehr sprach von einem „Schlachtfeld”, nicht von einer Tradition.
Tiere und die Umwelt leiden

Seit Jahren wissen wir, dass Silvester für Tiere die schlimmste Nacht des Jahres ist. Mittlerweile erfreuen sich Flughafen-Hotels bei Hundebesitzern großer Beliebtheit, denn rund um die Flughäfen darf nicht geböllert werden. Wie absurd ist es bitte, dass Bürger dieses Landes vor den Zuständen in der Silvesternacht fliehen müssen?
Ganz abgesehen von dem Schaden, der unserer Atemluft zugefügt wird: Am 1. Januar ist die Luft vielerorts mit Feinstaubwerten belastet, die die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Grenzwerte deutlich überschreiten. 2.000 Tonnen Feinstaub werden in den untersten Luftschichten in einer Silvesternacht normalerweise freigesetzt. Das entspricht etwa 8 Prozent der jährlich im Straßenverkehr freigesetzten Feinstaubmenge. Irre!
Video: Experten sind sich lange einig
Dabei will nur gut jeder Fünfte zum Jahreswechsel Feuerwerk zünden, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des TÜV-Verbands ergab. „Es ist eine Minderheit, die zu Silvester privat böllert, Raketen abschießt oder andere Feuerwerkskörper zündet”, sagt Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands.
Man fragt sich, warum die Politik so zögert, die Menschen zu schützen, die uns schützen. In anderen Ländern geht das doch auch.
Verwendete Quellen: Eigene Recherche, Agenturmaterial